im Felde, 02. Mai 1943

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Mein Liebste!

Nun habe ich sogar gleich 2 Briefe von Dir zu beant-
worten, gestern Abend erhielt ich Deinen Brief vom
23.4. und gerade als ich ihn beantworten will,
erhalte ich noch spät abends Deinen Brief, vom 24.4.,
meine Freude darüber war übergroß. Es ist ja lieb
von Dir, daß Du mir so fleißig schreibst, und ich sehe
daraus, daß Du viel an Deinen Siegfried denkst. Und
das zu wissen, ist doch sehr schön. Fern von der Heimat
bist Du jetzt immer sehr allein, sehr einsam, und wirst
das Plaudern im Brief bald als großen Trost und
Bedürfnis empfinden. Heute hatte ich den ganzen
Sonntag viel zu arbeiten. Um Ausarbeiten von
allen möglichen Vorträgen, die ich nächste Woche
vor der Batterie zu halten habe. Auf den Brief
an Dich, mein geliebtes kleines Mädel, freute
ich mich schon den ganzen Tag, und es soll auch
kein Sonntag vergehen, wo wir im Brief nicht
miteinander sprechen, ja, Erika ? Jetzt ging
ich noch etwas spazieren, es war ein herlicher
Tag, und ich komme fast nie an's Freie.
Hoffentlich, Liebe, hast Du Dich bald gut eingelebt in
Grodno, vielleicht gefällt es Dir mit der Zeit
doch noch besser. Beim Spaziergang bist Du,
so male ich mir das aus, immer an meiner Seite,

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und einmal wird das ja auch Wirklichkeit sein.
Weißt Du, Liebste, ein bischen spinnen, (wie Du das
nennst, wenn bei uns einer "spinnt", ist er "nicht
recht im Kopf") darfst Du schon von mir lernen,
es bringt manch schöne Stunde.

Ich kann ja sehr gut verstehen, Liebste,
wenn Du schreibst, daß Dir ein eigenes
Heim, und wenn es noch so einfach wäre,
das liebste sei, aber ich halte es in Kriegszeiten
einfache für unmöglich, eine Wohnung zu erhalten,
und Möbel noch viel weniger. Das Einfache würde
mir ja auch nichts ausmachen, Du darfst mir
glauben, daß das einer in 2 Jahren Rußland
gelernt hat. Ein Zimmer mit Bett und
einem Schrank, einem Tisch und 2 Stühlen
würde für meine Ansprüche vollauf ge-
nügen, und wenn ich Dich hätte, wäre
ich der glücklichste Mann. Aber die Lösung mit
meiner Schwester, dachte ich ja auch nur für ganz
vorübergehend, jetzt während des Krieges, und
weil ich gern sehen würde, wenn Du als
Krankenschwester weg kämst. Die Arbeit ist dort zu
hart, un dder Gedanke, daß Du das den ganzen
Krieg machen sollst, ist mir unleidlich. So ist
jetzt auch z.B. bei mir zu Hause meine Mutter
sehr krank und im Krankenhaus, auch dort
bedürfte es jemand, der den Haushalt führen kann.

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denn das ganze Haushaltswesen liebt nun in
den Händen unserer Mädchens.

Würdest Du es für gut halten, wenn wir
einfach schon im nächsten Urlaub heiraten ?
Das wäre der sicherste Weg, auf alle Fälle
zusammenzukommen.

Natürlich kann dem entgegengesetzt werden,
daß wir erst 3 ganze Abende beisammen
waren. Und doch kennen wir uns nur aus
diesen kurzen Stunden, und aus unseren
Briefen, schon so gut, daß Zweifel am
anderen ausgeschlossen scheinen. Geht es Dir
gerade so ? Unter allen Umständen ist die
Verlobung fällig, aber ich betrachte Dich
schon von da ab als mein Mädchen, als
meine Braut, als Du mich zum erstenmal
selbst geküßt hast, d.h. auf meine Bitte.

Aber das will bei meiner süßen, und doch
so spröden Erika doch schon viel heißen,
und ich wußte es dann auch zu würdigen.
Nie werde ich den Abschiedskuß vergessen,
den Du mir geschenkt, als ich nach Stuttgart
fuhr, und bei dem ich zum ersten Mal spürte,
daß ich das Mädel Mädel in meinem Arm nicht
nur liebe, sondern von Ihr auch geliebt werde.
Und das hatte ich noch sehr in Zweifel gezogen,

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als Du mich nicht schnell genug nach Stuttgart
abschupsen konntest ! Na, Spaß muß sein, Liebste,
und damit werde ich Dich in den nächsten 50 Jahren
noch öfters damlich (??) machen.

Jetzt muß ich aber husch in's Bett, die
anderen schnarchen schon. Un dzum guten Nacht
Gruß nehme ich Deinen Kopf in meine Hände,
und küsse Dich eine Seligkeit land auf Deinen
lieben Mund. Wie ich Dich liebe !

Bleib mir gesund, meine süße Geliebt,
denke nur an Deinen Siegfried,
und empfange die
innigsten Küsse !

Auf immer
Dein Siegfried.
 


Der nächste Brief erscheint am 4. Mai 2013, 22:00 Uhr

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