Ostpreußen-Warte, Folge 08 vom August 1957

Ostpreußen-Warte

Folge 08 vom August 1957

 

Seite 1   Foto: Marienburg, Wassertor. Mächtigstes Bauwerk des Deutschen Ritterordens, erhebt sich wehrhaft über den Fluten der Nogat die Marienburg, jahrhundertelang ein Bollwerk des Deutschtums im Osten. Foto: Fischer

 

Seite 1   Vor einer weltpolitischen Wende. Die Umkehr der amerikanischen Ostpolitik – Ende des kalten Krieges.

Die Zeiten haben sich geändert. Wenn in den vergangenen Jahren Ereignisse von weltpolitischer Bedeutung wie z. B. die jüngsten Vorgänge im Kreml zu kommentieren waren, so war Washington immer schnell beim Wort, und Bonn folgte dann nach, wobei man sich meist sehr in der Nähe der von der führenden Macht des Westens ausgegebenen Interpretierung hielt. Dieses Mal war es umgekehrt. Bonn sprach zuerst durch den Mund des Bundeskanzlers, während Washington sich zurückhielt. Nun liegen aber auch die Äußerungen des amerikanischen Außenministers Dulles zu den Ereignissen in der Sowjetunion vor, und wenn man sie mit denen Dr. Adenauers vergleicht, so ist unschwer zu erkennen, dass beide einander vollkommen entgegengesetzt sind.

 

Der Bundeskanzler hat in verschiedenen Reden der letzten Tage die Auffassung vertreten, dass von einer Entwicklung zur Demokratisierung in der Sowjetunion nicht die Rede sein könne und Chruschtschow sich auf demselben Wege wie Stalin nach dem Tode Lenins befinde. Mr. Dulles dagegen haben die letzten Ereignisse in der Sowjetunion zuversichtlich gestimmt. Er sieht in der Sowjetunion eine „unumkehrbare Strömung“ zu Gunsten persönlicher Sicherheit und Freiheit. Er sieht nicht nur persönliche Machtkämpfe, wie Dr. Adenauer die Dinge mit seinem Vergleich mit der Entwicklung nach Lenins Tod interpretiert, sondern eine große und breite soziologische Entwicklung im Hintergrund der Ereignisse. Die Erklärung von Dulles war wohl vorbereitet und wurde abgelesen. Man kann daraus mit Sicherheit schließen, dass ihrer Abfassung Beratungen im Schoße der amerikanischen Regierung mit den wesentlichen Ostexperten vorausgegangen sind.

 

Wer hat in seiner Beurteilung der Ereignisse Recht, die Regierung der Vereinigten Staaten oder die Bonner Bundesregierung? Wir meinen eindeutig die erstere. Was sich in der Sowjetunion abspielt, ist in der Tat ein soziologischer Vorgang außerordentlich umfassender Art, nämlich die Durchsetzung der zweiten Generation im sowjetischen Kommunismus. Für uns Deutsche gerade sollte das Verständnis für diesen Vorgang leichter sein als für irgendwen sonst auf der Welt. Denken wir doch nur einmal, unter Ausschaltung jedes Ressentiments nach der einen oder anderen Seite, an die innere Situation seinerzeit unter unserer eigenen Diktatur. Nicht an der Spitze, in der nächsten Umgebung Hitlers, sondern in der zweiten, dem Lebensalter nach auch jüngeren Garnitur sowohl der nationalsozialistischen Führer als auch der Beamten und Fachleute, gab es eine weit verbreitete Schicht von Menschen, die mit vielem, das von oben kam, nicht einverstanden waren, die unter den maßlosen Übertreibungen, der Blindheit, dem jede Kritik erstickenden „Führerprinzip" litten und fest entschlossen waren, die Dinge zu ändern, wenn sie nur die Macht dazu einmal in die Hände bekämen. Das ist die historische Wahrheit, die man nach 1945 vergessen machen wollte, an die man sich aber jetzt erinnern sollte als Ausstellung zum Verständnis der Vorgänge in dem ähnlichen System der Sowjetunion nach Stalins Tod. Es ist bekanntgeworden, dass sich Chruschtschow gegen die alten engsten Mitarbeiter Stalins im Präsidium des Zentralkomitees mit Hilfe des über 300 Personen umfassenden Plenums des Zentralkomitees durchsetzt hat, in dem vorwiegend die jüngeren Männer der bisher zweiten Garnitur sitzen. Was in der Sowjetunion vor sich geht, ist unter der Führung Chruschtschows die Machtergreifung dieser zweiten Generation. Und diese zweite Generation ist anders als die erste der Umgebung Stalins. Sie denkt, wie jene einst bei uns, vernünftiger, undogmatischer und menschlicher.

 

Dass es sich so verhält, hat man in den USA erkannt. Daraus aber ergibt sich eine vollkommen andere Ostpolitik, als sie während des „Kalten Krieges“ getrieben wurde, und aus den letzten Äußerungen des amerikanischen Außenministers geht bereits hervor, dass die USA wissen, wie man die in der Sowjetunion und den anderen Ländern des Ostraumes eingesetzte Entwicklung fördern kann, statt sie zu verzögern. Der bisher ausgeübte militärische Druck, die „Politik der Stärke" hat ausgedient. Sie mag geholfen haben, eine weitere Ausbreitung des Sowjeteinflusses im Sinne stalinistischer Machtpolitik zu verhindern, ihre weitere Fortsetzung jetzt, nachdem sich in der Sowjetunion die Dinge tiefgreifend zu ändern beginnen, wäre jedoch verhängnisvoll. Sie würde die Liberalisierung im Osten nur verzögern. Beschleunigen kann man sie jedoch durch eine Politik der Entspannung. Dulles selbst sieht jetzt in der seit Genf verfolgten amerikanischen Linie der Entspannung eine wirkungsvolle Ursache für die Förderung jener „mächtigen Kräfte“ im Osten, die in Richtung einer freiheitlichen Entwicklung vordringen.

 

Wir wissen, dass Dulles im Gegensatz zu Eisenhower in Genf und noch hinterher ganz und gar nicht von dem überzeugt war, was er heute verkündet. Er und andere in der politischen Führung der USA haben sich von der Entwicklung überzeugen lassen. Das bedeutet nichts anderes als eine große weltpolitische Wende. Wann stellt man sich bei uns auf die neuen, unser Schicksal außerordentlich berührenden Gegebenheiten ein. Wolf Schenke

 

Gespräch mit Polen. Auf einem Heimattreffen der Ermländer in Münster befürwortete Staatssekretär Dr. Nahm vom Bundesvertriebenenministerium ein Gespräch mit Polen über beiderseitige Streitfragen. Er sei überzeugt, dass gewisse Kreise Polens zu diesem Gespräch bereit seien.

 

Seite 1   Aktive deutsche Außenpolitik. Von Prof. Dr. Walter Hagemann.

Als vor einem Jahr die verewigte Louise Schröder dem sowjetrussischen Botschafter Sorin vor seinem Abgang aus Bonn auf einem Empfang begegnete, fragte sie ihn nach seiner Auffassung über die Chancen der deutschen Wiedervereinigung. Darauf wandte sich der Botschafter an seinen Adjutanten: „Das ist das erste Mal in meinem Hiersein, dass mir diese Frage gestellt wird“. Die Wahrheit dieser Anekdote ist durch unverdächtige Zeugen gesichert. Wer die Bonner Atmosphäre nicht kennt, müsste sie sonst für unglaubhaft halten.

 

Schließlich sind es viel dringendere Fragen, welche in diesen Jahren die Gemüter in Bonn vordringlich beschäftigt haben: Statt gesamtdeutscher Gespräche die Einbeziehung Westdeutschlands in den Militärblock der Atlantikpaktstaaten, zwangsläufig gefolgt vom Anschluss der „DDR“ an den Warschauer Pakt. Statt der Re-Integration der beiden deutschen Staaten die westeuropäische Integration mit gemeinsamen Organen und Märkten. In Ministerien, Ausschüssen, Parteisitzungen führten die Rüstungs- und Atomexperten in Uniform und Zivil das große Wort und bezeichneten die Chancen zu überleben, wenn einmal die Militärkolosse, deren Demarkationslinie mitten durch Deutschland verläuft, aufeinanderstoßen würden. Das Thema der Wiedervereinigung blieb reserviert für Kundgebungen und Entschließungen, für die Arbeit von Fachkomitees oder für jene Idealisten, welche die Gefahr nicht scheuten, in den Ruf der Weltfremdheit oder Kommunistenfreundlichkeit zu geraten.

 

Das wurde erst anders, als man sich In Washington entschloss, das Steuer herumzuwerfen, nachdem das nukleare Monopol verlorengegangen war. Die beginnende Entspannung löste in Bonner Kreisen nicht freudige Genugtuung, sondern ernste Sorge, ja Schrecken aus, verdarb sie doch das Konzept der Militärexperten, die den Politikern bis dahin die Mühe abgenommen hatten, sich eigene Gedanken über die zukünftige Entwicklung zu machen. Es wurde dementiert, laviert, retardiert, und als es offenbar wurde, dass man in London ernstlich verhandelte, proklamierte man das Junktim zwischen Abrüstung, Sicherheit und Wiedervereinigung. Nachdem Jahre hindurch die gesamtdeutsche Frage außenpolitisch an vorletzter Stelle rangierte, schien plötzlich Eile geboten. Dabei sind die Sowjets seit Potsdam nicht müde geworden, in ihren Noten und Erklärungen die Wiederherstellung der deutschen Einheit immer wieder als Hauptproblem der europäischen Entspannung zu bezeichnen. Anstatt die Herren im Kreml auch nur einmal beim Wort zu nehmen, bestand die Antwort in Rechtsverwahrungen, ideologischen Erörterungen, ablenkenden Nebenfragen. Die höchsten Instanzen der DDR appellierten an die verfassungsmäßigen Organe der Bundesrepublik — sie wurden nicht einmal einer Antwort gewürdigt. So sind wir von der Wiedervereinigung heute weiter denn je entfernt, so weit, dass es heute nur noch drei Möglichkeiten gibt:

 

1.     Resignation, d.h. taktischen Verzicht darauf,

 

2.     einen Krieg, durch den Deutschland zum Schlachtfeld und wahrscheinlich zum Totenacker würde,

 

3. Verhandlungen mit Moskau und Pankow.

 

Der Preis für die Wiedervereinigung ist von Jahr zu Jahr höher geworden, denn die Zeit arbeitet gegen uns, militärisch, weltpolitisch, psychologisch. „Uns weht der Wind nicht ins Gesicht“, hat Chruschtschow erklärt, als die deutsche Delegation ihr Moskauer Gastspiel gab. Wir haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren, wenn wir nicht Deutschland verlieren wollen.

 

Jahrelang wurde die deutsche Außenpolitik im Schatten Washingtons und der NATO gemacht. Es wird höchste Zeit, dass sie ihren eigenen Weg geht. Wir können nicht länger die Hände in den Schoß legen und darauf warten, dass sich andere unsere Köpfe zerbrechen. England und Frankreich haben ihre eigenen Sorgen, sie sehen sogar einer Wiedervereinigung mit gemischten Gefühlen entgegen. Für die Amerikaner und Sowjets waren die beiden deutschen Staaten bisher die vorgeschobenen Brückenköpfe in ihrer weltweiten Auseinandersetzung. Die Deutschen müssen selbst nach Wegen suchen, den unheilvollen Zirkel aufzulösen, in den sie verstrickt sind. Nach allem, was in acht Jahren an Scheidegrenzen aufgerichtet und an Staats- und völkerrechtlichen Tatsachen geschaffen wurde, führt dieser Weg nur noch über Pankow, das für ein Drittel der Welt zum völkerrechtlichen und für 17 Millionen Deutsche zur machtpolitischen Realität geworden ist. Alles andere wären Halbheiten, Umwege, Illusionen. Wir haben auch die Herrscher im Kreml nicht nach ihrer demokratisch-parlamentarischen Legitimation gefragt, als sich der Bundeskanzler auf den Weg nach Moskau begab. Nur wenn es sich erweisen sollte, dass die Bereitschalt Pankows eine Täuschung ist, haben wir ein Recht, nach anderen Wegen zu suchen. Prestigefragen haben zu schweigen, wenn es um die Zukunft des ganzen Volkes geht.

 

Wir Deutschen müssen heraus aus den Klammern der großen Machtblocks, und das ist nur möglich, wenn Mitteleuropa aufhört, besetztes Land zu sein. Es ist ein Vorgang ohne geschichtliches Beispiel, dass ein großes Volk zwölf Jahre nach seiner Niederlage die Anwesenheit fremder Truppen als Garantie seiner Sicherheit wünscht und sich den widerstreitenden Interessen zweier Militärblocks und ihrer selbstmörderischen Waffen bereitwillig anvertraut. Italien hat sich freigemacht, Österreich ist ihm gefolgt, aus Japan rücken die amerikanischen Besatzungstruppen ab. Auch für die Räumung Mitteleuropas gibt es Vorschläge aus beiden Lagern. Wer als Deutscher diese Ansicht ignoriert, ironisiert und das Gespräch darüber wie einen spannenden Fußballmatch nach Punkten wertet, zeigt seine Ahnungslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem furchtbaren Ernst des gesamtdeutschen Schicksals.

 

Millionen von Deutschen zittern heute um ihre materielle und physische Existenz. Sie sind jäh aus dem Wahn aufgeschreckt worden, dass ihnen der nordatlantische Militärpakt und die Atombombe Sicherheit gewähren könnten. In Wirklichkeit hat die nukleare Aufrüstung das Existenzrisiko jeder betroffenen Nation und jedes einzelnen vertausendfältigt, die Weisheit der Generale ist am Ende, seitdem der drohende Atomkrieg Sieger und Besiegte gleich vernichtend treffen kann. Die Stunde der Staatsmänner hat geschlagen, die Stunde des Bietens und Forderns, der schöpferischen Idee, des klugen und zähen Verhandelns im Geiste des Vertrauens- nicht der Vertrauensseligkeit. Die weltweiten Gegensätze haben sich entspannt, der kalte Krieg ging in einen lauwarmen Vorfrieden über -, wer das Gegenteil behauptet, irrt oder lügt! Noch einmal, vielleicht ein letztes Mal, öffnet sich spaltbreit die Tür, hinter der die Wiedervereinigung der Deutschen in Frieden und Freiheit zu finden ist. Wer sie nicht wünscht, sie belächelt, sie fürchtet, gehört nicht zu uns.

Aus „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Köln (Heft 7/1957).

 

Seite 2   Apokalyptische Trostpille

Gleich zweimal innerhalb von 48 Stunden sind von den Vereinigten Staaten aus Warnungen an die Menschheit ergangen, die den einfachen Erdenbürger erschauern lassen müssen. In einem amtlichen „Handbuch der Atomgefahren" hat die amerikanische Regierung ein schonungsloses Bild entworfen von dem schauerlichen Drama, das uns allen bevorsteht, käme es je zu einer Entfesselung jener höllischen Gewalten, die heute noch mehr oder minder „gebändigt" in den Arsenalen der großen Atommächte ruhen. Und um gewissermaßen auf das theoretische i der drohenden Totalvernichtung noch das Tüpfelchen der Praxis zu setzen, hat das Amt für Zivilverteidigung gleich am nächsten Tag einen vorläufigen Bericht über den „Probe-Atomalarm" herausgegeben, der nicht minder grausigen Inhalts ist. Beide Male allerdings wird uns zum Schluss auch noch eine kleine Trostpille verabreicht. Das „Handbuch des Weltuntergangs“ macht uns zunächst und zum ersten Male etwas näher mit den Unterwasser- und vor allem den „Maulwurfsbomben“ bekannt. Ein einziges Atomgeschoss, so heißt es da, das erst tief unter der Erde zur Detonation gebracht würde, könnte eine ganze Stadt unter einer Stein- und Erdlawine begraben. Aber dennoch, so wird uns an anderer Stelle ermunternd zugerufen, brauche man deswegen noch nicht den Kopf hängen zu lassen. Denn Personen, die sich bei einer Atom- oder Wasserstoffbombenexplosion in unterirdischen gut ausgestatteten (comfort de luxe?) Schutzräumen befänden, könnten selbst dann noch überleben, wenn sie nur wenige hundert Meter vom Explosionsherd entfernt seien. Es ist nur nicht recht ersichtlich, wie lange das Überleben dann noch dauern soll. Denn wenn die ganze Stadt bereits unter einer Stein- und Erdlawine höchster Radioaktivität begraben ist, was nützt es dann noch, wenn man diese totale „Beerdigung" zunächst noch „lebendig begraben überlebt“? Es sei denn, die Menschheit mache rechtzeitig von den „Empfehlungen" des deutschen Atom Physikers Pascual Jordan Gebrauch und zöge sich einmal für volle fünf Jahre unter die Erde zurück, und das, wie er wörtlich schreibt, „ohne Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten, bis der Atomgestank draußen abgeklungen ist“. Noch klassischer äußerten sich nach dem Probealarm die Luftschutzexperten im sicheren Hort ihres Ausweichquartiers. Zwar wären nach dem angenommenen Feindeinflug riesige Gebiete der Neuenglandstaaten, die Ostküste bis zur Grenze von Virginia, der Mittelwesten bis nach Illinois, der Nordwesten der Pazifikküste und die größten Städte Kaliforniens ein einziges, noch dazu radioaktiv verseuchtes Trümmerfeld. Doch das sei im Grunde alles nur halb so schlimm. Denn: Die Vernichtungen in den betroffenen Gebieten seien zwar unvorstellbar, doch blieben in großen Gebieten des Landes — die Verteidigungsanlagen völlig Intakt. Womit wir wieder einmal, und gleich im globalen Maßstab, bei jener gelungenen Operation angelangt wären, die nur den einen kleinen Nachteil hatte, dass der Patient bei ihr verstarb. Wer also will, mag sich an dieser apokalyptischen Trostpille aufrichten. T. G.

 

Seite 2   „Vorkriegsgrenze keineswegs ausgelöscht“. Sejm-Abgeordneter kritisiert Misswirtschaft in den Oder-Neiße-Gebieten.

Die Grenze zwischen dem polnisch verwalteten südlichen Ostpreußen und Polen sei keineswegs „ausgelöscht", sondern trete vielmehr stark durch den Mangel an Investitionen und durch Fortdauer der Demontagen in Erscheinung, stellt der polnische Sejm-Abgeordnete Skok in der in Allenstein erscheinenden polnischen Zeitung „Glos Olsztynski" fest. Alle diese Erscheinungen seien Symptome der „Krankheit der Ungewissheit", die sich auch in Warschau im Hinblick auf die Oder-Neiße-Gebiete verbreitete.

 

Skok kommt zu diesen Feststellungen in einer Auseinandersetzung mit Ausführungen der Warschauer Zeitschrift „Polityka", die behauptet hatte, dass „die frühere Grenzlinie, welche die Westgebiete von Polen trennte, bereits ausgelöscht" sei, da die Oder-Neiße-Gebiete nunmehr eine „unzerreißbare Einheit mit dem gesamten polnischen Staatsorganismus" bildeten. Skok hebt hervor, dass diese Behauptungen keineswegs der Wirklichkeit entsprechen, denn teils insgeheim, teils öffentlich würden „ganz andere Auffassungen" zur Geltung gebracht. Die „Polityka" scheine wohl nichts von dem „Gefühl der Vorläufigkeit" zu wissen, das in der Bevölkerung der Oder-Neiße-Gebiete vorherrsche. Der Prozess der „Auslöschung der Grenze" gehe keineswegs selbsttätig vonstatten, im Gegenteil lasse sich bemerken, dass auch in den Warschauer Beamtenkreisen die „Krankheit der Ungewissheit" im Hinblick auf die Oder-Neiße-Gebiete verbreitet sei.

 

Dies komme, so erklärt der Sejm-Abgeordnete, darin zum Ausdruck, dass die Oder-Neiße-Gebiete bei der allgemeinen Verteilung der Investitionsmittel gegenüber den zentralpolnischen Wojewodschaften benachteiligt würden. Es müsse doch wenigstens so viel investiert werden, um das in diesen Gebieten befindliche „Volkseigentum vor dem Verfall und vor Ausplünderung zu schützen". Doch spreche selbst die Außerordentliche Sejm-Kommission für die Oder-Neiße-Gebiete nur von der „Ausnutzung der in den wiedergewonnenen Gebieten vorhandenen Reserven". Diese „Ausnutzung" werde dann in sehr eigentümlicher Weise verstanden, seien doch beispielsweise in Braunsberg soeben erst wieder die technischen Einrichtungen einer großen Brauerei „systematisch und vollkommen legal" demontiert und nach Polen abtransportiert worden.

 

Was die Bevölkerung in den Oder-Neiße-Gebieten anlange, so sei festzustellen, dass diese zum Beispiel im südlichen Ostpreußen noch nicht ein einziges Haus aus privaten Mitteln errichtet habe, obwohl nach dem gegenwärtig laufenden Fünfjahresplan hierfür staatliche Zuschüsse gewährt würden. Die Wojewodschaftsverwaltung in Allenstein habe Hunderttausende von Zlotys für die Errichtung von Häusern für Ärzte zu Verfügung gestellt, aber noch niemand habe sich darum beworben. Überall sei eine Abneigung gegen die Vornahme von Investitionen in dem „unsicheren" Lande festzustellen. Wenn man von Warschau nach Allenstein mit der Eisenbahn fahre, trete die Grenze sehr deutlich in Erscheinung. Bis Dzialdowo (bei Mlava, etwa fünf km vor der Grenze. Anm. d. Red.) bemerke man Baugerüste, aber von dort an „nach Norden hin sind die Zäune verfallen, und diese zusammengefallenen Zäune sind ein Symbol für den Stand der Stabilisierung". Solange die Oder-Neiße-Gebiete nicht „sicher" seien, fehle die wichtigste Voraussetzung für ihre wirtschaftliche Entwicklung und jede andere „Aktivierung", bemerkt der Sejm-Abgeordnete hierzu.

 

Anspruch nicht zu bestreiten

In der Zeitschrift des „Königl. Instituts für internationale Angelegenheiten", „International Affaires", stellt ein Mitarbeiter des „Chatham House", Alison Outhwaite, fest, dass die Rechtsansprüche Deutschlands auf die Oder-Neiße-Gebiete „unstrittig" (incontestable) sind. Diese Feststellung wird in einer Besprechung der im Isar-Verlag, München, erschienenen Schrift: „Deutsch-slawische Gegenwart" getroffen. Hinsichtlich des Sudetenlandes vertritt der britische Rezensent jedoch die Ansicht, dass das Münchner Abkommen während des Krieges „formell annulliert" worden ist.

 

Seite 2   Aktivität im Oder-Neiße-Raum

Die polnischen Behörden und Organisationen gehen mit aller Tatkraft und unter Anwendung aller verfügbaren finanziellen Mittel an die Aufgabe, die polnisch verwalteten deutschen Ostgebiete wirtschaftlich zu entwickeln. Von polnischer Seife wurde betont, daß in diesen Gebieten große Investitionsvorhaben angelaufen seien, und die Einwohner seien bestrebt, jedes noch brachliegende Stückchen Land und jeden noch leerstehenden Industriebetrieb wieder nutzbar zu machen.

 

In der polnischen Hauptstadt beschäftigten sich eine Regierungskornmission und eine Sonderkommission des Parlaments mit der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der polnisch verwalteten Ostgebiete. Das polnische Landwirtschaftsministerium bearbeitet gegenwärtig einen Plan, 1958 etwa 5000 polnische Familien aus der Sowjetunion in diesen Gebieten.

 

„Unter polnischer Verwaltung"

Das Passamt des amerikanischen Außenministeriums hat die bisherige Bestimmung aufgehoben, nach der in Pässen von Deutschamerikanern, die in Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie geboren sind, hinter der Angabe des Geburtsortes der Vermerk „Polen, früher Deutschland" eingetragen werden musste. In den betreffenden Pässen wir künftig hinter dieser Angabe der Vermerk „Deutschland (unter polnischer Verwaltung)" stehen.

 

Polnische Urlauber meiden Oder-Neiße-Gebiete

Wie wenig die polnische Propaganda zu einer „stärkeren Erschließung" der Ostseeküste und des schlesischen Berglandes für die Wanderbewegung und Touristik gefruchtet hat, geht aus einem Artikel der in Warschau erscheinenden Zeitschrift „Przekroj" hervor. Darin wird festgestellt, dass die polnischen Urlauber und Erholungsuchenden eine „merkwürdig konservative Einstellung" an den Tag legten und sowohl Einzelwanderer als auch Touristengruppen die “traditionellen" Reiseziele in der Hohen Tatra, in den Beskiden usw. den an Naturschönheiten nicht weniger reichen Oder-Neiße-Landschaften vorzögen. Eine „bessere Aufklärung“ und „planmäßigere Lenkung" der Urlauber sei nach den bisherigen Erfahrungen unbedingt notwendig, heißt es in dem polnischen Bericht hierzu.

 

38 Städte ausgelöscht

Nach einem Bericht der polnischen Zeitschrift „Przeglad geograhczny" (Geographische Rundschau) sind in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten in den Jahren nach 1946 nicht weniger als 38 Städte aus der Liste der städtischen Gemeinden gelöscht worden. Am stärksten war der Rückgang der Zahl der Städte in der „Wojewodschaft" Breslau mit 16, in der „Wojewodschaft" Grünberg, die Ostbrandenburg und Teile von Niederschlesien umfasst, sank die Zahl der Städte um 9; und im südlichen Ostpreußen, in der „Wojewodschaft" Allenstein, hat sich die Gesamtzahl der Städte seit der Übernahme des Gebiets in polnische Verwaltung um 7 vermindert.

 

Riesige Steppenbrände

Unmittelbar an der polnisch-sowjetischen Demarkationslinie in Ostpreußen entstanden riesige „Steppenbrände", die durch die polnischen Verwaltungsbehörden entfacht worden sind, um das Unkraut auf dem brachliegenden Lande zu beseitigen. Unmittelbar jenseits der Demarkationslinie, welche den südlichen, polnisch verwalteten Teil Ostpreußens vom nördlichen, sowjetisch besetzten Königsberger Gebiet trennt, wurden Sowjettruppen alarmiert.

 

Seite 2   Pressespiegel

Grenzen nicht populär

Hans Schütz. MdB., schreibt in seinem amerikanischen Reisebericht:

„Die Diskussion um Grenzen ist nicht populär. Wer immer sie führt: Man betrachte die amerikanischen Landkarten. Die Grenzen der 48 Staaten sind mit dem Lineal gezogen. Wir sind missmutig, wenn die Amerikaner kein Verständnis aufbringen dafür, ob die Grenzen zwei oder drei Kilometer östlicher oder westlicher verlaufen. Man sage nicht immer wieder, die Amerikaner verstünden nichts von Europa. Ich habe mich oft gewundert, wie groß und zuweilen auch wie solide und fundamentiert die Kenntnisse über Vorgänge, über Personen und Einrichtungen in Europa bei den Amerikanern waren. Was die Amerikaner nicht verstehen, ist, dass alles, weil es einmal so oder so war, abermals so oder so wiederhergestellt werden muss. Auch wenn darob größere und umfassend politische Konzeptionen zerbrechen." Die Brücke, München.

 

Nicht nur Nato-Interessen vertreten

Dr W. R. schreibt in einem Artikel über die Berliner Westmächteerklärungen zur deutschen Wiedervereinigung:

Auch die Menschen in der Sowjetzone haben ein Recht hier mitzusprechen. Gerade sie, die doch am meisten nach Fortschritten in der Wiedervereinigungsfrage Ausschau halten, können

sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass allein die Erfordernisse der Nato die Außenpolitik der Westmächte und der Bundesrepublik bestimmen. Auch sie haben nicht im Sinn, den Bestand der Nato selbst zum Gegenstand der Verhandlungen zu machen, denn über deren Schicksal wird eines Tages auf weltpolitischer Ebene genauso wie über den Warschauer Pakt entschieden werden. Nach Abschluss eines europäischen Sicherheitssystems sind solche Verträge überflüssig“. Der Freiheitsbote, Marburg.

 

Wiedervereinigung liegt bei Deutschland

Der Journalist der deutschsprachigen südafrikanischen Zeitung hat während seiner Deutschlandreise, über die er hier berichtet, die Augen gut aufgemacht:

„Wir sollen doch nicht glauben, dass die Großmächte um der weißen Zipfelmütze und der blauen Augen des deutschen Michels willen ihm die Wiedervereinigung als Weihnachtsüberraschung unter den Baum legen! Den Franzosen und den Russen passt es aus politischen, den Engländern aus wirtschaftlichen Gründen ausgezeichnet, das Deutschland geteilt ist und bleibt und nicht stärker wird, als es ohnehin schon ist. Und Amerika? Das zeigt noch das meiste Verständnis und Mitgefühl, ist aber doch weithin auch politisch bestimmt und möchte Deutschland eingliedern in den Kampf der beiden Riesen. Solange Deutschland selber nicht mehr tut für die Wiedervereinigung, werden wir — uns vielleicht noch unsere Kinder (man denke nur an Polen!) Deutschland geteilt sehen — und das ist ein einfach unerträglicher Gedanke! — Was uns weiter stark und unangenehm aufgefallen ist, das ist die Gehetztheit und Gejagtheit des Lebens in Westdeutschland, der Materialismus, der Drang nach dem Gelde. Man kann verstehen, dass nach Jahren der bittersten Armut, des größten Hungers das Streben entstand, sich wieder satt zu essen, sich ordentlich zu kleiden, sich hübsch einzurichten. Das alles ist ja nun da, und doch geht die Jagd weiter. Es hat den deutlichen Anschein, dass die inneren, die tieferen Werte darüber entschwinden oder gar nicht erst gesehen werden“. Allgemeine Zeitung, Windhuk

 

Schluss mit der Angst

„Chruschtschows Stellung ist heute so stark, dass er sagen könnte, Schluss mit der Angst, wir schicken unsere Truppen nach Hause, wir rüsten ab und wir verzichten auf Atombomben. Und im Weiten könnte jemand mit ähnlicher Autorität (wer könnte es anders sein als Präsident Eisenhower?) aufstehen und dasselbe sagen. Über alles andere, Freiheit für Osteuropa, Wiedervereinigung, Befriedung Koreas und so weite, würde man sich dann — in einer Atmosphäre ohne Angst — sehr viel leichter einigen können. Denn das Festhalten an Faustpfändern, Stützpunkten und Standpunkten ist ja auch zum allergrößten Teil eine Frucht der Angst". Die Zeit, Hamburg.

 

Seite 2   Der letzte Monat.

Der frühere Premierminister  Churchill  erklärte auf einer Parteiversammlung der Konservativen, er halte die Auswirkungen der H-Bombenversuche auf die menschliche Gesundheit gegenwärtig für geringfügig. Selbst wenn das nicht so wäre, bedeute das nichts im Vergleich mit den Schrecken eines neuen Krieges. Er betrachte die Kernwaffen als ein Abschreckungsmittel.

 

83 amerikanische Gewerkschaftsführer und Wissenschaftler appellieren an Präsident Eisenhower, über ein Verbot aller Kernwaffen zu verhandeln. Sie schlagen in diesem Zusammenhange Sonderkommissionen der Vereinten Nationen vor, die mit Hilfe von Spezialinstrumenten in der Lage sein sollen, nicht allein große Kernwaffenversuche, sondern auch kleinere Experimente mit solchen Waffen festzustellen.

 

Dr. Hogrebe-Göttingen forderte auf der Wasserschutz-Ausstellung in Hildesheim eine laufende Kontrolle des Wassers, streife Vorbeugungsmaßnahmen zum Schutz der Gewässer vor radioaktiver Verseuchung und eine Spezialausbildung der Mitarbeiter für den Umgang mit radioaktiven Substanzen.

 

Nach dem Bundestag hat nun auch die französische Nationalversammlung mit Mehrheit die Verträge über den Gemeinsamen Markt und die Europäische Atomgemeinschaft Euratom angenommen.

 

Einstellung der Atombombenversuche als ersten Schritt zu einem internationalen Kontrollsystem forderten zwanzig führende Atomwissenschaftler aus USA, der Sowjetunion und acht anderen Ländern. Die viertägige Konferenz der Wissenschaftler fand in Pugwash (Neu-Schottland) auf Einladung des englischen Philosophen Bertrand Russell statt.

 

Chruschtschow und Bulganin begaben sich zu einem Staatsbesuch in die Tschechoslowakei in einer Ansprache vor Fabrikarbeitern in Prag nahm Chruschtschow zu der Erklärung Eisenhowers, USA-Wissenschaftler hofften, eine „saubere Wasserstoffbombe" schaffen zu können, Stellung. Es sei ein Unsinn, von einer sauberen Wasserstoffbombe zu reden. Wie könne es saubere Bomben für schmutzige Dinge geben.

 

Die britische Öffentlichkeit, namentlich die Wirtschaft befürchtet eine neue Inflationswelle. Die britische Regierung wurde seitens der Labour-Opposition wie auch seitens der eigenen Anhänger bedrängt, unverzüglich neue Notmaßnahmen gegen die fortschreitende Inflationsgefahr und die rapide Entwertung der Währung in England zu treffen.

 

Der ehemalige Bundesvorsitzender der FDP Dr. Dehler hat sich nach Abschluss seiner sechswöchigen Europareise in Bonn erneut für die Aufnahme wirtschaftlicher, kultureller und diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen ausgesprochen. Die Oder-Neiße-Frage solle bei der Anknüpfung derartiger Beziehungen bis zu einem Friedensvertrag mit Gesamtdeutschland ausgeklammert werden.

 

Indiens Ministerpräsident Nehru forderte während einer außenpolitischen Debatte im Parlament den Abzug der ausländischen Streitkräfte aus Ungarn, damit das ungarische Volk von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen könne.

 

USA-Senator Mansfield forderte dem Ostblock gegenüber eine Revision der amerikanischen Politik. Die Regierung Eisenhower müsse ihre unverantwortliche Furcht vor der Sowjetunion aufgeben und zu einer positiven Friedensaktion übergehen. In diesem Zusammenhange empfahl der Senator, Außenminister Dulles solle die osteuropäischen Länder bereisen, um sich von den inzwischen erfolgten Veränderungen hinter dem Eisernen Vorhang zu überzeugen.

 

Eine neue Versuchsserie mit neu entwickelten Atomwaffen plant die britische Regierung für den Herbst dieses Jahres. Dieser Plan entspringt der Erkenntnis, dass die internationale Londoner Abrüstungskonferenz völlig festgefahren ist und in Regierungskreisen wenig Hoffnung für eine befriedigende Einigung über die Atom- und Wasserstoffwaffen besteht.

 

In einem Appell an Präsident Eisenhower forderten über 50 amerikanische Atomwissenschaftler die Einstellung der Atomversuche. Die Welt stehe gegenwärtig nicht so sehr vor der Wahl zwischen der „sauberen" und der „schmutzigen" Wasserstoffbombe, als vielmehr zwischen einem Atomkrieg und einer Zukunft, die nicht unter der Drohung des Atoms stehe.

 

Die Bundeswehr soll mit den modernsten Flugzeugabwehrraketen vom Typ „Nike" ausgerüstet werden, gab das Verteidigungsministerium bekannt. Die Raketen haben einen Aktionsradius von 40 Kilometern und können rund 15 000 Meter hoch steigen. Jede dieser Raketen kostet zwischen 800000 und einer Million DM. Diese ferngesteuerten Raketen können auch mit einem Atomsprengkopf versehen werden.

 

Berlins regierender Bürgermeister Prof. Otto Suhr ist zum Bundesratspräsidenten berufen worden. Er wird sein Amt am 8. September antreten. Mit Prof. Suhr wird zürn ersten Mal ein Politiker Berlins in eines der höchsten Ämter der Bundesrepublik einziehen.

 

Englands Außenminister Lloyd lehnte vor dem Unterhaus die sowjetlache Forderung nach einer Verzichterklärung auf alle Atomwaffen ab. Auf Grund der bisherigen Verhandlungen der drei Westmächte, Kanadas und der Sowjetunion halte die britische Regierung jedoch ein „begrenztes oder Teilabrüstungsübereinkommen" für möglich.

 

Ministerpräsident Bulganin vertritt in einem Schreiben an Premierminister Macmillan die Absicht, dass die Wiedervereinigung Deutschlands bei erster Gelegenheit wünschenswert sei. Er erhärtet jedoch gleichzeitig den sowjetischen Standpunkt, dass die Wiedervereinigung Deutschlands allein Angelegenheit Bonns und Pankows sei.

 

Mit Raketen und Bordwaffen haben, britische Kampfflugzeuge den Angriff auf die Aufständischen im arabischen Sultanat Oman am Ausgang des Persischen Golfs eröffnet. Die Aufständischen stehen um den 1955 nach Saudi-Arabien geflohenen geistlichen Führer Omans, dem Imam. Hintergrund: Öl.

 

Die USA lieferten die erste Menge Uran für den deutschen Forschungsreaktor in Frankfurt-Rebstock. Dieser wie der erheblich größere in München-Riem werden die ersten beiden deutschen Kernreaktoren sein, die noch im Laufe des Sommers oder im Frühherbst ihren Betrieb aufnehmen werden.

 

Zum ersten Mal nahmen auch Beobachter aus der Bundesrepublik an einer amerikanischen Atombombenexplosion. der neunten der diesjährigen Versuchsreihe auf dem Versuchsfeld von Nevada, teil. Der Versuch trug als Deckbezeichnung. den Namen des deutschen Astronomen Johannes Kepler.

 

Um ein endgültiges Scheitern der Abrüstungsverhandlungen zu verhindern, begab sich der amerikanische Außenminister Dulles nach London, um persönlich in die Gespräche einzugreifen. Er drängte die Verbündeten der USA endlich den seit Mai angekündigten Plan zur Errichtung von Luftinspektionszonen auf der Konferenz vorzulegen.

 

Der BEI von Tunis ist von der verfassungsgebenden Versammlung gestürzt worden. Gleichzeitig wurde die Ausrufung der Republik beschlossen und der bisherige Ministerpräsident Habib Burgiba zum ersten Staatspräsidenten der neuen Republik gewählt. Alle Beschlüsse wurden einstimmig gefasst.

 

Seite 3   Braunsberg wurde halbiert. Nur die Hälfte der Einwohner wie zu deutscher Zeit / Polen ohne Hoffnung.

Der unselige Krieg hat Braunsberg – eine der schönsten Städte Ostpreußens – schwer getroffen. Während der Kämpfe wurden in der Alt- wie in der Neustadt weite Stadtgebiete vernichtet, so dass von diesem Zentrum des Ermlandes nur ein Torso übrigblieb. Damit aber noch nicht genug. Bei der Grenzziehung zwischen Russen und Polen in Ostpreußen wurde die Demarkationslinie unweit Braunsbergs festgelegt. Das verhinderte bis heute einen geregelten Wiederaufbau, da sich längs dieser willkürlichen Grenze eine Zone der Hoffnungslosigkeit und der Inaktivität entwickelte.

 

Heute leben 8500 Polen in Braunsberg — vor dem Kriege wurde die Stadt von genau doppelt so vielen Deutschen bewohnt! Das Leben in Braunsberg ist für die Polen und die wenigen deutschen Familien sehr schwer. Am drückendsten sind die Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Der vorhandene Wohnraum ist so gering, dass der größte Teil der Bevölkerung in Notquartieren und in den Außenbezirken untergebracht ist. Trotzdem war das bis heute kein Grund, die an der Stadtwald-Chaussee erhalten gebliebenen Kasernen von den Truppen zu räumen und der Bevölkerung zu übergeben. Nicht anders sieht es in den Garnisonunterkünften an der Frauenburger Straße aus. Auch seit dem Regierungsantritt Gomulkas hat sich hieran nichts geändert — nach wie vor werden die militärischen Interessen über die der Einwohner gestellt.

 

Die Polen haben es bis heute nicht verstanden, Braunsberg auch nur notdürftig wieder zum Leben zu erwecken. Im Gegenteil! In dem bekannten Speicherviertel an der Passarge findet man lediglich Bauhandwerker, die mit dem Abriss der Speicher und anderer Gebäude beschäftigt sind. Hat man doch keine Verwendung mehr für das Speicherviertel — welche Waren sollten heute wohl aus diesem Flusshafen verschifft werden? Der Schiffsverkehr macht jetzt keine zehn vom Hundert des Umschlagens der Vorkriegszeit aus.

 

Grausig sind in allen Stadtteilen die Spuren des Krieges. Der Marktplatz ist völlig zerstört, man sucht hier vergebens nach Ansätzen eines Wiederaufbaues. Die polnische Stadtverwaltung hat bereits mehrfach erklärt, es sei ihr auf absehbare Zeit unmöglich, Braunsberg seinen Mittelpunkt wiederzugeben. Zum Teil erhalten geblieben ist das Kloster der bekannten ostpreußischen Katharinenschwestern. Teile der Gebäude liegen noch immer in Trümmern, obwohl die Schwestern alles Menschenmögliche zur Renovierung tun. Unter den Katharinenschwestern gibt es noch eine große Anzahl von Deutschen, die gemeinsam mit Polinnen das barmherzige Werk der Hilfe für die Armen fortzuführen versuchen. Aber auch ihnen macht der Staat Schwierigkeiten, und sie können nur im Stillen wirken. Auch der teilweise beschlagnahmte Landbesitz hat Schwierigkeiten heraufbeschworen, weil die Selbstversorgung des Klosters — die Schwestern führen alle Landarbeiten allein aus — dadurch in Frage gestellt worden ist.

 

Einen erbarmungswürdigen Anblick bietet die Katharinenkirche, von der nur noch Fragmente vorhanden sind. Hier könnte nur ein vollkommener Wiederaufbau helfen, der aber unter den obwaltenden Umständen unmöglich ist. Erhalten geblieben sind dagegen die Kreuzkirche und die evangelische Kirche. In beiden Gotteshäusern finden heute die Andachten für die katholischen Bewohner statt. Die Inneneinrichtung der Evangelischen Kirche wurde zum Teil erneuert, da bei der Besetzung der Stadt viel verlorenging. An der Kreuzkirche haben Mönche die geringfügigen Schäden wieder ausgebessert.

 

Andere bekannte Bauwerke Braunsbergs haben dagegen viel mehr gelitten bzw. sind ganz verschwunden. Vergebens sucht man heute nach dem Rathaus oder dem Bischofspalast. Beide Gebäude fielen der Bombardierung oder den Kämpfen zum Opfer. Dasselbe Schicksal erlitt das Gymnasium, dessen Wiederaufbau nach neuesten polnischen Berichten wenigstens geplant worden ist. Nicht wiederaufbauen wird man jedoch die Akademie und das Steinhaus sowie die Schlossschule. Frühere diesbezügliche polnische Angaben wurden inzwischen zurückgezogen.

 

Da es jedoch an öffentlichen Bauten aller Art fehlt, denkt man daran, nur wenig zerstörte Häuser wieder instand zu setzen. Das ist vor allem auf dem Schulsektor notwendig. Die heutigen Kinder Braunsbergs haben nur zwei Möglichkeiten eines Schulbesuches: entweder sie besuchen die in der Seeligerstraße unversehrt gebliebene Grundschule oder sie müssen die Dorfschulen in der Umgebung der Stadt aufsuchen. Einige Klassen sind zudem in den Außenbezirken in Baracken untergebracht. Das hat natürlich zu unerträglichen Verhältnissen geführt, so dass man jetzt erstmals energisch an einen Schulbau denkt.

 

Auf keinen Fall aber kann man damit rechnen, dass hin und wieder diskutierte Restaurierungsarbeiten an bestimmten Bauwerken stattfinden. Bisher hatte es schon öfters geheißen, man werde die Gewölbe und den Torturm des Bischofspalastes vor weiteren Schäden zu retten versuchen. Tatsächlich ist in dieser Hinsicht aber bis auf den heutigen Tag nichts geschehen! Auch von einer Überdachung der Mauertrümmer des Steinhauses war zeitweilig die Rede — geändert hat sich hier ebenfalls nichts. Man muss daher annehmen, dass die Überreste der Baudenkmäler Braunsbergs weiter verfallen und unter polnischer Verwaltung der restlosen Vernichtung freigegeben sind!

 

Wie man überhaupt mit der Vorstellung brechen muss, Braunsberg könne auch nur in geringem Maße jetzt noch die früher für diesen Teil Ostpreußens wichtige Funktion eines geistigen und kulturellen Mittelpunktes haben. Hiervon ist nichts geblieben. Auch rein äußerlich macht sich das bemerkbar. Morgens und abends ziehen größere und kleinere Kuhherden durch die Stadt, da viele Einwohner Ackerbürger en miniature geworden sind. Zu deutscher Zeit war natürlich ein solches dörfliches Milieu undenkbar — Braunsberg hatte schon seit Jahrhunderten einen rein städtischen Charakter. Das heute auf den Straßen herumlaufende Vieh symbolisiert so recht den Niedergang.

 

Es gibt auch polnische Stimmen, die die Verhältnisse in Braunsberg kritisieren. Einen guten Eindruck von dem, was seit Kriegsende hier geschah, vermittelt eine Reportage der polnischen Zeitung „Glos Olsztynski" (Allensteiner Stimme), die in ihrer Ausgabe Nr. 130 über Braunsberg schrieb:

 

„Viele Menschen kennen die Geschichte der sinnlos zerstörten Brauerei in Braunsberg. Am besten jedoch kennt sie Jan Cibora, heute Portier des städtischen Hotels. Bis vor kurzem war er noch Leiter der Wirtschaftsabteilung im Präsidium des Kreisvolksrates und davor — Leiter der Expedition in der Braunsberger Brauerei, die zu einer der bekanntesten Brauereien in Europa gehörte ... Die Brauerei produzierte zehntausende Hektoliter Bier jährlich.

 

Auf die Frage, ob es wahr sei, dass die Brauerei nach dem jetzigen Kriege ganz geblieben sei, antwortete Herr Cibora: „Es ist alles, was für die Brauerei am wichtigsten ist, erhalten geblieben. Maschinen, Kessel, Bottiche und die Kellereien. Sogar die Magazine mit großen Vorräten an Hopfen und Malz und die komplette Laboratoriumseinrichtung“.

 

Im Jahre 1945 besichtigten die Herren aus Warschau Braunsberg. Sie bewunderten die Brauerei und ihre Einrichtung. Dem Herrn Cibora, der sie durch den Betrieb führte, versprachen sie eine Million Zloty, damit die Produktion wieder aufgenommen werden könnte. Herr Cibora sollte der Betriebsleiter des neu eröffneten Betriebes werden. Herr Cibora bekam weder die eine Million Zloty für die Brauerei noch seine Ernennung zum Leiter dieses Betriebes zu sehen.

 

Anstatt die Brauerei zu überholen und in Betrieb zu setzen, begann man mit Raubbau. Wer wollte und wer konnte, der hat von hier alles, was ihm in die Hände fiel, abtransportiert. Demontiert wurde alles, was sich abschrauben, abreißen, abbrechen und herausbrechen ließ. Es raubten hier Leute aus vielen Städten Polens. Jedoch nicht für den eigenen Bedarf, sie demontierten nach und nach hier eine erhalten gebliebene, modern eingerichtete Brauerei, um veraltete Brauereien und kleinere Betriebe dieser Art überholen zu können und sogar neu aufzubauen ... Ganze zwölf Jahre hindurch hat man von hier die Einrichtungen abtransportiert.

 

Durch riesengroße Hallen und gigantische Kellereien der ehemaligen Brauerei pfeift heute der Wind. Unter den Füßen knirschen die von den Wänden und aus den Fußböden herausausgerissenen Fliesen. Von den Decken hängen Rohre und Kabelreste. Auf Schritt und Tritt sieht man hängende Rohre, überall hat man die Befestigungen und Kräne abmontiert. Überall wurden die Schalttafeln, Schalter und Transformatoren zerschlagen. Auf dem Fußboden liegen verschiedene elektrische Elemente: wie Schalter, Stecker, Steckdosen, Isolatoren zu Dutzenden und zu Hunderten. Im Akkumulatorenraum liegt zerschlagenes Glas und Graphit, das Metall hat man schon zur Schrottstelle gebracht. Hier und da liegen große Maschinenteile. Die Teile sind nicht mehr komplett. Hier fehlen Schrauben, dort irgendwelche Gussteile. Riesengroße Schwungräder, Getriebe, Teile eines elektrischen Generators liegen unter Schmutz auf Schutthaufen.

 

Nicht alle Stockwerke der Brauerei kann man heute erreichen. Zwar sind die Treppen und Zwischenwände sowie übrigens das ganze Gebäude nach den Kriegsoperationen übriggeblieben ... aber ist es eine Leichtigkeit, aus dem Gebäude einige Tonnen schwere Maschinenteile abzumontieren? Man hat sie einfach die Treppen hinunterrollen lassen. Dadurch zermalmten sie die Geländer. Stufen und Zwischendecken. Mit Brecheisen hat man die Wände herausgebrochen, um so die Maschinen ins Freie zu bringen, wo sie dann nur noch als Tonnen zerbrochenen Schmelzeisens zu gebrauchen waren..."

 

Ja, so sah und sieht die polnische Inbesitznahme in unserer Heimat aus! Was der höllische Krieg verschonte, das wurde oft auf diese sinnlose Weise zerstört. Braunsberg würde heute trotz vieler Zerstörungen durch die Kämpfe und Bombardements besser dastehen, wenn sich die Polen nach ihrer Ankunft nur als halbwegs vernünftige Menschen aufgeführt hätten. Sie taten jedoch bis zur Gegenwart Dinge, die von unfassbarer Dummheit und reinem Vernichtungstrieb zeugen.

 

Der Charakter der neu nach hier gekommenen Einwohner hat natürlich bei solchen Zuständen sehr gelitten. Moral wird in allen Dingen sehr klein geschrieben. In Braunsberg gibt es nach den letzten polnischen Verlautbarungen prozentual die meisten Kriminellen des Ermlandes! Diebstähle und Überfälle sowie Unterschlagungen stehen dabei an erster Stelle. Über Korruption spricht kein Mensch mehr — die ist selbstverständlich. Widerlich ist auch die Trunksucht, die weite Teile der Bevölkerung erfasst hat und der sich die Menschen hemmungslos hingeben. Die Miliz verdonnert jede Woche einige hundert Bürger zu Säuberungsarbeiten in den Straßen (Beseitigen der Kuhfladen usw.), die betrunken in den Gassen aufgelesen wurden oder in ihrem Suff Unheil anrichteten. Was aber nützt das schon?

 

Schließen wir den betrüblichen Bericht aus Braunsberg mit einigen allgemeinen Angaben. So wird gemeldet, dass an der Passarge mehrere Biberkolonien entstanden sind. Man spricht neuerdings von einer Biberzucht in der Stadt. Der Plan, eine zweite Brücke über den Fluss zu bauen, ist fallengelassen worden. Nach wie vor kann man nur die nach dem Kriege wiederhergestellte Amtsmühl-Brücke benutzen. Die sogenannte „Ermländische Madonna" (eine schöne Skulptur unseres Landsmannes Fuhg auf dem Hof des Gymnasiums) ist erhalten geblieben. Zerstört wurden dagegen das Kriegerdenkmal und die Arbeiten dieses Künstlers am Steinhaus. Böse sieht es auch auf dem Friedhof aus, wo nur noch die Gräber der in der Stadt befindlichen Deutschen bzw. ihrer Angehörigen in Ordnung gehalten werden können. Die Rochuskapelle ist heil, wird aber nicht benutzt. Abgetragen worden ist das Potocki-Stift. Aus welchen Gründen, ist unbekannt. Wahrscheinlich war man an dem Buntmetall des Daches interessiert. Unversehrt blieb das Evangelische Krankenhaus, das heute den staatlichen Behörden untersteht

 

Seite 3   700-jährige Stadt Braunsberg

An der alten West- Ost-Handelsstraße entlang der Ostseeküste liegt auf ostpreußischem Boden zwischen Elbing und Königsberg, 11 km vom Frischen Haff entfernt, die fast 700-jährige Stadt Braunsberg. Sie war Hauptstadt des Ermlandes und zählte 1939 etwa 20 000 Einwohner. Sie ist eine der ältesten ostpreußischen Städte. Viele Freunde unbeschwerter Sommerfreuden haben sie in guter Erinnerung: Von Braunsberg aus brachten „die Dampferchen den Feriengast in die zwischen Ostsee und Haff gelegenen Badeorte wie Narmeln und Haffkrug, die mit der Eisenbahn unerreichbar waren.

 

11 km nördlich von Braunsberg liegt Frauenburg, die Stadt Nikolaus Koppernikus.

 

1241 als Ordensburg „Brunsberg" vom Ritterorden erbaut, wird der ehrliche Geschichtsforscher vergeblich nach Spuren Ausschau halten müssen, die etwa auf einen von den Polen heute so gern behaupteten „polnischen Charakter" Nordostpreußens hindeuten könnten. Trotzdem gehört Braunsberg heute als „Braniewo“ zur Wojewodschaft Allenstein. Bis Ende des 13. Jahrhunderts war Braunsberg Sitz des Bischofs von Ermland. Ab 1248 lebte die Bevölkerung hier nach lübischem Recht. Unser Bild: Das Braunsberger Rathaus. Nur ein Erinnerungsstück konnte über 1945 hinweg gerettet werden. Es ist die alte St. Magdalenenglocke aus dem Turm der Katharinenkirche. Sie läutet heute in der Nähe von Aachen.

 

Seite 3   Kann Polen ohne die Oder-Neiße-Gebiete leben? Nicht neues Unrecht – aber gleiches Recht für uns Deutsche.

Nach Ansicht des Warschauer Rundfunks ist Polen ohne die polnisch verwalteten Gebiete östlich der Oder und Neiße nicht lebensfähig. Der Verlust seiner „Westgebiete" würde Polen „unausweichlich zum wirtschaftlichen Ruin verurteilen". Zudem habe die Entwicklung in der Bundesrepublik überzeugend bewiesen, dass Deutschland auch ohne diese Gebiete existieren könne. Es wäre zwar durchaus verständlich, dass diese Feststellung den östlich der Oder und Neiße geborenen Deutschen schmerzlich sei, aber der klare Blick für „Realitäten" dürfe nicht durch sentimentale Anwandlungen getrübt werden. Der bestehende Zustand sei nun einmal unwiderruflich und müsse den Ausgangspunkt für die Normalisierung der Beziehungen zwischen Polen und dem vereinten Deutschland bilden.

 

Diesem grundsätzlichen Kommentar des Warschauer Senders in Beantwortung einer Höreranfrage kann nicht scharf und deutlich genug widersprochen werden.

 

Da ist zunächst einmal festzustellen, dass Polen heute eine Fläche von rund 312 000 qkm einnimmt, wovon 161 000 qkm ehemals deutsche Gebiete sind. Dabei beträgt die Bevölkerung 25 Millionen. Die von der Bundesrepublik einschließlich des Saarlandes und der sogenannten DDR eingenommenen Fläche beträgt zusammen nicht ganz 356 000 qkm mit einer Bevölkerung von annähernd 68 Millionen, wobei an landwirtschaftlich genutzter Fläche für je 100 Menschen nur 29 Hektar zur Verfügung stehen.

 

Weiter ist festzustellen, dass die dem polnischen Landwirtschaftsministerium nahestehende Warschauer Zeitung „Zycie gospodarcze" in einer umfassenden Untersuchung darauf hinweist, dass z. B. auf dem Pyritzer Weizenacker (Ostpommern), in der Umgebung von Neustettin, Schlochau und Deutsch-Krone und im südlichen Ostpreußen die Hektarerträge in „furchterregendem" Umfang abgesunken seien. Im letztgenannten Gebiet sind „Erträge von 8 bis 10 dz je Hektar... als nicht schlecht zu bezeichnen". Dagegen betrugen die Durchschnittserträge in den deutschen Ostgebieten in den Jahren 1935 - 1939 je Hektar 19,5 dz bei Sommergetreide und 17,7 dz bei Wintergetreide je Hektar. In dem fruchtbaren Gebiet der Weichselniederung sei „die Situation geradezu dramatisch. Von 150 000 Hektar fruchtbaren Bodens ernten wir kaum so viel, wie hier von 30 000 bis 40 000 Hektar geerntet werden könnten".

 

Ähnlich ist die Lage überall. Die oben genannte Zeitung führt als Gründe für diese Ertragsminderung in wörtlicher Übersetzung an: „Die Praktiken der Jahre 1951 bis 1953, in denen der Kulak — und nicht nur dieser — verfolgt wurde, führten dazu, dass beträchtliche Teile des Landes zur Steppe wurden, und zwar in dem eigentümlich polnischen Sinne: Es entstanden Brachlandflächen, die Gebäude zerfielen, und die Wege wurden von Unkraut überwuchert. Doch hatte man ein Universal-Lösungsmittel: Man überantwortete die Flächen einfach den Staatsgütern“.

 

Aus vorstehenden geht klar hervor, dass Polen sehr wohl, wenn es sein Land in vernünftiger und intensiver Weise, wie es bei uns der Fall ist, bewirtschaften würde, durchaus nicht ohne die uns widerrechtlich entzogenen Gebiete, unausweichlich zum wirtschaftlichen Ruin verurteilt wäre. Polen ist überhaupt nicht in der Lage, mit seiner geringen Bevölkerungszahl im Verhältnis zu der Fläche seines Landes so zu wirtschaften, wie es von einem Kulturvolk verlangt werden muss. Denn wie wäre es sonst begreiflich, dass das Brachland östlich der Oder-Neiße-Linie um 1,5 Millionen Hektar zugenommen hat!

 

Es gibt nämlich ein Naturgesetz, nach dem jeder Mensch verpflichtet ist, seinen Anteil zur Ernährung aller beizutragen und nach besten Kräften die Bewirtschaftung des Bodens im Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten durchzuführen.

 

Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass es zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die von allen zivilisierten Nationen anerkannt sind, gehört — wie die Formel der Verfassung des Weltgerichtshofes im Haag lautet — dass alle dem Recht Unterworfenen gleich behandelt werden müssen. Dieser Satz gilt auch für das Völkerrecht und beansprucht Geltung für die endgültige Festlegung der deutschen Ostgrenzen. „Alle Mitglieder der Vereinten Nationen sollen im Rahmen ihrer internationalen Beziehungen von der Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Unantastbarkeit irgendeines Staates Abstand nehmen", heißt es in Art. 2 Ziff. 4 der Satzung der UNO. Dieses Verbot gilt auch zu Gunsten des besiegten Angreifers. Es untersagt ferner Landwegnahme zu Ausgleichszwecken für Kriegsverluste des Siegers. Hinzu kommt noch das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das auch grundsätzlich von der UdSSR anerkannt worden ist.

 

Die unter Verletzung des Selbstbestimmungsrechts der Völker getätigten rechtswidrigen deutschen Eroberungen unter Hitler sind rückgängig gemacht worden. Diese Tatsache berechtigt zu der Forderung auf Rückgängigmachung der ebenso rechtswidrigen Versuche einer Inbesitznahme deutschen Staatsgebietes. Walther von Etzdorf

 

Visaerleichterung. Bei der Ausstellung von Einreisevisa aus Polen in die Bundesrepublik soll mit Erleichterungen in nächster Zeit gerechnet werden. Dies wurde auf Grund der Besprechungen eines Vertreters des Auswärtigen Amtes in der Konsulatabteilung der amerikanischen Botschaft in Warschau mitgeteilt.

 

Ansiedlung polnischer Juden. Etwa 5000 Juden, die vor dem Kriege polnische Staatsbürger waren und bis jetzt in sowjetischem Gewahrsam gehalten wurden, werden auf Grund eines neuen polnisch-sowjetischen Abkommens bis Ende des Jahres nach Polen zurückkehren. Sie sollen im Gebiet um Breslau und Liegnitz angesiedelt werden.

 

Wirtschaftsbesprechungen. Fragen des gegenseitigen Warenverkehrs u. a. auch eine Erhöhung polnischer Einfuhren in die Bundesrepublik, wie auch des Zahlungsverkehrs waren Gegenstand von Besprechungen einer deutsch-polnischen gemischten Kommission. Sie konnten im beiderseitigen Einvernehmen geregelt werden. Die Besprechungen dauerten vom 8. bis 29. Juli.

 

Bücherpaten gesucht. Das DRK sucht Bücherpaten, die bereit sind, Deutsche in den Oder-Neiße-Gebieten mit Buchsendungen zu betreuen. Die Sendungen werden vom DRK nach den Wünschen der Deutschen in den Ostgebieten selbst zusammengestellt und dem Paten kostenlos übermittelt. Der Pate hat somit nur Portokosten zu tragen.

 

Erster USA-Getreidetransport. Mit 9186 Tonnen amerikanischen Weizen an Bord lief am 24. Juli das Schiff „Buecknell Victory" in Gdingen ein. Es handelt sich um den ersten Transport amerikanischen Getreides, das auf Grund des kürzlich in den USA abgeschlossenen Kreditabkommens an Polen geliefert wird. In den nächsten Tagen werden weitere amerikanische Getreidetransporte erwartet.

 

Seite 4   Wichtige Ergänzungen zum Bundesvertriebenengesetz. Härten beseitigt – Landwirtschaftliche Eingliederung verbessert – Klarstellungen in Streitfragen.

Die vom Bundestag noch verabschiedete zweite Novelle zum Bundesvertriebenengesetz bringt eine Fülle von sachlichen und verfahrensmäßigen Ergänzungen, die sich bei der Durchführung dieses „Grundgesetzes der Heimatvertriebenen" als notwendig erwiesen haben.

 

So beseitigt sie in ihren materiell-rechtlichen Bestimmungen Härten, die sich aus den Bestimmungen über den gesetzlichen Wohnsitz im Bundesgebiet ergaben. Ferner nimmt sie in Angleichung an das Lastenausgleichsgesetz China in die Liste der Aussiedlergebiete auf und schafft einen einheitlichen Status in den Familien der Heimatvertriebenen.

 

Auch werden durch die zweite Novelle die Bestimmungen über die Familienzusammenführung in Angleichung an den § 230 Abs. 2 Nr. 3 des Lastenausgleichsgesetzes verbessert wie ebenso die Vorschriften über die rechtzeitige Begründung des ständigen Aufenthaltes im Geltungsbereich des Gesetzes für Spätvertriebene (Aussiedler) und solche Vertriebene, die sich im Anschluss an die Vertreibung zunächst im Ausland aufhalten mussten und sich um die rechtzeitige Einreise vergeblich bemüht haben.

 

Ausdrücklich festgestellt werden in der Novelle die sich aus dem Bundesvertriebenengesetz ergebenden Vergünstigungen, auf die sich die Vertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge auch nach Vollzug der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung berufen können. Gesetzlich fundamentiert wird die Pflicht zur Anhörung eines Ausschusses, falls die zuständige Behörde den Vertriebenen oder SBZ-Flüchtling von der weiteren Inanspruchnahme der Rechte und Vergünstigungen nach dem Bundesvertriebenengesetz ausschließen will.

 

Im Beirat für Vertriebene wird die Zahl der Vertreter der auf Bundesebene tätigen Vertriebenen- und Flüchtlingsorganisationen von 14 auf 16 erhöht und die Möglichkeit zur Berufung von Stellvertretern geschaffen.

 

Die weitere Eingliederung von Vertriebenen und Flüchtlingen in die Landwirtschaft wird verbessert und sichergestellt. So wird - allerdings unter Ausschluss der Begünstigung von Pachtverträgen unter Ehegatten — die Einheirat begünstigt. Ferner dienen besondere Bestimmungen der Wahrung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Der Regelhöchstbetrag für Darlehen und Beihilfen wird beseitigt. Die Wertgrenze wird von 60 000 DM auf 80 000 DM erhöht und in eine Schongrenze umgewandelt. Beseitigt wird schließlich die bisher im Gesetz vorgesehene Befristung (31. Dezember 1957) für abgaberechtlich zu begünstigende Verträge und sonstige entsprechende Tatbestände.

 

Zudem enthält die Novelle Bestimmungen zur Verbesserung der Eingliederung in selbständige Berufe sowie in das Gewerbe, wobei vor allem die vertriebenen Ärzte, Zahnärzte und Dentisten berücksichtigt werden, die während des Krieges zwar keine endgültige Kassenzulassung erhalten hatten, doch an der Kassenpraxis beteiligt wurden. Schließlich werden auch die Vorschriften über die Schuldenregelung verbessert, die künftig auch von solchen Vertriebenen in Anspruch genommen werden kann, die die Voraussetzung des § 10 über die Einhaltung des Stichtages nicht erfüllen.

 

Die verfahrensrechtlichen Änderungen ermöglichen die Feststellung des Doppelstatus als Vertriebener und Sowjetzonenflüchtling bei Vertriebenen, die nach der Vertreibung zunächst in der sowjetischen Besatzungszone ihren ständigen Aufenthalt genommen hatten. Ferner wird die Position der Flüchtlingsbehörden und die Bedeutung des Flüchtlingsausweises dadurch gestärkt, dass der Ausweis für alle Behörden und Stellen, die mit der Betreuung von Vertriebenen und Flüchtlingen zu tun haben, als grundsätzlich verbindlich erklärt wird. Schließlich wird auch die Zuständigkeit für die Ausstellung von Ausweisen für Vertriebene und SBZ-Flüchtlinge geregelt, die sich in sogenannten Durchgangslagern oder im Ausland aufhalten. Geregelt wird nicht zuletzt die Rechtshilfe im Ausweisverfahren.

 

Neben diesen wichtigen sachlich-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Ergänzungen bringt die Novelle in beträchtlichem Umfange Klarstellungen von Streitfragen, die in den vergangenen vier Jahren bei der Durchführung des Bundesvertriebenengesetzes sowohl in der Praxis der Verwaltungsbehörden als auch bei der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte aufgetreten sind.

 

Seite 4   Hauptentschädigung läuft an.

Der Kontrollausschuss hat der Vorlage des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes über die 1. Weisung zur Erfüllung der Hauptentschädigung zugestimmt. Die Weisung beruht auf dem 8. Änderungsgesetz und befasst sich mit dem Personenkreis, dem in der ersten Anlaufzeit der bevorzugten Erfüllung die Hauptentschädigung ausgezahlt wird. Vorläufig wird die Hauptentschädigung nur dann gezahlt, wenn der Geschädigte das 75. Lebensjahr vollendet hat; ferner kommt eine Auszahlung zur Verwendung für die Ausbildung von Kindern an Fach- und Hochschulen und für zwei Fälle besonderer Notlagen in Betracht. Die besondere Notlage wird berücksichtigt, wenn entweder die Lebensverhältnisse denjenigen von Unterhaltshilfeempfängern entsprechen oder wenn die Lebensgrundlage plötzlich weggefallen ist. Die anderen Fälle, die der Gesetzgeber für die bevorzugte Erfüllung der Hauptentschädigung vorgesehen hat, insbesondere solche mit dem Ziele der Eigentumsbildung, sollen so früh wie möglich folgen.

 

Die Weisung wird nach Verkündung des 8. Änderungsgesetzes des Lastenausgleichsgesetzes voraussichtlich Anfang August dieses Jahres veröffentlicht werden. Die Erfüllung der Hauptentschädigung an Personen in hohem Lebensalter wird von Amts wegen vorgenommen; es bedarf hierfür keiner Anträge und Vorsprachen der Geschädigten. Um die Vorarbeiten für die Auszahlung der Hauptentschädigung nicht zu behindern, wird dringend gebeten, auch in den anderen Fällen zunächst von Vorsprachen und Eingaben bei den Ausgleichsämtern abzusehen.

 

Deutsch-polnischer Übersetzungsdienst

Einen kostenlosen Übersetzungsdienst für polnische Urkunden und Dokumente hat die Landsmannschaft Schlesien in Bonn eingerichtet. Mit dieser Einrichtung soll denjenigen Landsleuten geholfen werden, welche gegenwärtig als sogen. „Spätumsiedler“ in der Bundesrepublik eintreffen und die ihnen von den polnischen Verwaltungsbehörden in polnischer Sprache ausgestellten Urkunden nicht ohne Übersetzung bei deutschen Amtsstellen verwenden können. Interessenten können ihre Schriftstücke — möglichst eingeschrieben —, mit Freiumschlag für die Rücksendung, an die Bundesstelle Schlesien, Bonn, Abholfach, senden.

 

Seite 4   Die vielumstrittene „Achte" jetzt gesichert

In seinem „Endspurt" hat der Bundestag den Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Achten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz angenommen. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Regelung der Beiträge der öffentlichen Haushalte, so dass die Finanzierung der Leistungsverbesserungen für die Geschädigten nunmehr sichergestellt sein dürfte. Insbesondere wird danach folgendes bestimmt:

 

Soweit in den Rechnungsjahren 1955 bis 1958 das Aufkommen an Vermögensabgabe, Hypothekengewinnabgabe und Kreditgewinnabgabe (auf das Rechnungsjahr bezogen) den Betrag von je 2,6 Mrd. DM nicht erreicht, leisten die Länder den Unterschiedsbetrag zwischen diesem Aufkommen und der genannten Summe als Zuschuss an den Ausgleichsfonds — jedoch nicht mehr als 90 Prozent ihrer Aufkommen an Vermögenssteuer. In den Rechnungsjahren 1959 bis einschließlich 1978 leisten die Länder an den Ausgleichsfonds einen Zuschuss in Höhe von 25 Prozent ihrer Aufkommen an Vermögenssteuer im jeweiligen Rechnungsjahr. Soweit in den Rechnungsjahren 1959 bis 1966 das Aufkommen aus den Lastenausgleichsabgaben zusammen mit den Zuschüssen der Länder im Rechnungsjahr 1959 den Betrag von 2,6 Mrd. DM, in den nachfolgenden Rechnungsjahren einen gegenüber dem Vorjahr jeweils um 50 Mill. DM verringerten Betrag nicht erreicht, leisten der Bund und die Länder den Unterschiedsbetrag als Zuschuss an den Ausgleichsfonds. Und zwar muss der Bund ein Drittel dieses Zuschusses leisten, während die Länder mit zwei Dritteln nach dem Verhältnis ihrer Aufkommen an Vermögenssteuer im jeweiligen Rechnungsjahr belastet werden.

 

Ferner leisten Bund und Länder an den Ausgleichsfonds einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 50 Prozent des Jahresaufwandes des Ausgleichsfonds für Unterhaltshilfe, höchstens jedoch 500 Mill. DM. Der Bund leistet ein Drittel dieses Zuschusses; die Länder leisten zwei Drittel nach dem Verhältnis ihres Steueraufkommens im jeweils vorhergehenden Rechnungsjahr. Schließlich stellt der Bund dem Ausgleichsfonds im Rechnungsjahr 1957 einen Betrag von 100 Mill. DM zur Verfügung. Der Vermittlungsvorschlag enthält außerdem Bestimmungen über die Tilgung der Verbindlichkeiten der Länder gegenüber dem Ausgleichsfonds sowie über die Berechnung des LAG-Aufkommens in Bezug auf die Beträge, die durch die vorzeitige Ablösung, einkommen.

 

Besonders wichtig für die Geschädigten ist die Neufassung des § 252, Abs. 1 Satz 2, die ebenfalls durch den Vermittlungsvorschlag vorgenommen wird. Danach sind bevorzugt zu befriedigen die Ansprüche der Geschädigten in hohem Lebensalter sowie solche Ansprüche, bei denen die Hauptentschädigung der Abwendung oder Milderung sozialer Notstände dient. Ferner sind solche Ansprüche vordringlich zu berücksichtigen, bei denen die Hauptentschädigung der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen dient oder nachweislich zur Bildung von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen, von Grundvermögen oder von Betriebsvermögen oder zur Begründung oder Festigung der wirtschaftlichen Selbständigkeit beizutragen vermag.

 

Seite 5   Die Kogge. Jugend- und Kinderbeilage der Ostpreußen-Warte. Nummer 8, August 1957.

Lockende Ferne. Von Jeseph von Eichendorff.

Foto: Sachers

Indem wie ich mich so umsehe, kommt ein köstlicher Reisewagen ganz nahe an mich heran, der mochte wohl schon einige Zeit hinter mir dreingefahren sein, ohne dass ich es merkte, weil mein Herz so voller Klang war, denn er ging ganz langsam, und zwei vornehme Damen streckten die Köpfe aus dem Wagen und hörten mir zu. Die eine war besonders schön und jünger als die andere, aber eigentlich gefielen sie mir alle beide. Als ich nun aufhörte zu singen, ließ die ältere stillhalten und redete mich holdselig an: „Ei, lustiger Gesell, Er weiß ja recht hübsche Lieder zu singen“. Ich nicht zu faul dagegen: „Euer Gnaden aufzuwarten wüsst' ich noch viel Schöneres“. Darauf fragte sie mich wieder: „Wohin wandert Er denn schon so am frühen Morgen?" Da schämte ich mich, dass ich das selber nicht wusste, und sagte dreist: „Nach Wien"; nun sprachen beide miteinander in einer fremden Sprache, die ich nicht verstand. Die Jüngere schüttelte einige Male mit dem Kopfe, die andere lachte aber in einem fort und rief mir endlich zu: „Spring' Er nur hinten mit auf, wir fahren auch nach Wien“. Wer war froher als ich! Ich machte eine Reverenz und war mit einem Sprunge hinter dem Wagen, der Kutscher knallte, und wir flogen über die glänzende Straße fort, dass mir der Wind am Hut pfiff.

 

Hinter mir gingen nun Dorf, Gärten und Kirchtürme unter, vor mir neue Dörfer, Schlösser und Berge auf, unter mir Saaten, Büsche und Wiesen bunt vorüberfliegend, über mir unzählige Lerchen in der klaren blauen Luft — ich schämte mich, laut zu schreien, aber innerlich jauchzte ich und strampelte und tanzte auf dem Wagentritt herum, dass ich bald meine Geige verloren hätte, die ich unterm Arme hielt. Wie aber denn die Sonne immer höher stieg, rings am Horizont schwere weiße Mittagswolken aufstiegen und alles in der Luft und auf der weiten Fläche so leer und schwül und still wurde über den leise wogenden Kornfeldern, da fiel mir erst wieder mein Dorf ein und mein Vater und unsere Mühle, wie es da so heimlich kühl war an dem schattigen Weiher, und dass nun alles so weit, weit hinter mir lag. Mir war dabei so kurios zumute, als müsst' ich wieder umkehren; ich steckte meine Geige zwischen Rock und Weste, setzte mich voller Gedanken auf den Wagentritt hin und schlief ein.

 

Als ich die Augen aufschlug, stand der Wagen still unter hohen Lindenbäumen, hinter denen eine breite Treppe zwischen Säulen in ein prächtiges Schloss führte. Seitwärts durch die Bäume sah ich die Türme von Wien. Die Damen waren, wie es schien, längst ausgestiegen, die Pferde abgespannt. Ich erschrak sehr, da ich auf einmal so allein saß. Ich griff nach der Weste; meine paar Groschen, weiß Gott, sie müssen beim Herumtanzen auf dem Wagen aus der Tasche gesprungen sein, denn ich hatte nichts als mein Geigenspiel.

 

Zuletzt kam endlich der Gärtner, brummte was von Gesindel und Bauernlümmel unterm Bart und führte mich nach dem Garten, während er mir unterwegs noch eine lange Predigt hielt: wie ich nur fein nüchtern und arbeitsam sein, nicht in der Welt herumvagieren, keine brotlosen Künste und unnützes Zeug treiben solle, da könnt' ich es mit der Zeit noch einmal zu was Rechtem bringen. — Es waren noch mehr sehr hübsche, gutgesetzte, nützliche Lehren, ich habe nur seitdem fast alles wieder vergessen. Überhaupt weiß ich eigentlich gar nicht recht, wie das alles so gekommen war, ich sagte nur immerfort zu allem: ja — denn mir war wie einem Vogel, dem die Flügel begossen worden sind.

Entnommen aus der Novelle „Aus dem Leben eines Taugenichts".

 

Seite 5   Auf nun du Jnge.

Auf nun du Junge!

Folge dem Winde,

folge der Sterne

leuchtenden Bahn!

Du bist der Schlüssel:

Hinter den Bergen

liegen die Wellen

weit auf getan.

 

Auf nun du Junge!

Dein all die Straßen,

dein, was im Schoss die

Ferne verwahrt:

Städte und Burgen,

Seen und Wälder.

Auf nun du Junge,

wage die Fahrt!

 

Auf nun du Junge!

Hoch stehn die Felder

Kornblume blau, des

Mohns rote Glut.

Nachts an den Feuern

singt uns das Dunkel

uralte Sehnsucht

in unser Blut.

 

Seite 5   Goldene Regeln für die Auslandsfahrt.

1. Vergiss es nie: In Deutschland bist Du ein Deutscher unter Millionen; im Ausland aber bist Du der Deutsche, nach dessen Worten und Taten der Fremde das Bild Deiner Nation formt.

 

2. Verheimliche nicht, dass Du von deutschen Eltern stammst, aber sorge dafür, dass der Ausländer von dieser Tatsache angenehm überrascht wird.

 

3. Bist Du der törichten Ansicht, im Ausland sei alles schlechter als zu Hause, dann bleibe daheim; glaubst Du, in der Fremde sei alles besser, dann kehre nicht wieder zurück.

 

4. Ziehst Du durch fremde Lande, dann sorge dafür, dass sie von Deiner Schweigsamkeit widerhallen; je stiller Du bist, umso lauter werden die anderen reden.

 

5. Kleide Dich so, dass Dich niemand bemerkt, aber setze Dir keinen Fes auf.

 

6. Singe gern, wenn man Dich darum bittet, aber singe nur dann!

 

7. Suche nicht dort aufzutrumpfen, wo Dir der Fremde überlegen ist; wo aber Du überlegen bist, lasse Dich lächelnd besiegen, auf dass Du verlässliche Freunde gewinnst.

 

8. Denke daran, dass nur die Namen der Tugenden und Laster in andere Sprachen übersetzt werden können; was sie wirklich bedeuten, musst Du in jedem Land von neuem erfahren.

 

9. Was Dir bei fremden Völkern merkwürdig vorkommt, bemühe Dich zu verstehen; gelingt Dir das nicht, so suche den Grund dafür zuletzt bei den fremden Völkern.

 

10. Erhebe im Ausland den Finger nur, um zu lernen; nie um zu lehren.

 

11. Sei auf Reisen sparsam, aber nicht geizig; trinke weniger als der Gastgeber, damit Dir umso mehr Zeit bleibt, seine Gastlichkeit zu rühmen!

 

12. Der Fremde mag sich noch so sehr vermummen in allerlei nationalen Trachten: In der Stunde der Gefahr oder im Augenblick der Liebe vergiss nicht, dass auch er nur ein Mensch ist wie Du!

Aus „Unser Arbeitsbrief“, Herausgeber; Deutsche Jugend des Ostens", Bundesführung, Stuttgart, Pfizerstraße 8.

 

Seite 5   Für unsere Leseratten.

Liebe Leseratten!

Na, wie war’s? Ich meine, in den Ferien? Leider, leider immer viel zu schnell wieder vorbei. Das sag ich ja auch immer. Aber was kann man als einzelner dagegen machen!

 

Sicher habt ihr allerhand Erlebnisse gehabt, ob nun auf großer Fahrt oder zu Haus. Die Einmaligkeit, Großartigkeit und Schönheit eines Erlebnisses hängt ja nie von den zurückgelegten Kilometern oder Erreichung einer bestimmten Berghöhe ab. Man kann dem großen Erlebnis oft in den kleinsten Dingen begegnen, um es einmal ganz vereinfacht zu sagen: in einem Stück Rasen etwa. Und ein Abenteuer kann sein unverhofft Zeuge einer Schlacht zweier sich bekriegender Ameisenstämme zu werden.

 

Wer von euch mit den in unserer letzten „Kogge" empfohlenen beiden Smolik-Büchern auf Streifzug in seine allernächste Umgebung gegangen ist, wird in seinen Ferien weitaus mehr erlebt haben, als die weite Welt es zu bieten hat.

 

Aber nun sind wir wieder da, und bald beginnen wieder die regelmäßigen Gruppenabende. Auch dafür sollte man gerüstet sein. Das dachte gewiss auch der Bogen-Verlag, der im Auftrage der Deutschen Jugend des Ostens die „Reihe der Jungen" herausgibt, wenn er gerade in diesem Zeitpunkt seinen Doppelband 4/5 erscheinen lässt.

 

Erwin Nadolny: Ostdeutsche Lebensbilder. Biographische Sammlung. 109 S., Ganzl. DM 5,85.

Und da kann ich nur mit vielen von euch sagen: Darauf haben wir schon lange gewartet. Der Band enthält Kurzbiographien von insgesamt 19 bedeutenden ostdeutschen Persönlichkeiten. Aber nicht etwa trocken dargereicht, wie man es meist bei biographischen Arbeiten findet und was uns zur Lektüre nicht gerade übermäßig reizt, sondern in einer — wenn ich einmal so sagen darf — für uns „genießbaren" Form. Es sind kurze Lesestücke in denen uns in gutem Erzählerton Gestalten wie Kopernikus, Herder, E. T. A. Hoffmann, Veit Stoß. Schopenhauer. Eichendorff, Löns — nur um einige zu nennen — nahegebracht werden und uns einen Einblick in deren Werk gewinnen lassen. Ein Buch, das wir nicht warm genug empfehlen können.

 

Wer in seinen Ferien nicht ganz auf seine Rechnung kam, für den greifen wir jetzt ein Buch aus unserer Kiste, das uns mitten in das Amerika des ausklingenden 18. Jahrhunderts versetzt. Es ist der Lebensweg eines jungen deutschen Mannes des nachmals so bekannten Johann Jakob Astor, dessen Name noch heute in Amerika und der ganzen Welt in den Begriffen „Astoria-Hotel" und „Astor-Zigarette" weiterlebt.

 

Antonia Mingotti: Vom Pelzjäger zum Millionär. Das abenteuerliche Leben von Johann Jakob Astor. Franz Schneider Verlag, München, 136 S., reich illustriert, geb. DM 3,80.

Der junge Astor wandert arm aus seiner schwäbischen Heimat nach Amerika. Es ist die Pionier-Zeit. Waldläufer bringen die Beute der indianischen Jäger in die Städte. Astor aber geht selbst hinaus, lebt unter Trappern und Indianern und holt die kostbaren Pelze aus der Wildnis. So wird er bald ein reicher Mann und versteht, diesen Reichtum zu nutzen. Er schickt kühne Expeditionen weit in den Westen und rüstet Schiffe für den Handel mit Ostindienaus. Sein rastloser Fleiß und sein Genie machen ihn schließlich zum reichsten Mann der Welt.

 

Die Lebensgeschichte dieses Mannes liest sich wie ein spannender Abenteuerroman aus der Feder eines phantasiereichen Schriftstellers. Der Verfasser dieses Buches, Professor Mingotti ist über allen Verdacht erhaben, auch nur etwas um der Farbigkeit der Handlung und der Spannung willen hinzugedichtet" zu haben. Mit der Gründlichkeit eines Forschers hat er alles erreichbare Material über Astor, seine Lebensumstände und seine Erfolge zusammengetragen und studiert. Das Ergebnis ist diese einzigartige spannende Lebensgeschichte.

Das nächste Mal mehr. Gert und Ute.

 

Seite 5   Wappen der Heimat

Abgebildet: Wappen von Marienwerder und Marienburg.

 

Seite 6   Gedenkblatt des Monats.

Ernst Wiechert (Foto)

„Gut war es mir, barfuß meinen Lebensweg zu beginnen und die Kühe zu hüten“, so bekennt der Dichter Ernst Wiechert in seinem Erinnerungsbuch „Wälder und Menschen", und er fährt dann fort: „Weil ich in der Stille anfing, konnte ich dem Lauten nie ganz verfallen. Weil ich als Kind die Wälder schweigen und wachsen sah, konnte ich immer ein stilles Lächeln für das aufgeregte Treiben haben, mit dem die Menschen ihre vergänglichen Häuser bauten. Es war, als trüge ich andere Gesetze und Maßstäbe in mir, größere und strengere. Ich konnte nie mehr ganz aus dem Kreis der Natur herausfallen, und immer hielt ein letztes Band mich noch am Willen der Schöpfung fest, wenn auch rings um mich die Menschen schon längst vergessen hatten, dass auch sie Geschöpfe und nicht Schöpfer waren, und an ihren babylonischen Türmen bauten, als sei es ihnen und nur ihnen allein vorbehalten, die Achse der Welt in sich zu tragen“.

 

Dieses Selbstzeugnis Wiecherts sagt mehr über Mensch und Werk aus als selbst der breiteste Versuch einer Deutung des Phänomens Wiecherts. Er ist der Dichter der Stille, der Innerlichkeit, und der Wurzelgrund, aus dem er immer wieder neue Kräfte empfängt, ist seine masurische Heimat.

 

Er wurde am 15.05.1887 in Kleinort bei Sensburg als Sohn eines Försters geboren. Der Wald ist sein erstes großes Erlebnis, das bis in seine reifen Spätwerke nachwirkt.

 

Wir ehren in Ernst Wiechert den bedeutendsten Dichter seiner ostpreußischen Heimat. Niemand hat seinen Landsleuten so tief ins Herz gesehen, niemand hat das ostpreußische Wesen so begriffen und in die Welt künstlerischer Gestaltung gehoben wie er. Die Fährnisse, die über diese seelische Struktur Herr werden können, vermag er in gleicher Weise dichterisch zu erlassen, wie er die gewaltigen Schaffenskräfte aus den Urgründen dieser Geistigkeit zu verlebendigen weiß. Das letzte Jahr seines Schaffens hat ihn auf den Gipfel seiner tiefen Kunst geführt, die „Missa sine nomine" ist die Summe seines Wirkens, die „Jerominkinder", sein vorletztes großes Werk, bildeten die Vorstufe.

 

An Wiechert zeigt sich deutlich, dass große Kunst nur auf dem Boden tiefer Gläubigkeit erwächst, dass letzte Gnade nur dem widerfährt, der sich immer in der Hand der Schöpfung weiß und dieses unauflösbare verwurzelt sein mit Gott und Natur, Erde und der ins Dunkel zurückfließenden Geschlechterfolge allgegenwärtig in sich trägt.

 

Ernst Wiechert starb am 24.08.1950 auf dem Rütihof am Züricher See, erst 63 Jahre alt. In sein letztes Erinnerungsbuch „Jahre und Zeiten" schreibt er: „Der Tau fällt vom Monde und mir ist, als fiele alle Frucht des Lebens still in meine Hände“.

 

Seite 6   GeheimnisvoIIer Vogelzug

Von Königsberg bis Memel hinauf trennt der lange, schmale Sandfinger der Kurischen Nehrung das Haff von der Ostsee.

 

Diese sonderbare Halbinsel ist von jeher eine Raststätte für Zugvögel, die aus dem Norden und Nordosten kommen. Die meisten Vögel scheuen wohl bei ihren Reisen das Wasser, sie wollen Land unter sich sehen.

 

Vor mehr als 50 Jahren begründete Johann Thienemann bei Rossitten eine vogelkundliche Beobachtungsstation. Er widmete einige Jahrzehnte seines Lebens dem Studium des geheimnisvollen Vogelzuges und löste manche der Rätsel, die uns die Zugvögel aufgeben.

 

Hier in Rossitten auf der Nehrung besuchte ich einmal den „Vogelprofessor", wie man ihn überall nannte. Es war Oktober, und über die Nehrung zogen die Vögel, ihren südlichen Winterquartieren zu.

 

Noch steht die Nacht pechschwarz über dem Nehrungswald südlich des Fischerdorfes. Als wir den Waldrand erreichen, wird es heller. Hier geistert die Wanderdüne; hier hört das Lebendige auf. Aus Kiefernzweigen hat sich der Vogelprofessor eine Beobachtungshütte gebaut, und hier erwarten wir selbander den nahen Morgen. Das Rauschen der Brandung dringt an unser Ohr, der ewige Pulsschlag des Meeres. Fahles Dämmerlicht kämpft mit dicken Nebelschwaden, die aus nahen Moorästen aufsteigen. Auf einmal hebt das Getümmel an. „Stare und Dohlen" flüstert Thienemann. Als es noch heller geworden ist, schwärmen Buchfinken vorüber, dann Meisen und schließlich endlose Züge von Krähen. Da reicht mir der Professor hastig sein Fernglas: „Da, ein Seeadler!" Er fliegt so hoch, dass ihn bereits das volle Sonnenlicht trifft. Ganz deutlich kann ich seinen weißen Schwanz ausmachen. Gelassen zieht das Tier seine Kreise mit gespreizten Schwingen. Ihn scheint die Wanderlust nicht gepackt zu haben.

 

Ein paar Sperber überfliegen soeben einen Finkenschwarm. „Zu jeder anderen Zeit ist der Sperber des Finken Todfeind. Jetzt aber beseelt Sperber wie Finken nur der Drang nach dem Süden. Jetzt ist der Wandertrieb stärker als der Raubtierinstikt", philosophiert Thienemann. —

 

„Weiß man auch, wie schnell die einzelnen Vogelarten fliegen? möchte ich wissen. — „Das haben wir ziemlich genau erkundet. Die da" — er zeigt auf ein paar Störche, die es recht eilig haben — „schaffen am Tage ihre 100 bis 200 Kilometer“.

 

— „Wie haben Sie das ermittelt?" — „Wir haben auf der Düne Strecken abgesteckt, so 100 oder 500 Meter lang, und haben mit Telefon und Stoppuhren genau die Zeit messen können, die die Zugvögel für die Strecke brauchten. Die Stundengeschwindigkeit kann man sich dann ja leicht ausrechnen“. — „Und die Stückzahl?" — „Nun, da nehmen wir einen Schwarm aufs Korn, der nicht allzu groß ist. Der wird schnell durchgezählt. Wenn nun ein großer Schwarm nachfolgt, schätzen wir ab, wievielmal wohl der kleine drin aufgeht. Innerhalb von drei Stunden haben wir da 200 000 Vögel „gezählt" und etwa 30 verschiedene Vogelarten ausgemacht. An manchen Tagen aber ging's so lebhaft auf der „Vogelstraße" zu, dass wir's einfach nicht mehr schaffen konnten“. — „Wie weit sind denn die Reisewege?" frage ich. — „In Zusammenarbeit mit anderen Vogelwarten haben wir sogar Nonstop-Flüge von 5000 km in 48 Stunden festgestellt. Man muss die Luftbrücken bewundern, die manche Vögel schlagen. Die Küstenseeschwalbe z. B. fliegt zweimal im Jahre von der nördlichen bis zur südlichen Polarzone. Das sind 17 000 Kilometer. Würden Sie der immerhin wohlbeleibten Wachtel zutrauen, dass sie pausenlos übers Mittelmeer fliegt? Wohl kaum! — Kraniche aus Norwegen legen 10 000 km Weg zurück, um sich vom Uferschlamm des Nils den Tisch decken zu lassen. Aber es gibt auch Bummelanten unter den Zugvögeln, die „mit Fahrtunterbrechung" sich monatelang Zeit lassen bis zum Reiseziel. Und mit den Reisezielen wieder ist es auch ganz verschieden. Hochnordische Gäste sind bereits mit Winterquartieren im nördlichen Europa zufrieden. Bei Störchen geht die Reise bis weit über den Äquator hinaus“.

 

„Wie haben Sie denn das erkundet?" —

 

„Wir fangen jedes Jahr ein paar tausend Vögel, legen ihnen mit einer Zange einen Ring um ein Bein. Auf dem Ringe ist der Name der Vogelwarte vermerkt und eine Nummer. Wir führen genau Buch über diese Nummern. Es passiert immer wieder, dass aus allen möglichen Ländern Ringe per Post den Weg nach Rossitten finden. Meistens erfahren wir auch den genauen Fundort des beringten Vogels. Aus vielen Tausenden solcher Nachrichten kann man sich schließlich ein ziemlich genaues Bild von den Zugstraßen machen. So wissen wir auch, dass die ostdeutschen und die westdeutschen Störche ihre eigenen Reiserouten nach Afrika haben, übrigens ist diese Vogelstation hier nur eine von den vielen Dutzenden solcher Beringungszentralen, die es auf der Erde gibt. Sie alle zusammen haben etwas Licht in das Dunkel gebracht über Reisewege, Reiseziele, Flugtempo und Heimattreue der Vögel, über das Festhalten an Zugwegen und Überwinterungsgebieten.

 

Noch aber harren viele Rätsel um den Vogelzug ihrer Lösung. Vor allem die Frage; wie orientieren sich die Tiere? Ist der Erdmagnetismus richtungsweisend für sie oder die Stellung der Sonne, die Luftdruckverhältnisse; haben die Tiere die Fähigkeit, sich durch Radar zu orientieren, hat das Vogelhirn einen UKW-Empfänger, und arbeitet das Ohrlabyrinth etwa wie eine Rahmenantenne?" ---

 

Als ich am Mittag dem Vogelprofessor dankbar die Hand drücke, vermeine ich einen verstohlenen Blick in die Wunderwelt der Natur erlebt zu haben.

 

Seite 6   Verkehrsprobleme schon zu Urgroßvaters Zeiten.

Bereits im Jahre 1794 musste durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung dem Verkehrsdurcheinander auf den Landstraßen zu Leibe gegangen werden. Zu dieser Vereinbarung sahen sich damals die Königreiche Sachsen und Preußen veranlasst.

 

Schon 1794 gab es eine Regelung über das Vorfahrtsrecht auf den Straßen. In einer königlich sächsischen Verordnung erhielten die Postkutschen ein Vorfahrtsrecht vor allen übrigen Verkehrsteilnehmern zugebilligt. Sobald der Postillion ins Horn stieß, hatte alles Platz zu machen . . . bei Strafe von fünf bis zehn Talern.

 

Die Königliche Preußische Regierung führte als erste im Jahr 1797 Kennzeichen für Fahrzeuge — damals waren es natürlich nur Fuhrwerke — ein. Die Fuhrleute waren gehalten, auf dem linken Karrenteil auswärts ihren Namen und Wohnort in vier Zoll großen Lettern anzubringen.

 

Seite 6   Du und das Buch

Wir alle kennen den Bücherwurm. Ich glaube, es ist der liebenswürdigste und harmloseste Wurm, den wir haben. Zwar, in Brehm's Tierleben ist er nicht verzeichnet, aber es gibt ihn trotzdem. Von unseren Bekannten gehören immer ein paar zu dieser Gattung. So mancher von ihnen lässt sich gern bluffen von der Naivität des Pseudoabenteurers Karl May. Aber das sind bei Gott nicht die schlechtesten. Karl May hat vor den meisten Wildwest-Autoren das voraus, dass in seinen Büchern die Welt ein herrlich bunter Topf voll verwirrender gefährlicher Begebenheiten ist, die gut enden.

 

Schlimm wird es allerdings, wenn ein Autor anfängt, das Abenteuer des Lebens und die Möglichkeit des Brutalen und Rücksichtslosen in Zwang und Schicksal umzufälschen, denen niemand zu entrinnen vermag. Weil diese Sorte von Schreiberlingen zu albern und zu plump ist, auf die vielfältige und wundersame Sprache des Lebens zu lauschen, mixen sie ein bisschen Scheinheiligkeit und Sentimentalität und dramatisieren die unwahrscheinlichsten und geistlosesten Zufälle, die ihre verantwortungslose Fantasie ihnen eingibt. Der geistigen Unreife jener Schreiberlinge entspricht ganz und gar diejenige derer, die danach greifen. Haben sie glücklich für 50 Pfennig Liebe — so nennt man das Zeug doch, nicht? — ihr letztes Restchen gesunder Urteilskraft verschachert, dann stolpert sie geblendet von falschen, unechten Vorstellungen in ihren Alltag hinein. Wie viele dieser Wege am Rande der Straße, in Erziehungslagern und Gefängnissen enden, das soll hier nicht untersucht werden.

 

Das waren die falschen Bücherfreunde. Schade um sie!

 

Ein rechter Bücherfreund aber ist nach jedem Buch ein bisse wacher, heller und wissender geworden. Und mit der Zeit merkt er sogar, was das Buch von ihm will. Vielleicht denkt er dann auch einmal daran, Forderungen an das Buch zu stellen. Das ist nämlich sehr wichtig!

 

Was erwarten wir eigentlich von einem guten Buch? Es soll uns erheitern, es soll uns aufmuntern, unseren Gesichtskreis erweitern, es soll uns durch und um die Welt führen, neue Wege in das Leben zeigen — und vor allem zu uns selbst. Es soll uns nicht niederdrücken, nicht langweilen, es soll uns aber auch nicht hinwegtäuschen über Dinge, die nun einmal nicht zu ändern sind. Es soll uns lehren, wie man mit sich und seiner Umwelt fertig werden kann. Es gibt viele solcher wunderbaren Bücher und es lohnt sich schon, sich in sie hinein- und hindurch zu lesen.

 

Oft ist ein Buch in seiner Buntheit und in der Vielheit seiner Gestalten nichts anderes als eine Begegnung des Dichters mit sich selbst, in der er mit sich ringt, sich besiegt, sich erleidet. Indem ihm dies alles widerfährt, ringt er auch mit uns, besiegte er uns, erleidet er auch uns. Es ist etwas Eigenartiges um dieses inwendige Gestalten eines Dichters, immer wieder wird er zugleich ein großer Liebender, ein tief Leidender sein müssen. Denn alles, was er sagt und schreibt, muss durch sein Herz gegangen sein, nicht nur durch seinen Geist.

 

Und dies ist es auch, was solch ein Buch lesenswert macht: sein Durchdrungensein von einem inneren herzhaften köstlichen Jasagen zum Leid wie zur Freude, zur Einsamkeit wie zum Du, in das alle Schönheit und Vielfalt, alle Kraft und Glut, alle Helligkeit und Tiefe, alle Heiterkeit und Schwere, alle Weite und Nähe des Lebens, all seine Wärme, seine Innigkeit und Größe eingegangen ist. Barbara Lind.

 

Die Schrift ist die Trägerin des Edelsten, was die Menschheit errungen. Humboldt

 

Lesen ohne Nachdenken macht stumpf; Nachdenken ohne Lesen geht irre. Clairvaux

 

Seite 6   Bücherseltsamkeiten.

Das größte Buch der Welt ist ein anatomischer Atlas, der in der Bibliothek der Staatsgewerbeschule in Wien aufbewahrt wird. Das Werk ist 1,90 m hoch und 90 Zentimeter breit. An ihm wurde von 1823 bis 1830 gedruckt.

 

Das älteste Buch dürfte der „Prisse Payrus" (in der Nationalbibliothek, Paris) sein. Er stammt aus dem Jahre 3350 v. d. Z. und wurde von dem Gelehrten, nach dem er seinen Namen trägt, in einem Grabe bei Theben gefunden.

 

Das kleinste Buch misst 10 X 6 Millimeter. Es wurde 1897 in Padua gedruckt und enthält auf 208 Seiten u. a. einen noch nicht veröffentlichen Brief Galileis vom Jahre 1615.

 

Das schwerste Buch der Welt ist die „Geschichte von Ithaka", die ein habsburgischer Erzherzog am Anfang dieses Jahrhunderts unter dem Titel „Parga" veröffentlich hat. Es wiegt 48 Kilogramm.

 

Das teuerste Buch dürfte wohl die 42-zeilige Gutenbergbibel sein, für die vor längerer Zeit rund 1 300 000 Mark bezahlt wurden.

 

Das umfangreichste Buch ist der „T'uschu-tschi-tscheng", ein chinesisches Wörterbuch, das 5020 Bände mit je 170 Seiten umfasst. Es wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderts auf Befehl des Kaisers Kien-Lung gedruckt.

 

Das älteste bekannte Leinenpapier in Deutschland stammt vom Jahre 1239. Es ist ein von dem Grafen Adolpf von Schaumburg unterschriebenes Dokument, das jetzt in Rinteln an der Weser aufbewahrt wird.

 

Das älteste Kochbuch, von dem wir Kunde haben, findet sich in einer Würzburger Handschrift des 14. Jahrhunderts.

 

 

Seite 6   Aus Schulaufsätzen

„Was für die Pflanze der Mist ist, das ist für den jungen Menschen die Schule*“.

 

. . . endlich haben größere Flüsse noch den Nutzen, dass man einem ertrinkenden Menschen in einem Kahn zu Hilfe eilen kann, was in einem Bächlein nicht möglich ist“.

 

„Die Wirbelsäule ist ein zusammengesetzter Knochen, der den Rücken hinunterläuft. An ihrem oberen Ende sitzt der Kopf, am unteren Ende sitze ich“.

 

Seite 6   Briefmarkenecke. (mit Abbildung)

Nun seid ihr also schon beinah alte Hasen, mit allen Wassern gewaschen wie man so sagt — und ihr beherrscht euer „Hobby", Sammelgebiet „Ordensland", aus dem FF.

 

Aber langsam, langsam. Wie sieht es denn aber mit den notwendigen Voraussetzungen für das Sammeln von Briefmarken bei euch aus? Ich gäbe was drum, könnte ich einmal in eure Hefte, Schachteln und sonstigen Aufbewahrungsbehälter hineinschauen.

 

Erstes Grundgesetz des Briefmarkensammlers ist: Vorsicht, Behutsamkeit, Liebe!

 

Ja, mit Briefmarken muss man umgehen wie mit rohen Eiern oder hauchdünnen Glasschalen. Briefmarken, die beschädigt sind, sind wertlos. Die Marken dürfen aber niemals vom Umschlag abgerissen werden. Daher stets ausschneiden und in kaltem Wasser ablösen (lang genug weichen lassen!). Auf saugfähigem Papier trocknen lassen; Löschblätter müssen unbenutzt sein, da sich sonst Tintenflecke durch die Feuchtigkeit auf die Marken übertragen. Anschließend zwischen zwei Blättern in einem dicken Buch pressen.

 

An so behandelten Marken werdet ihr eure Freude haben. Von jetzt an nur noch mit Pinzette anfassen! Zur Aufbewahrung dient am besten ein Einsteckbuch. Mehr darüber erfahrt ihr nächstens. Heute noch schnell eine sehr schöne Briefmarke. Sie zeigt eine ostpreußische Volkstracht. Sie erschien 1935 in einer Serie Wohlfahrtsmarken (10 Werte), auf denen Volkstrachten aus allen Teilen Deutschlands abgebildet sind. Eine Briefmarkenserie von seltener Schönheit!

 

Seite 7   Gedenken an Bischof Kaller. Foto.

Am 7. Juli 1957 waren es zehn Jahre, das Maximilian Kaller, Bischof des deutschen Bistums Ermland in Ostpreußen, fern von seinem Bistum als Heimatvertriebener von uns schied und in Königstein seine letzte Ruhestätte fand. Stets um seine Mitvertriebenen besorgt, in Treue zu seinem Bistum und seinen Diözesanen, starb er nach aufopferungsvollen Jahren an gebrochenem Herzen. Unermüdlich predigend, versuchte er, die Schatten von den Gesichtern der Menschen zu nehmen, die Lebensangst und Not gezeichnet hatten.

 

Die Ermländer verloren an Bischof Kaller einen wahren Volksbischof, einen unerschrockenen Kämpfer für Wahrheit und Recht. Seine Liebe zum Bistum, zur Heimat und seinen Diözesanen konnte wohl nicht durchschlagender zum Ausdruck kommen als an seinem Bischofssitz Frauenburg, wo ihm gegen jedes Recht die Ausübung seiner Amtstätigkeit von unzuständiger Stelle untersagt wurde.

 

Angesichts dieser beispielgebenden Handlung Bischof Kallers bedarf es wohl keines weiteren Hinweises mehr, dass das Heimatrecht als Menschenrecht unabdingbar ist. Wenn wir in Liebe und Treue an unserer Heimaterde festhalten, heute und in Zukunft, so ist dies nicht mehr als ein geringer Dank gegenüber dem verpflichtenden Opfer, das Bischof Maximilian Kaller in schwerster Zeit fraglos und in selbstverständlicher Weise auf sich nahm. Arthur Thiel.

 

Seite 7   Franz Sliwinski holte die Eltern aus der Heimat. Der Amtsschimmel wiehert auch in Polen – Zivilcourage ist alles.

Franz Sliwinski, 82, und seine Frau Auguste, 80, können es noch nicht ganz glauben, dass sie jetzt in Westdeutschland sind. Es ist auch unglaublich. Der Sohn holte sie im Auto von Ostpreußenherüber, über die Tschechoslowakei, nachdem sie drei Jahre lang vergeblich auf eine Ausreisegenehmigung gewartet hatten. Der Sohn schaffte das Wunder. Unterwegs stiegen die alten Leutchen nicht einmals aus dem Wagen, drei Tage lang, sie fürchteten, man bringe sie wieder nach Ostpreußen zurück.

 

Die Bilanz des Lebens von Franz Sliwinski bis 1944: Ein Häuschen, eine Scheune, ein Pferd, drei Kühe, eine Dreschmaschine. Auch Hühner, Gänse und ein paar Ferkel stecken in Kernsdorf (Allenstein) immer im Stall. Frau Auguste hatte fünf Kinder geboren. Ein Sohn fiel in Frankreich, zwei Söhne und zwei Töchter überlebten den Krieg.

 

Die Russen kamen. Die Kinder flüchteten. Franz Sliwinski und Frau Auguste flüchteten nicht. Sie waren zu alt.

 

Zwölf Jahre lang warteten sie. Sie wollten zu ihren Kindern. Als es aber wieder ein Eisenbahnverbindung gab, gab es auch einen polnischen Staat, und der ließ sie nicht gehen. Die Polen brauchten angeblich Franz Sliwinski. Wozu? Arbeiten konnte er kaum. Er bekam 160 Zloty Rente im Monat. Das sind ungefähr sechszehn Mark. Frau Auguste sorgte dafür, dass auch ein wenig Kartoffeln und Gemüse da waren. Die Dreschmaschine, das Pferd und die Schweine waren längst nicht mehr da. Was beweglich war, wurde gestohlen.

 

Mit 72 Jahren musste Franz Sliwinski als Zwangsarbeiter zum Straßenbau. Dann ließ man ihn endlich nach Hause. Nicht, weil er zu alt war. Nur, weil er nicht mehr gehen konnte. Er wollte nur zu seinen Kindern.

 

Er stellte Anträge. Er erhielt nicht einmal eine Antwort.  Er war am Ende seiner Kräfte.

 

Kreuzweg der Bürokratie

Der jüngste Sohn, der 37-jährige Franz Sliwinski aus Eschwege, stellte seine Anträge in Deutschland. Er ist schwer kriegsbeschädigt. Seine beiden Füße sind amputiert. Er wollte seine Eltern noch einmal treffen. Er schrieb dem Roten Kreuz, dem Innenministerium, dem Bundeipräsidenten.

 

Es waren nicht die deutschen Behörden, an denen die Sache scheiterte. 1955 bekam er die Zuzugsgenehmigung für seine Eltern. Er schickte sie sofort nach Polen. Zwei Jahre lang ließ man sie auf den Schreibtischen herumliegen. Als sie endlich ausgehändigt wurden, sagte man den Sliwinskis: „Was wollen Sie mit dieser Zuzugsgenehmigung, die ist schon lange abgelaufen“. Sliwinski  Junior bat um eine neue Genehmigung, steckte sie in die Tasche und fuhr mit seinem Sohn Heinz einfach los, um seine Eltern zu holen.

 

17 Stationen hatte der Kampf, den Franz Sliwinski Junior gegen den zehnköpfigen Drachen der polnischen Bürokratie zu führen hatte: Fahrt nach Osterode, einen neuen Antrag stellen. Ein Beamter empfahl ihm, die Papiere von Stelle zu Stelle mitzunehmen, falls er nicht wolle, dass es Jahre dauere. — Mit dem abgestempelten Antrag nach Allenstein fahren. — Zurück nach Osterode. In Allenstein wurde ihm nämlich mitgeteilt, der Antrag sei nicht richtig ausgefüllt. Wieder Alleinstein. Jetzt stellte es sich heraus, dass alles in zwei Exemplare ausgestellt sein müsse. — Wieder Osterode. — Mit doppelten Papieren nach Allenstein zurück. — Nach Warschau, denn in Allenstein kann Franz nur dann einen Pass für die Eltern bekommen, wenn er eine Bestätigung aus Warschau bringt, dass die Eltern auch ein Ausreisevisum bekommen werden. Für die Bestätigung muss er 112 Mark in deutschem Geld zahlen. — Im Wolkenguss zurück nach Allenstein. Endlich verspricht man ihm: In 48 Stunden kann er den fertigen Pass der Eltern abholen. — Nach 48 Stunden: „Der Pass ist bei der Polizeikommandantur“. — Der Kommissar vom Dienst auf der Kommandantur: „Der Pass ist nicht angekommen“. — Eine sehr liebenswürdige polnische Dame hilft am Präsidium den Pass zu finden. Damit zurück zur Kommandantur. — Die Polizeikommandantur: Es fehlen drei Papiere, ohne die es nicht geht: Eine Bestätigung der Gemeindekasse, dass der Vater der Gemeinde nichts schuldet. Eine Bestätigung der Bankfiliale, dass er kein Darlehen aufgenommen hat, und ein Ausweis

vom Finanzamt, dass er keine Steuerschulden hat. — Zur Gemeindekasse. Es klappt. — Zur Bank. Klappt ebenfalls. — Zum Finanzamt. Es stellt sich heraus, dass Franz Sliwiski einen Zloty Steuerschulden hat. (Etwa zehn Pfennig.) Auch diese Schwierigkeit wird beseitigt. — Polizeikommandantur in Allenstein. Sie bekommen den Pass. — Warschau. Sie bekommen das Ausreisevisum.

 

Letzte Klippe

Die Eltern sitzen überglücklich im Wagen. Sie haben die polnische Grenze verlassen. Und jetzt, bei der tschechischen Überprüfung, stellt es sich heraus, dass sie auch ein Durchreisevisum für die Tschechoslowakei benötigen. Sie stehen zwischen den zwei Schlagbäumen. Nach Polen dürfen sie nicht zurück, in die Tschechei dürfen sie nicht herein. Sliwinski Junior gibt nicht auf. Er bekommt das Visum telefonisch aus Prag. Die Eltern steigen nicht aus dem Wagen, bis sie bei ihrem Sohn zu Hause sind. Nie wieder wollen sie zurück.

 

Seite 7   Mensch und Glaubenskämpfer. Kapitularvikar Prälat Arthur Kather gestorben.

Tiefe Trauer löste die Nachricht vom plötzlichen Tode des Kapitularvikars der Diözese Ermland, des Prälaten Arthur Kather, in den Herzen aller ostpreußischen Landsleute aus. Es gab wohl kaum eine andere Persönlichkeit, der in gleichem Maße die Verehrung nicht allein seiner katholischen Glaubensgenossen, sondern aller Menschen seiner Heimat ohne Unterschied der Konfession zuteilwurde wie gerade dem letzten Oberhirten der ermländischen Diözese. Sie galt vor allem dem Menschen Kather.

 

Nach dem plötzlichen Ableben des letzten Bischofs von Ermland, Maximilian Kaller, im Jahre 1947 wählte das neue Domkapitel der aus Ostpreußen vertriebenen deutschen Katholiken den früheren Elbinger Probst Arthur Kather zum Kapitularvikar der verwaisten Diözese im Ostland.

 

Ermland was das von der Saekularisation 1525 im Deutsch-Ordensland nicht erfasste Gebiet zwischen dem Frischen Haff und Masuren. Mit seiner Hauptstadt Braunsberg und mit dem bischöflichen Schloss in Frauenburg war es der ruhende Pol des katholischen Lebens in der nach dem Städtchen der bischöflichen Residenz bezeichneten Diözese unserer ostpreußischen Heimat. Breit und wuchtig strebte der Glockenfried des Domes zu Braunsberg gen Himmel. Ein Gustav Adolf von Schweden hatte im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges in ihm predigen lassen. Ein Napoleon I. hatte im Dämmerlicht des wohl im 13. Jahrhundert entstandenen Gotteshauses vor den dortigen Altären gestanden. Das Bischofsschloss in Frauenburg erinnert wiederum an den anfangs des 16. Jahrhunderts in ihm wohnenden Diözesan-Generaladministrator Nikolaus Kopernikus. Das ihm zu Ehren auf dem Domhof errichtete Denkmal grüßte weit in das Land hinein und über das Frische Haff und die Nehrung hinweg das Baltische Meer.

 

Arthur Kather wurde 1883 in diesem Ermland als erster Sohn des Schullehrers im Dorfe Prossitten geboren. Lehrer Kather wurde später an die Katholische Volksschule auf dem Löbenicht in Königsberg berufen. Dort erwarb er sich als ein erfolgreicher Pädagoge mit einem für die sozialen Belange aufgeschlossenen Herzen die Achtung weiter Kreise. Vor allem aber die Liebe der von ihm unterrichteten Kinder und die Dankbarkeit von deren Eltern. Diese Achtung der Menschen, besonders auch vor seiner starken Persönlichkeit, war das eine Vermächtnis des Vaters an seinen Ältesten. Das andere war dessen großes Verständnis für die Jugend.

 

Bischof Kaller betraute den Kaplan Arthur Kather in Braunsberg nach dem ersten Weltkrieg zunächst einmal mit dem Aufbau der männlichen Jugendarbeit im Diözesengebiet Ostpreußen. Kathers persönliche Qualitäten veranlassten den Bischof ferner, ihn nach Elbing als Probst von St. Nikolai zu berufen. Dort war 1924 das Amt neu zu besetzen, nachdem der allgemein beliebte Probst Küßner verstorben war. Die soziale Struktur in der Industriestadt Elbing mit der Aufgeschlossenheit ihrer Menschen für die weite Welt bedingte auf jener führenden Position in den zu vergebenden Ämtern Ostpreußens einen geistlichen Herrn in jeder Hinsicht hervorragenden Charakters. Arthur Kather war das ohne Zweifel.

 

Wer sich seiner als Feldgeistlichen der Reserve-Division Ostpreußen Nr. 1 noch erinnert, muss ihm auch in dieser Hinsicht das entsprechende Zeugnis ausstellen. Der Divisionspfarrer war nicht nur Seelsorger und von wahrem Menschentum erfüllt, sondern auch Soldat. Sich selbst gegenüber erschien er unerbittlich und wirkte gerade dadurch auch überzeugend und vertrauenerweckend. Unvergesslich seine Rede an die Soldaten vor deren ersten Einsatz 1916 in Galizien zur Abwehr der russischen Offensive unter General Brussilow. Der Divisionspfarrer verglich das Schicksal seiner Soldaten mit dem des Glaubenskämpfers Winfried.

 

In allen Lebensäußerungen dieses Mannes erwiesen sich immer wieder Sauberkeit und Volksnähe. Dieses war für die Nationalsozialisten vielleicht auch das entscheidende Moment, ihn 1940 aus Elbing und Ostpreußen (einschl. des westpreußischen Diözesenanteils) auszuweisen.

 

Papst Pius XII. ernannte den Domkapitular Kather 1949 zum Päpstlichen Hausprälaten und verlieh ihm zum 70. Geburtstag die Würde eines Apostolischen Protonotars. Bundespräsident Heuß hat ihn mit dem Großen Bundesverdienstkreuz geehrt.

 

Prälat Arthur Kather starb am 25. Juli 1957 im Alter von 74 Jahren infolge einer Lungenentzündung im Marienhospital in Osnabrück, nachdem er noch wenige Tage zuvor an dem Ermländertreffen in Münster teilgenommen hatte. F. R.

 

Seite 7   Der Tod in der Tucheler Heide. Ein Tatsachenbericht von Bruno Giersche.

Während des ersten Weltkrieges kommt es in der Tucheler Heide infolge des Förstermangels zu einem erbitterten Kleinkrieg zwischen Forstbeamten und Wilderern

 

Alle Wilderer aber übertrifft an Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit Paul Kleinschmidt, auf dessen Rechnung bereits dreizehn Opfer kommen. Die ausgesetzten Prämien für seine Ergreifung sind bereits auf 12 000 Mark geklettert. 1918 wird sogar ein Bataillon Gardeschützen eingesetzt. Jetzt treibt er sein Unwesen im dichten Waldgebiet der Oberförsterei Taubenfließ.

 

(5. Fortsetzung)

 

Eine Spur.

Einer der Soldaten bekommt eines Abends einen der Männer ins Fernglas, wie er sichernd auf einem heimlichen Fußpfad der verborgenen Hütte zustrebt. Er trägt einen grauen Anzug und auf dem Kopf die damals übliche „Kreissäge“. Die ganze Gestalt passt auf den Steckbrief von Kleinschmidt. Jetzt beschließt man, zuzugreifen.

 

In einer sternenhellen Mainacht kreist die Schützenkompanie das betreffende Jagen im weiten Umkreis ein und geht beim Morgengrauen auf ein verabredetes Uhrzeichen hin von allen Seiten gegen die Moorhütte vor.

 

Schon ist die Hütte in Sicht, doch drinnen regt sich nichts. Ein paar Schützen gehen gegen die Hütte mit entsicherten Gewehren vor. Da öffnet sich die Tür und ein uraltes Weib murmelt mit zahnlosem Mund ein unverstandes Kauderwelsch. Entsetzt hebt das grauhaarige Weib wie zur Abwehr die dürren Arme. Es ist das Urbild der Hässlichkeit.

 

D« krachen von drinnen Schüsse und es pfeift  haarscharf an den Schützen vorbei. Rasch sind die Soldaten in den Kreis der Kameraden zurückgesprungen. Von allen Seiten wird das Feuer auf die Hütte eröffnet. Endlich wird von drinnen nicht mehr erwidert. Die Soldaten dringen in die winzige Kate ein. Zwei Männerliegen auf dem Boden und geben nur noch ein schwaches Lebenszeichen von sich. Enttäuscht stehenn die Schützen um die beiden Wilddiebe.

 

Das alte Weib, das dicht daneben auf einem Lumpenbündel hockt, wischt sich wimmernd die blutige Wange. Sie scheint zu wittern was die enttäuschten Schützen denken.

 

„Nix KleinschmidtI" greint sie mit mahlenden, klappernden Kiefern.

 

Soll das eine Bestätigung oder soll das Hohn sein …

 

Der Teufel mag das wissen. Unbefriedigt verlassen die Schützen den wüsten Ort.

 

Die Gerichtskommission stellte später fest, dass es sich bei den zwei Toten um zwei langgesuchte Fahnenflüchtige handele, die wohl zu Kleinschmidts Bande gehört haben mochten. Aber Kleinschmidt selbst war nicht dabei.

 

Inzwischen verschlechterte sich draußen die Kriegslage von Monat zu Monat. Die Front benötigt dringend Ersatz. Und so wurde denn auch die Kompanie Gardeschützen in die Garnison zurückberufen.

 

Kleinschmidt war wieder unumschränkter Herr in der Tuchler Heide.

 

7.

In dieser Zeit diente ich als blutjunger Rekrut bei dem 2. Jägerbataillon zu Kulm an der Weichsel. Als nun die Gardeschützen als Forstschutz abberufen wurden, übernahm meine Kompanie im Mai 1918 unter Führung unserer Oberjäger, die zumeist alte erfahrene Förster waren, diesen Dienst. Wir waren Burschen von 18 Jahren und eben einberufen. Dies mochte Kleinschmidt wohl schon genügen, uns gar nicht ernst zu nehmen.

 

Inzwischen hatte er seine Blutschuld um einen neuen Förstermord erhöht. Von unserer Anwesenheit nahm er nicht die geringste Notiz sondern trieb seine Tollkühnheit auf die Spitze. Uns erging es genauso wie den Gardeschützen. Kamen wir von einer Streife heim, so knallte Kleinschmidt hinter unserem Rücken mit seiner Bande schon wieder drauf los. Da beschlossen unsere Oberjäger, die aus erfahrenen Forstbeamten bestanden, zu einer neuen Bekämpfungsart des Banditen überzugehen. Täglich wurde ein gefährdetes Waldgebiet umstellt und durchgekämmt.

 

Bei solcher Gelegenheit gingen wir einmal einen Stangenbestand mit viel Unterholz durch. Da bekam der Oberjäger Gresens, der als bester Schütze im Bataillon bekannt war, Kleinschmidt auf etwa 40 Schritt zu Gesicht, wie er mit langen Sätzen, eine Flinte in der Hand, nach rechts absprang.

 

„Halt!" rief Gresens und hatte schon die Büchse in Anschlag.

Kleinschmidt hetzte weiter.

Gresens riss durch!

„Knack", sagte der Abzug! -- Versager!!

Wütend, lud Gresens blitzschnell durch. Er hatte Glück! Noch einmal bekam er Kleinschmidt auf etwa 80 Schritt ins Visier!

„Knack", zum zweiten Mal!

Wieder ein Versager!

„Verflucht!" tobte Gresens und hätte seine Büchse am liebsten gegen die nächste Kiefer geschlagen.

Der Bandit war verschwunden.

 

 „Mehr als zwanzig Jahre stehe ich im Forstdienst. Noch nie habe ich mit dieser Büchse einen Versager erlebt! Und grad heute muss es passieren — und gleich zweimal hintereinander ... Ich könnte bald selbst glauben, dass der Halunke mit dem Teufel im Bunde steht!"   

 

Die Streife ging Stunde für Stunde weiter.

 — Natürlich, wie jetzt vorauszusehen war, ohne Erfolg. Gegen Mittag, als wir uns von allen Seiten auf der Straßenkreuzung dicht vor der Oberförsterei Taubenfließ trafen, machten wir Halt. Die Oberjäger traten zur Beratung zusammen. Gresens konnte sich noch immer nicht beruhigen Er schilderte noch einmal den Vorfall ausführlich in allen Einzelheiten und schimpfte dabei wie ein Rohrspatz.

 

„Und wie sah der Kerl heute aus?" wollte jemand wissen.

„Er trug die Kluft eines Kriegsgefangenen!" erklärte ihm Oberjäger Gresens.

In diesem Augenblick kam ein Mann mittleren Alters auf einem Rad vorbeigefahren. Er war von untersetzter Gestalt, trug einen hellgrauen Zivilanzug und auf dem Kopf eine „Kreissäge".

Laut bot er mit einem harten Akzent einen „Guten Tag" und radelte rasch vorüber.

 

Niemand beachtete den Fremden. Nur Oberjäger Kruhl blickte ihm während des angeregten Gesprächs aufmerksam nach. Dann rief er plötzlich aus:

„Ja, sind wir denn alle des Teufels? Das war doch Kleinschmidt, der hier eben vorbeiradelte!"

 

Mit verblüfften Gesichtern wandte sich alles um. Derweil aber war Kleinschmidt bereits in der Ferne hinter einer Wegbiegung im Walde verschwunden.

 

Ein ebenso tolles Stück leistete sich der Bandit einige Tage später fast an der gleichen Stelle. Ein Hegemeister schickte seinen Forstlehrling in der Mittagsstunde mit einem Dienstschreiben zur Oberförsterei. Etwa 100 Meter vor dem Gebäude der Oberförsterei, wo der Weg dorthin von der Hauptstraße abbog, sprang plötzlich Kleinschmidt aus dem Straßengraben, riss den verdutzten Forstlehrling vom Rade, nahm ihm Buchse und Fahrrad ab und verabfolgte dem jungen Menschen zwei Ohrfeigen, mit dem höhnischen Bemerken: Ein Gewehr sei kein Spielzeug für Kinder.

 

Im Büro der Oberförsterei war man auf diesen Vorfall aufmerksam geworden. Aber ehe dort die Beamten zu den Waffen griffen und hinausstürmten, hatte sich Kleinschmidt auf das gestohlene Rad geschwungen und war längst auf und davon.

 

Solche und ähnliche Stücke ließen den Banditen in der Achtung und Verehrung seiner Landsleute maßlos steigen. In Stadt und Land stellte man sich ganz offen hinter ihn und bot ihm jeden nur möglichen Schutz und alle Unterstützung. So konnte es denn geschehen, dass Kleinschmidt am hellichten Tage in den Straßen von Czersk herumstrich, sich am Jahrmarktstag stundenlang mit seinen Frauenzimmern auf dem Rummelplatz herumtrieb und die Gaststätten aufsuchte, wo die Einheimischen verkehrten.

 

Bekam die Polizei durch Zufall von seiner Anwesenheit Wind, dann war er jedes Mal rechtzeitig gewarnt und spurlos verschwunden.

 

Auch für den Forstschutz und für die Forstbeamten wurde der Fahndungsdienst nach dem Verbrecher immer aussichtsloser. Da er jetzt die Heide abradelte, konnte er täglich ein viel größeres Waldgebiet als früher beunruhigen. Zudem wechselte er gewöhnlich mehrmals am Tage die Kleidung.

 

So konnte es geschehen, dass man ihn vormittags in der Kleidung eines Kriegsgefangenen gesehen hatte. Eine Stunde später kam dann aus einer ferneren Försterei die Nachricht, Kleinschmidt sei im Revier in Zivilkleidung gesehen worden. Und am Nachmittag gab die benachbarte Oberförsterei telefonisch durch, dass sich Kleinschmidt in einem dortigen Revier in Försteruniform gezeigt habe.

 

Gerade das Letzte verwirrte die Forstkommandos und lähmte ihre Entschlussfähigkeit. Denn in jenen Tagen kam es häufig vor, dass einer der einberufenen Förster auf Urlaub kam.

 

Wenn der Förster dann einen Gang ins Revier machte und auf eine Jägerstreife stieß, so waren die Soldaten immer im Zweifel, ob sie es mit einem „echten Förster" oder etwa mit dem gesuchten Kleinschmidt zu tun hatten.

 

Dem aber kam diese Wirrnis richtig gelegen. Er und seine Bande knallten wild in der Heide herum, und es war jetzt im Juni 1918 so weit gekommen, dass fast der ganze Wildbestand des riesigen Waldgebietes vernichtet war.

 

Und doch sollte nun auch für Kleinschmidt die letzte Stunde schlagen. Er mochte es wohl nicht ahnen, wie dicht ihm diese Stunde bevorstand.

 

8.

Der letzte Gang

Da ist unter uns der Jäger Vollmelier. Er ist ein blutjunger Mensch wie wir anderen alle, die hier im Streifendienst als Forstschutz eingesetzt sind.

 

Doch eins hat uns Vollmeller voraus. Er ist Forstgehilfe und weiß sich auf Grund seiner Lehrzeit in solch einem riesenweiten Waldgebiet ganz anders zu bewegen als wir, die wir aus anderen Berufen oder von der Schulbank gekommen sind. Dazu hat er seine eigene Büchse mit Zielfernrohr bei sich und trägt ein gutes Prismenglas.

 

Vollmeller ist dem Streifendienst in der Nachbarförsterei zugeteilt. In diesen Tagen — es ist Mitte Juni — ist der Streifendienst besonders ermüdend; denn die langen heißen Tage werden nur von kurzen schwülen Nächten abgelöst und man bleibt immer auf den Beinen.

 

Im Morgengrauen des 18. Juni ist Vollmeller mit seiner Streife vom Nachtdienst ins Försterhaus zurückgekehrt. Sie hatten nichts Auffälliges beobachtet und ließen sich in der Laube vor der Försterei zum Morgenkaffee nieder, um dann hinterher ein paar Stunden zu schlafen.

 

Soeben hatte die Försterfrau die Tassen mit dem heißen Getränk gefüllt und will gerade das Brot herumreichen, da fällt in der Nähe ein Schuss.

Vollmeller ist aufgesprungen.

„Das war in Jagen 8!" stellt sein geübtes Ohr fest. „Wisst ihr, dort, wo wir gestern die frischgestellten Schlingen vorfanden!"

 

„Laß uns zufrieden!“ erwidern ihm die Kameraden müde und verdrossen. „Dieser verflixte Kleinschmidt führt uns doch bloß an der Nase herum!"

 

„Aber ich will doch mal nachsehen, was da los ist!" beharrt Vollmeller in seinem Entschluss. „Die Sache kommt mir nicht astrein vor“.

 

Anpirschen

Damit hat er schon nach Büchse und Glas gegriffen und eilt ins Revier zurück. Jagen 8 liegt gleich hinter der Försterei. Er hält auf die linke Ecke zu, die er durch einen Fußsteig abschneidet. Dann schreitet er vorsichtiger aus; denn dort an dem hohen Wacholderstrauch ist die Schonung zu Ende und es beginnt das lichte Stangenholz. Er weiß von früheren Streifengängen her, dass dort ein etwa 300 Meter langes Gestell die Grenze bildet.

 

Also schiebt er sich zunächst einmal hinter den bergenden Wacholderstrauch, um das Gestell zu überblicken. In diesem Augenblick geht die Sonne auf. Er hat es günstig angetroffen; sie steht ihm im Rücken. Rosenrotes Morgenlicht huscht um die Stämme und taucht die düsteren Kronen in blankes Gold.

 

Drinnen im Bestand erwacht die kleine Vogelwelt und beginnt ihr vielstimmiges Frühkonzert.

 

Jetzt späht Vollmeller mit seinem Glas vorsichtig das Gestell ab. Und was er da nun sieht, lässt sein Herz bis hoch in den Hals hinauf schlagen.

 

Denn da steht mitten auf dem Gestell im vollen Licht der Morgensonne eine breite untersetzte Gestalt in Försteruniform. Er ist gute 120 Schritt von ihm entfernt. Durch das Glas kann Vollmeller feststellen, dass die Uniform die der Unbekannte trägt, eingerissen und von Blut besudelt ist. Zudem muss sich jener tagelang nicht rasiert haben.

 

Eins steht fest, das kann kein Förster sein. Neben dem Unbekannten liegt ein Rucksack auf dem Boden, aus dem der Kopf eines Rehs heraussteckt. Über dem Rucksack liegt die Büchse.

 

Jetzt langt der Unbekannte in die Tasche, holt Kamm und Spiegel hervor und beginnt ausgerechnet auf dieser einzusehenden Stelle mit der Morgentoilette.

 

Inzwischen ist Vollmeller ganz ruhig geworden. Für ihn steht es fest: Der dort auf 120 Meter vor ihm — das ist Kleinschmidt, der langgesuchte Förstermörder.

 

Ruhig geht Vollmeller in Anschlag, entsichert — sticht und legt den Finger an den Abzug.

 

„Hände hoch!" ruft seine Stimme.

Katzenartig wie ein Raubtier will jener nach seiner Büchse greifen. Doch da zerreißt schon Vollmellers Schuss die morgendliche Stille des Waldes, und das Morgenkonzert der kleinen Vogelwelt verstummt urplötzlich in weitem Umkreis.

 

Drüben aber sackt der Unbekannte schwer in die Knie und schlägt dann wie ein Stein vornüber zu Boden.

 

Mit geladener Büchse geht Vollmeller auf den Wilddieb zu. Man muss bei diesen Burschen vorsichtig sein. So mancher hat sich schon tot gestellt, um dann im günstigen Augenblick dem überraschten Forstbeamten an die Kehle zu springen. Auch Kleinschmidt hatte auf diese hinterhältige Weise einen Förster gemordet.

 

Doch hier muss Vollmeller gleich feststellen, dass seine Vorsicht nicht nötig gewesen war. Er hatte den Wilddieb durch das Herz getroffen.

 

In kürzester Zeit war die Gerichtskommission zur Stelle. Und was eigentlich von vornherein feststand, wurde von der Kommission nach eingehender Untersuchung bestätigt:

 

Vollmeller hatte Paul Kleinschmidt, den schlimmsten Förstermörder aller Zeiten, den schlimmsten Mörder, zur Strecke gebracht.

 

Und als ihm der Staatsanwalt dazu gratulierte, da meinte er still, er sei überglücklich, dass er diesen Schuss getan, weil er als jüngster Forstbeamter an dieser Bestie endlich seine toten Kameraden habe rächen können, die doch nichts anderes als ihrer Pflicht getan. —

 

Unter der Bevölkerung aber löste Vollmellers Schuss gesteigerten Hass und höchste Wut gegen alle Förster und Streifenkommandos aus. Kleinschmidt wurde nicht wie ein Verbrecher, sondern wie ein Nationalheld in Czersk begraben. Sein Trauergefolge schätzte man auf 7 — 8000 Personen.

 

In den entlegenen Heidedörfern aber ging noch viele Jahre später die Legende um, Kleinschmidt sei gar nicht tot. Er habe sich nur in ein anderes fernes Revier begeben, wo er unter einem anderen Namen herrsche und jage. — Ende —

 

Seite 8   Eltern suchen ihre Kinder

Tausende ostpreußische Eltern und Angehörige suchen noch immer ihre Kinder, die seit der Vertreibung aus der Heimat verschollen sind. Wer Auskunft geben kann, schreibe bitte sofort an den Kindersuchdienst Hamburg - Osdorf Blomkamp 51, unter Angabe von Namen, Vornamen, Geburtsdatum und Ort des Kindes sowie die gleichen Angaben der Angehörigen und ihre Heimatanschrift von 1939. Landsleute helft mit, dass Schicksal der Vermissten aufzuklären

 

Aus Allenburg, Kreis Wehlau, Königstraße werden Martin Krause, geboren etwa 1942 und Günther Krause, geboren etwa 1938 in Allenburg, gesucht von ihrer Tante Martha Krause, geboren am 19. Januar 1906 in Groß Plauen, Kreis Wehlau. Auch die ältere Schwester, Margot Krause, geboren 1935, wird noch gesucht.

 

Aus Birkenhausen, Kreis Insterburg wird Irmgard Ukat, geboren am 16. April 1940 in Birkenhausen, gesucht von Elisabeth Ukat, geborene Matzkeit, geboren am 12. Juni 1902. Irmgard Ukat ging mit ihrer Mutter Grete Ukat und ihrem Onkel Fritz Hofer auf die Flucht. Die letzte Nachricht war vom 22. Januar 1945 aus der Gegend von Preußisch Holland, respektive Näglack, Kreis Mohrungen/Ostpreußen. Von hier aus sollen sie nach Rügen gekommen sein.

 

Aus Bismarck, Kreis Heydekrug wird Gerhard Klaus Egon Lehahn, geboren am 18. September 1942 in Bismarck, gesucht von seinem Vater Leonhard Lehahn, geboren am 11. August 1915. Das Kind befand sich bei seiner Großmutter Else Meding oder Möding. Die Großmutter ist verstorben. Das Kind soll mit einem Kindertransport nach dem Westen gekommen sein. Es hat braune Augen, braunes Haar und eine kleine Einbuchtung am Hinterkopf. Es ist möglich, dass Gerhard Lehahn mit Nachnamen auch Meding oder Möding genannt wird.

 

Aus Ellernbruch, Kreis Gerdauen wird Harry Siegfried Stuffmann, geboren am 9. September 1941, gesucht von seiner Mutter Elsa Stuffmann, geboren am 15. Dezember 1923. Der Junge hat in Begleitung seiner Tante Erika Thiele und seiner Großmutter, am 18. Januar 1945 Ellernbruch verlassen. Von Gerdauen aus sollte die Fahrt nach Berlin angetreten werden. Das Kind nannte sich selbst „Halli Tuffmann". Es hatte als besonderes Merkmal einen kleinen roten Fleck auf der rechten Wange.

 

Aus Friedrichsgnade, Kreis Memel, bei Hans Perkams, wird Johann Schudnagies, geboren am 10. Mai 1939 in Gündullen, gesucht von Georg Schudnagies, geboren am 9. März 1912. Die älteren Geschwister: Hans und Ruth Schudnagies, werden auch noch gesucht.

 

Aus Grundweiler, Kreis Schloßberg wird Edeltraut Mischereit, geboren am 6. Mai 1940, gesucht von ihrem Vater Kurt Mischereit, geboren am 5. Januar 1908. Edeltraut Mischerei ist mit ihrer Mutter Gertrud Mischereit, geborene Kindler, geflüchtet. Die Mutter wird auch noch gesucht. Die letzte Nachricht kam etwa Ende März 1945 aus Pillau/Ostpreußen.

 

Aus Heiligenbeil, Markt 23 wird Siegfried Hill, geboren am 11. August 1941 in Grünau, gesucht von seiner Großmutter Klara Hill, geboren am 14. Dezember 1895. Siegfried Hill soll mit seiner Mutter, Erna Hill, im Februar 1945 Heiligenbeil verlassen haben.

 

Aus dem Kreiskrankenhaus in Heiligenbeil wird Bruno Schwarz, geboren am 4. März 1942, gesucht von seiner Mutter Theresa Schwarz. Bruno Schwarz wurde Ende Februar 1945 in Heiligenbeil verwundet und kam in das Kreiskrankenhaus. Er hat blaue Augen und hellblondes Haar. Bruno Schwarz wurde am rechten Oberschenkel verwundet. Die Schwestern im Kreiskrankenhaus nannten ihn „Rudi".

 

 Aus Insterburg, Boelckestraße 102 wird Klaus-Dieter Untereiser, geboren am 20. April 1942, gesucht von seinem Vater Fritz Untereiser. Der Knabe kam mit seiner Mutter auf der Flucht bis Stolp, Schlawerstraße 80. Von dort aus sollen Mutter und Kind im März 1945 nach Gotenhafen gegangen sein, weil sie mit dem Schiff weiterflüchten wollten.

 

Aus Königsberg, Kapornerstraße 19 a wird Gisela-Traute Sahm, geboren am 17. April 1943, gesucht von ihrem Onkel Oskar Sahm. Die Mutter des Kindes, Traute Sahm, geboren am 7. Oktober 1926, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Königsberg, Am Bahnhofswall 4 wird Brigitte Wiechert, geboren am 1. Mai 1942, gesucht von ihrem Großvater Carl Wiechert, geboren am 18. Juli 1896.

 

Aus Königsberg, Philosophendamm 5 werden die Geschwister: Bernd Hiltner, geboren am 28. Juni 1944 und Jürgen Hiltner, geboren am 19. März 1942, gesucht von ihrem Vater Hans-Joachim Hiltner. Die Kinder kamen nach dem Tode ihrer Mutter und ihrer Tante in ein Waisenhaus in Ostpreußen.

 

Aus Königsberg, Ziegelstraße 8 wird Liane Hippler, geboren am 8. August 1943, gesucht von ihrem Vater Ewald Hippler, geboren am 31. Mai 1914. Liane Hippler wurde 1946 in das Krankenhaus der „Barmherzigkeit" in Königsberg/Preußen eingeliefert.

 

Aus Königsberg-Neudamm wird Gerhard Böhnke, geboren am 18. Dezember 1941, gesucht von Kurt Böhnke, geboren am 20. November 1909 in Liepnicken.

 

Aus dem Waisenhaus in Königsberg werden die Geschwister: Irmgard Trampenau, geboren am 4. Novenber 1941, Klaus Trampenau, geboren am 29. August 1940 und Werner Trampenau, geboren am 2. Dezember 1938, gesucht von ihrer Tante Charlotte Neujahr.

 

Aus Klausmühlen, Kreis Memel werden die Geschwister: Werner Skrandies, geboren am 26. September 1943, Adolf Skrandies, geboren am 26. September 1941, Ruta Skrandies, geboren am 4. Oktober 1939, Ida Skrandies, geboren am 28. März 1937 und Martha Skrandies, geboren am 7. September 1935, gesucht von ihrem Vater Fritz Skrandies, geboren am 31. Januar 1906 in Löbarten. Die Mutter, Wally Skrandies, geborene Kaulekies, geboren am 3. April 1907 wird ebenfalls noch gesucht. Die letzte Nachricht war aus Böhmen/Mähren.

 

Aus Memel wird Erich Broschinski, geboren am 21. September 1933, gesucht von seiner Mutter Anna Mikalauskas.

 

Aus Preußisch-Holland, Mühlhausener Straße 15 wird Siegfried Neubert, geboren am 16. Januar 1944, gesucht von seiner Tante Maria Andreas, geboren am 13. November 1903. Die Eltern des Kindes: Bruno Neubert, geboren am 21. Januar 1915 und Berta Neubert, geboren am 14. Juni 1917, werden auch noch gesucht.

 

Aus Roczwozien, Post Zaromien, Kreis Mielau werden Jochen Weick, geboren am 4. Mai 1938 und Günther Weick, geboren am 2. Mai 1937 in Dreweningken, gesucht von ihren Tanten Erna Tucher, geborene Weick und Frieda Ohm, geborene Weick.

 

Aus Allenstein, Marienhospital, wird Kurt Sombetzki, geboren am 7. April 1944 in Fittigsdorf. gesucht von seiner Mutter Anna Zombecka. Kurt Sombetzki kam mit einer Ohr- und Lungenentzündung im Januar 1945 in das Marienhospital in Allenstein. Er hatte blaue Augen, blondes Haar und muss hinter dem linken Ohr eine Narbe haben. Es ist möglich, dass Kurt Sombetzki über Danzig abtransportiert worden ist.

 

Aus Dünen., Kreis Elchniederung, wird Heins Pallasdies, geboren am 6. September 1935 in Dünen, gesucht von Wilhelm Pallasdies, geboren am 15. Mai 1885.

 

Aus Eydtkau, Hindenburgstraße 59, Kreis Ebenrode, wird Hans-Dieter Gröchel, geboren am 15. April 1942, in Eydtkau, gesucht von seiner Mutter Berta Gröchel. Der ältere Bruder Alfred Gröchel, geboren am 25 Juli 1928, wird ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Gentken, Kreis Johannisburg, wird Horst Herscher, geboren am 31. Juli 1937, gesucht von Gottlieb Herscher, geboren am 3. Oktober 1888.

 

Aus Godrienen, Kreis Samland, werden Marianne Nagel, geboren, am 5. Mai 1944 in Königsberg. Monika Nagel, geboren am 10. Juni 1942 in Königsberg, und Roswitha Nagel, geboren am 12. Oktober 1940 in Königsberg, gesucht von ihrem Vater Otto Nagel, geboren am 24. November 1914.

 

Aus Herzogsrode, Kreis Goldap, werden Irmgard Pinnau, geboren am 31. März 1942 in Herzogsrode, und Erna Pinnau, geboren am 5. Dezember 1939 in Herzogsrode. gesucht von ihrem Vater Ernst Pinnau, geboren am 28. Januar 1902.

 

Aus Hochlindenberg, Kreis Gerdauen, wird Alfred Hoffmann, geboren 1938, gesucht von Antonie Guddas. Die Eltern Rudolf Hoffmann, geboren 1889, und Gertrud Hoffmann, geboren am 23. Oktober 1899, sowie die älteren Geschwister Ruth Hoffmann, geboren 1933, und Heinz Hoffmann, geboren 1935, werden ebenfalls noch gesucht.

 

Aus Johannisburg, Lindenstraße 3, wird Ulrich Gemballa. geboren am 28. September 1937 in Johannisburg, gesucht von Berta Feledziak geb. Gemballa, geboren am 28. Dezember 1894.

 

Aus Karlshof bei Damerau, Kreis Samland, werden Ursula Ogonowski, geboren am 20. Mai 1938 in Mantau, und Horst Ogonowski, geboren am 2. Januar 1941 in Mantau, gesucht von ihrem Vater Fritz Ogonowski, geboren am 14. Juni 1895.

 

Seite 8   Bücherpaten für die Ostgebiete gesucht

Das Deutsche Rote Kreuz sucht Bücherpaten, die bereit sind, Deutsche in den Oder-Neiße-Gebieten periodisch mit Buchsendungen zu betreuen. Die Buchsendungen werden vom Roten Kreuz selbst nach den Wünschen der in der Heimat zurückgebliebenen Deutschen zusammengestellt und dem Paten kostenlos übermittelt. Der Pate hat nur die Portokosten zu tragen, ist dabei auch nicht zu einem persönlichen Briefwechsel genötigt und kann die zeitlichen Abstände, in denen er die Buchsendungen aufgibt, selbst bestimmen.

 

Anlass zu dieser Aktion gaben dem Roten Kreuz zahllose briefliche Wünsche von Deutschen in den Oder-Neiße-Gebieten nach verschiedenartigster deutschsprachiger Literatur. Darunter befinden sich ebenso Kochbücher und Schnittmuster wie wissenschaftliche Werke, Jugendbücher, klassische und Unterhaltungsliteratur usw. Bereitschaftserklärungen erbittet das Rote Kreuz an den DRK-Suchdienst in Hamburg. Gleichzeitig allerdings bittet das Rote Kreuz eindringlich, nur die von ihm angegebene Literatur in die Ostgebiete zu versenden, da für andere Bücher keine Gewähr übernommen werden kann. Die polnische Regierung hat die Aktion bisher nicht gestört, andererseits aber auch keine Garantie dafür gegeben.

 

Seite 8   Kindersteckbriefe mit Foto.

Name: Fröhlich

Vorname: Lucie

geboren: etwa 1939

Augen: grau-blau

Haar: mittelblond

 

Name: Fröhlich

Vorname: Gerda

geboren: 10.08.1942

Augen: grau

Haar: blond

Die Geschwister Fröhlich sollen sich zuletzt zusammen mit ihren weiteren Geschwistern Erika Fröhlich, geb. 30 11.1940, und Hans-Joachim Fröhlich, geb. 1942/1943, sowie mit der Mutter, Frau Edith Fröhlich, in Landsberg/ Warthe befunden haben. Die Mutter ist angeblich in einem Krankenhaus in Landsberg/W. verstorben Der Vater, dessen Personalien nicht bekannt sind soll angeblich gefallen sein. Es besteht die Möglichkeit, dass die Familie Fröhlich aus Ostpreußen stammt. Bild Nr. 0855.

 

Name: vielleicht Verpathe,

Vorname: Gerda oder Monika,

geb.: etwa 1937,

Augen: braun,

Haar: dunkelblond.

Das Mädchen wurde Juli 1945 in der Nähe des Stettiner Bahnhofs in Berlin aufgefunden. Es kann sein, dass es zu einem Aussiedlungstransport gehörte. Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass es durch Kriegsgeschehen in Berlin von den Angehörigen getrennt wurde. Gerda oder Monika erinnert sich an 6 Geschwister: Paul, Werner, Gerhard, Alfred und Helmut. Die Mutter ist anscheinend verstorben. Vielleicht starben auch einzelne Geschwister. Der Vater soll von einem Auto oder Panzerwagen überfahren worden sein. Es ist fraglich, ob diese Erinnerungen den Tatsachen entsprechen. Anfangs soll das Mädchen als Heimatort einen ähnlich klingenden Namen wie „Alt-Polte" genannt haben. Es ist möglich, dass es sich um ein ostpreußisches Kind handelt. Bild Nr. 2874.

 

Name: Grabies (fraglich).

Vorname: Hans,

geb.: etwa 1944,

Augen: blaugrau,

Haar: dunkelblond. —

Es ist möglich, dass der Heimatort des Knaben Memel ist. Gesucht werden Angehörige. Bild-Nr. 02491

 

Seite 8  Bildsuchlisten

Die Bilder von etwa 300 000 Wehrmachtsvermissten und etwa 50 000 Bilder von verschollenen Kriegsgefangenen fehlen bis jetzt noch dem Roten Kreuz, das gegenwärtig die Herausgabe der Bildsuchlisten für Vermisste und Verschollene vorbereitet. In letzter Zeit wurden erneut rund 701000 Vermisstenangehörige angeschrieben/um die noch ausstehenden Bilder zu beschaffen. Daraufhin gingen etwa 12 000 Bilder vermisster Angehöriger beim DRK ein.

 

Die Vermisstenkartei umfasst gegenwärtig 1 243 000 Angehörigenmeldungen über Vermisste. Das DRK hofft, dass die ersten Bildlisten Ende 1957 erscheinen können.

 

Seite 8   Kriegsgräberfahrt in Ostgebiete

Die erste Gemeinschaftsfahrt zu Kriegsgräbern in den polnisch verwalteten Gebieten Nieder- und Oberschlesiens will der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge im September durchführen. Auskünfte erteilt die Geschäftsstelle der Kriegsgräberfürsorge, Kassel, Ständeplatz.

 

Seite 9   Entdeckung der Kurischen Nehrung. Von Heinrich Eichen.

Als wir, eine unbeschwert fröhliche Jugendgruppe, in den zwanziger Jahren zum ersten Mal auf der Fahrt zur Kurischen Nehrung zogen, waren wir noch sehr jung, so jung, dass wir völlig unvorbereitet dorthin wanderten. Wir wussten nur, dass sie berühmt war, und hatten gelesen, dass Alexander von Humboldt, der große Weltreisende, von ihr gesagt hatte, man müsse sie fast ebenso gesehen haben wie Spanien und Italien, wenn einem nicht ein wundersames Bild in der Seele fehlen solle.

 

Von Cranz aus waren wir nach Sarkau gekommen, dem ersten Fischerdorf auf der Nehrung, bis zu dem es noch Autoverkehr gab. Der Weg schien uns eintönig, und von Merkwürdigem merkten wir nichts. Wir blieben zwei Tage dort und fanden den Haffstrand schön. Besonders gefiel uns das Flundern räuchern, das alte Frauen, vor kleinen Tannenzapfenfeuern kauernd, besorgten, und wir aßen die fettriefenden goldbraunen Fische direkt von der Stange mit großem Behagen. Wir waren auch auf dem kleinen Kirchhof, und es machte auf uns großen Eindruck, dass so viele Männer des Dorfes ertrunken waren, sogar ein Vater mit zwei Söhnen gemeinsam, und dass doch immer wieder neue Jungen Fischer wurden.

 

Am nächsten Morgen gingen wir am Haffufer weiter. Immer ferner versank das gegenüberliegende Festlandufer unter den leise wiegenden Wassern des Haffs, immer höher stieg das blendende Weiß der Dünen neben und vor uns empor. Und dann standen wir plötzlich still und wagten nicht weiterzugehen. Denn in der nahen Bucht lagen so merkwürdige Kähne, dass wir glaubten, dort würde ein Film aus lange versunkener Zeit gedreht. Bis wir allmählich dahinterkamen, dass diese Schiffe, die uns in Sarkau nicht aufgefallen waren, die auf der Nehrung üblichen Fischerboote waren: Keitelkähne mit flachen, kiellosen Böden, hochgeschwungenem Bug und geschnitztem Holzwimpel oben am Mast. Wir liebten diese Kähne vom ersten Augenblick an; doch am schönsten fanden wir sie, den Schein der sinkenden Sonne auf ihren braunen Segeln, hoch mit Heu beladen, von den Wiesen des unsichtbaren Festlandes drüben langsam über die weite Fläche des Wassers herüber kamen, eine Flotte des Friedens, eine Flotte des Segens.

 

Wir besuchten Rossitten und waren natürlich auch in der Vogelwarte Professor Thienemanns, in der das Fotografieren verboten war. Wir taten es trotzdem, mit unter den Jacken verborgenen Apparaten, weil wir fanden, dass Bilder von der Vogelwarte unbedingt zu den übrigen Fotos von der Kurischen Nehrung gehörten. Wie standen staunend am Möwenbruch, wo abertausende Möwen nisteten und Aberhunderte von ihnen mit unvorstellbarem Geschrei und Gekreisch über uns lärmten. Wir waren am Schwarzen Berg bei den Segelfliegern, lachenden Jungen, die, braun wie Mulatten, unermüdlich ihre Flugvögel die brennenden Hänge der Dünen hinaufschleppten, um danach über Palwe, Haff und Strand schwerelos durch den gleißenden Tag zu schweben, lautlos, ausgenommen vielleicht den verfügten Gesang eines besonders Fröhlichen von seinem luftigen Sitz herab.

 

Wir tippelten dann nach Pillkoppen, wo kein Dampfer anlegte, sondern, bei Voranmeldung, ein Ruderboot vom Dorf weit hinaus zum stoppenden Dampfer fuhr, um Sommergäste an Land oder zurück zum Schiff zu bringen. In diesem herrlichen stillen Dorf, das wir in weiteren Jahren immer wieder zu längerem Bleiben aufsuchten, trafen wir den Königsberger Maler Emil Stumpp, den wir sofort nach seinem in Robert Budczinskis Ostpreußenkalender veröffentlichtem „Selbstbildnis mit Hilde erkannten und daraufhin ansprachen. Das machte ihm Spaß, und wir sahen ihm öfters beim Malen und Zeichnen zu, und Hilde, die inzwischen aus dem Kleinkind ein großes Mädchen geworden, war auch dabei. Hier trafen wir auch einen Studienrat, einen Freund Ernst Wiecherts, und er erzählte uns viel von dem Dichter und, wie wir im nächsten Winter erfuhren, diesem auch von uns, denn als er an einem Abend aus eigenen Werken las, fragte er vor Beginn in den Saal hinein, ob auch ich da wäre, weil er mich gern gesprochen hätte.

 

Hinter Pillkoppen begann die große Einsamkeit, durch die, kaum bemerkt, sich die Grenze zog; denn der nördliche Teil, das Memelgebiet, war dem damaligen Litauen unterstellt. Die einzige feste Straße verschwand, da durch die Grenzziehung unbenutzt, mehr und mehr unter von beiden Seiten herüberwucherndem Grün. Wich es allmählich wieder zurück, war man eben schon ‚drüben'. Hier lag die Hohe Düne, von unzähligen Bildern in aller Welt bekannt, und gleich daneben das Tal des Schweigens, in dem oft windstille Hitze wie glühendes Eisen zu spüren war, eine Wüste, die nach Jahrhunderten einen im Sand verwehten uralten Pestfriedhof wieder freigegeben hatte. In dieser afrikanischen Landschaft war einige Jahre zuvor sogar einmal ein Film gedreht worden, der in Afrika spielte. Hinter dieser fast erdrückenden Einsamkeit kam dann Nidden, „das schönste Dorf im weiten Erdenrund“, wie Fritz Kudnig es in einem seiner Gedichte genannt hat, und es war wirklich so romantisch, dass die vielen Maler und Malerinnen, die überall hinter ihren Staffeleien standen und saßen, die Fülle des Schönen und anmutig Herben immer wieder von neuem und aus eigener Schau auf ihre Leinwand bannen konnten, ohne dass es zu viel wurde. Sie malten die niedrigen schornsteinlosen Fischerhütten, bei denen der Herdrauch durch das Rohrdach abzog, das Haffufer mit seinen Keitelkähnen, den Waldfriedhof mit den alten geschnitzten und farbig bemalten Totenbrettern auf den Gräbern, Wasser und Dünen und Elche.

 

Gern sahen wir die Bildergalerie in der Veranda bei Blode, die viele bekannte und geachtete Namen enthielt, und ich selber mochte besonders die Bilder von Bischoff mit ihrem warmen gesättigten Glanz. Der berühmte Winkel Niddens, ja der ganzen kurischen Nehrung, war der ‚Italienblick', so hervorgezaubert durch eine verkrüppelte Kiefer oben am Abhang einer bewaldeten Düne zum Ortsteil Purwin hin, hinter dem die weite Bucht des blauschimmernden Haffs ruhte, begrenzt von dem geschwungenen Dünenbogen, dahinter manchmal der Rauch unsichtbarer Dampfer aufstieg und so den Eindruck des rauchenden Vesuv erweckte. Hier oben baute später Thomas Mann sein herrliches Kurisches Haus mit Rohrdach und geschnitzten Pferdeköpfen am Giebel, doch hat er es kaum bewohnen können, da er von seiner Auslandsreise nicht mehr zurückkehrte.

 

Weiter nach Norden hinauf war dann die Welt zu Ende, denn Preil und Perwelk, die beiden armseligen Fischerdörfer, gehörten nicht mehr zu ihr und waren von Gott und den Menschen vergessen. Hier wurden wir angestaunt, als kämen wir von fremdem Stern, denn Sommergäste gab es dort nicht. In der Schule lernten die Kinder litauisch; die Großeltern sprachen mit ihnen kurisch, was etwas ganz anderes ist, und sonst sprachen sie deutsch und fühlten auch so. Dort oben sahen wir Elche, ganze Rudel, — allerdings nicht, wenn wir stundenlang mit Ausdauer sie aufzustöbern versuchten, sondern wenn wir an alles Mögliche, nur nicht an sie dachten. Dann standen sie plötzlich im Erlendickicht am Weg, Urwelttiere aus verschollenen Zeiten, schauten uns lang mit großen verwunderten Augen an und zogen, gemächlich unseren Pfad kreuzend, fort wie in ein Geheimnis hinein.

 

Damals entstand mein Gedicht ‚Abends treten Elche aus den Dünen...', das der junge Königsberger Student Gert Lascheit vertonte und das dann mehrmals im Königsberger Sender gesungen wurde. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges begegnete ich diesem Lied zu meinem Erstaunen öfters. Es war in der neuerstehenden bündischen Jugend allenthalben bekannt, und stand in Zeitschriften und Liederbüchern, manchmal leider dadurch entstellt, dass anstatt der Fassung ‚Haff und Land' das hier unsinnige „Stadt und Land" stand. Einige Male galten Verfasser und Komponist als unbekannt, verschiedentlich wurden Text und Melodie Gert Lascheit allein zugeschrieben. Aber dies alles ist nicht so schlimm; viel schöner ist, dass unser Lied inzwischen schon fast ein Volkslied geworden ist.

 

Doch es war ein Irrtum gewesen, zu glauben, die Welt sei hier an ihrem Rande auch endgültig zu Ende. Schwarzrot kam, der wieder bekanntere Badeort, mit dem besonderen Bild der am Haffufer zum Trocknen aufgehängten Aalreusen. Nicht weit vom Dorf war eine Reiherkolonie, und Hunderte dieser Vögel kreisten mit heiserem Gekrächz über den zahllosen Nestern hoch oben in den äußersten Wipfeln der leise knarrend sich wiegenden hochstämmigen Kiefern. Und überall, die ganze Nehrung entlang, badeten wir im Haff und schwammen in der See, die ihre blaugrünen Wellenberge wie gläserne Wölbungen über uns stürzte, wo sie zerbrachen und in schäumendem Gischt um uns zerstäubten.

 

Hier nun war das gegenüberliegende Festland schon wieder sehr nahe gerückt, und die Nehrung ging zu Ende. Jenseits des Tiefs, der Verbindung von Haff und See, lag die alte Hafenstadt Memel, und von ihr aus fuhren wir auf einem der großen schönen schneeweißen Dampfer des Seedienstes Ostpreußen nach Pillau zurück. Wir waren nicht in Spanien und Italien gewesen wie Alexander von Humboldt; aber wir hatten die Wahrheit seiner Behauptung erlebt, dass uns ein wundersames Bild in der Seele fehlen würde, wenn wir die Kurische Nehrung nicht gesehen hätten.

 

Seite 9   Schulwandkarte Ostmitteleuropas

Die Geographische Anstalt Karl Wenschow GmbH in München hat soeben eine physikalische Schulwandkarte mit einer Einsatzkarte „Völker und Staaten nach dem ersten Weltkrieg" nach den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz in Zusammenarbeit mit dem Herder-Institut und der „Bundesarbeitsgemeinschaft für deutsche Ostkunde im Unterricht" herausgebracht, die allen Wünschen Rechnung trägt, so dass wir hier nun endlich die für den ostkundlichen Unterricht in den Schulen so dringend erforderliche Schulwandkarte vor uns haben.

 

Foto: Palmnicken, das einzige Bernsteinwerk der Erde. Hier wird der Bernstein im Tagebau aus der sogenannten „blauen Erde" gewonnen. Der Abbau wird heute von den Sowjets weitergeführt

 

Seite 9   Wat et nich aller göfft. Seltsamkeiten aus der Heimat.

Wenn sich die Sonne verfinsterte.

Sonnen- und Mondfinsternisse hielt man noch vor 200 Jahren als Erreger von „Seuchen und Pestilenz". Aber diese Ansicht hatte sich nicht etwa das gewöhnliche Volk zurechtgelegt, sondern hochgelehrte Professoren berühmter Universitäten waren davon fest überzeugt, und was Wunder, wenn die hochwohllöblichen Behörden damals allen Ernstes bei solchen kalendermäßig eintretenden Naturereignissen schleunigst Maßnahmen gegen "etwan drohendes Unheyl“ zu ergreifen bemüht waren, wie zum Exempel die „Preußische Krieges- und Domainen-Cammer zu Königsberg“, die unter dem 15. Juli Anno 1748 nachstehendes Edikt verbreiten ließ:

 

„Da den 25-ten hujus eine große Sonnen-Fisternus seyn wird, alsdann gemeiniglich ein ungesunder Nebel zu fallen pfleget; So wird Euch hierdurch befohlen, dass am selbigen Tage keyn Vieh, sowohl auf denen Vorwerkern, als in denen Doerfern ausgetrieben werden soll, weshalben sich ein jeder mit Futter versorgen muss, auch habt Ihr zu veranstalten, dass alle Brunnen am selbigem Tage zugedecket werden“.

 

Man sieht, die geplagte Menschheit hat schon immer ihre Sorgen gehabt Einst waren es „Mond- und Sonnenfinsternus“, heute ist es das allgewaltige Atom.

 

Seite 9   Das magische Dreieck. Eine Erzählung nach wahrer Begebenheit. / Von Hermann Bink.

Nach mehr als 700-jährigem Besitz ist uns das Bernsteinland der unvergesslichen, herrlichen Steilküste im Samlande verlorengegangen. Wir wissen heute von Spätheimkehrern, dass das einzige Bernsteinbergwerk der Welt, Palmnicken, welches in der Endphase der kriegerischen Ereignisse sehr zerstört war, von der Sowjetverwaltung wieder intakt gesetzt worden ist.

 

In uralten Zeiten war das Auflesen des Bernsteins jedem erlaubt. Als der Deutsche Ritterorden in Ostpreußen das „Bernsteinrecht" mit dem „Bernsteineid" und dem sehr harten „Bernsteingericht" einführte, das den Fischern und Bauern das altgewohnte Recht auf eigene Nutzung des kostbaren Steines nahm, büßte mancher von ihnen am Galgen sein Leben ein, wenn es entdeckt wurde, dass er das „Gold des Nordens", welches das „wilde Wasser" auswarf, selbst behielt und nicht dem eingesetzten „Bernsteinvogt" ablieferte.

 

Bernsteindiebe hießen in der damaligen Landessprache „Rabuscher" und trotz aller Strenge muss die „Rabuscherei" recht umfangreich mit einem dazu gehörigen Geheimhandel gewesen sein, wovon ich nun im Nachfolgenden erzählen will.

 

Mein Großvater, der meiner mütterlichen Linie angehörte, der Bauernhofbesitzer und Hochzinser — wie eine amtliche Beurkundung lautet — Johann Monzien zu Mandtkeim hatte in einer Johannisnacht anfangs der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts einen eigenartigen Traum, der dem Sprichwort entgegentritt, dass Träume nur Schäume sind.

 

Dem Träumenden stand vor seinem schlafenden Auge dessen Großvater, redete auf ihn ein: Stehe auf, nimm einen Spaten und einen Sack mit, geh' auf die „Pelk" (Name der Moorflurbezeichnung in der Nähe des Gehöftes). Da wirst Du fast dicht an der „Blank" (ein stilles Wasser) ein Flämmchen inmitten von faustgroßen Steinen in einem kleinen Dreieck finden! Unter diesem Steindreieck liegt ein alter Schatz vergraben, den Du heben sollst!"

 

Es war schon vorgerückte Nachtstunde, als er aufwachte. Aber in der Nachwirkung und unter dem Eindruck des Traumes stand er auf, zog sich lautlos an und tat, was ihm der selige Ahn, den er sehr verehrte, geheißen hatte.

 

Draußen umfing ihn eine laue, weiche Johannisnacht. Der einsame Wanderer, ein gottesfürchtiger Mann und gläubiger Christ, dachte über das magische Dreieck ein wenig nach.

 

Eigentlich kann es nichts Böses sein, war seine Meinung; denn drei ist doch eine heilige Zahl und bei uns Christen doch von hohem Sinn als Zahl der Personen der heiligen Dreifaltigkeit, der christlichen Vollkommenheit und der göttlichen Tugenden.

 

In solcher Betrachtung war er am Ziele angelangt, und tatsächlich sah er auf seiner eigenen Torfgemarkung etwas leuchten. War es ein Leuchtkäfer, ein Irrlicht oder irgendeine phosphorizierende Angelegenheit? Und da fand sich ja auch das magische Dreieck, die bezeichneten faustgroßen Steine!

 

Es war ihm doch nicht ganz geheuer zu Mute, als eine Mooreule mit mitternächtlichem Geschrei dreimal über ihn strich. Wollte dieser nächtliche Spukvogel ihn warnen? Es war jedenfalls ein eigenartiges Zusammentreffen.

 

Aus Erzählungen der Alten wusste er, dass Schatzgräber schweigend zu Werke gehen mussten und nur in Gedanken sprach er: „Mit Gott!" Dabei stach er den Spaten in die weiche Moorerde. Schon nach zweieinhalb Spatenstichen stieß er auf etwas Hartes. Er wurde vorsichtig, beugte sich nieder und griff mit der bloßen Hand in die Erdvertiefung. Bernstein, stellt er fest. Und Stück um Stück wurde geborgen, so dass sich der mitgeführte Leinwandsack bis oben füllte. Das musste unzweifelhaft das Versteck eines „Rabuschers" sein, der diese Stätte vergessen oder den das Schicksal am Galgen ereilt hatte.

 

Eilends strebte der erfolgreiche Schatzgräber seiner Behausung zu, um am darauffolgenden Tage nach weiteren Merkmalen dieser Art zu fahnden. Und tatsächlich fand er weitere Stellen mit dem magischen Steindreieck auf seiner „Palwe", einem unkultivierten Heidestücke. Die Rabuscher hatten also für ihre Verstecke nur unbebautes Land erwählt.

 

Der Erfolg der Ausbeute war ungewöhnlich groß. Pflichtgemäß lieferte er nach gesetzlicher Vorschrift die Funde, die zum Teil aus ganz ausgezeichneten und großen Bernsteinstücken bestanden, an die „Regelinhaberin", also an den Staat ab. Die Belohnung blieb nicht aus, die Regierung verfügte, dass für das Grundstück des „Bauernhofbesitzers und Hochzinsers Johann Gottlieb Monzien zu Mandtkeim Nr. 4, Kreis Fischhausen, die Staatssteuer für ewige Zeit abgelöst sei".

 

 Für „ewige Zeit"! Aber was ist ewig? Die Nachfahren verloren Heimat und Besitz, jene Heimat, jenes Bernsteinland, welches Dichtermund besungen:

 

„Dein Wald steht schmerzgekrümmt und sturmzerschlagen,

ihm singt kein Märchenvogel Wunderhold.

Ihm singt das Meer geheimnisvolle Sagen,

in denen dumpf ein tiefes Sehnen grollt.

Aufstöhnend wird es immer wieder klagen,

und jede Woge, die zum Strande rollt,

küsst kniend deinen Glanz aus Vorzeittagen,

der alten Preußengötter Kronengold“.

 

Seite 10   Helmut Ollesch. Ernst Wiechert und der Wald.

Am Anfang steht bei Wiechert der Wald. Sein Rauschen geht durch alle seine Bücher als Grundakkord. Man könnte einen wesentlichen Teil seiner dichterischen Aussage unter das Thema stellen: Wiechert und der Wald. Durch die Jugend dieses Förstersohnes rauschen die Wälder seiner masurischen Heimat, des großen Waldgebietes der Johannisburger Heide, an deren Rand er aufwuchs. Einst war hier zur Zeit des Ritterordens „Die große Wildnis", die als ein natürlicher Schutzwall den eroberten Boden nach Süden hin abriegelte. Sein drittes Buch trägt den Titel „Der Wald" und macht ihn geradezu zur handelnden Person. Das Erinnerungsbuch seiner Jugend „Wälder und Menschen" nennt den Wald zuerst.

 

Der Wald ist das Ursprünglichste und schlechthin Bleibende: Er ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er ist geradezu „der grüne Gott..."

 

Oder er ist das Haus eines Gottes, das „Waldeshaus", dessen Dach und Wände lebendig sind, in das man eingeht wie in ein Heiligtum.

 

Dort ist man ein Gast in einer heiligen Welt und darf nur das Gute tun, weil das fremde Gesicht, das überall da ist, zusieht. Vor diesen Augen des „Grünen Gottes", die überall hin folgen, gibt es keine Lüge, keine Eitelkeit, keinen Lärm.

 

Hier kommt die große Verzauberung über den Menschen: „Dann saßen sie regungslos und lauschten, und über die kindlichen Gesichter ging der Ton des großen Waldes mit einer sichtbaren Spur der Spannung, der Angst oder nur der süßen Verzauberung" („Die Jeromin-Kinder"). Wenn Gerhart Hauptmann sein „Haus Wiesenstein" die „mystische Schutzhülle seiner Seele" genannt hat, so kann Wiechert das gleiche vom Wald sagen: Nichts verbirgt so gut wie der Wald — man kann in ihm ruhen wie in einem Mutterleibe. Er wertet nicht, verurteilt nicht, wie die Menschen es tun, sondern gibt die Geborgenheit der Mutterhände, die sich um ein Kind schließen, wenn es angstvoll und hilfesuchend zu ihr flüchtet.

 

So flüchtet sich Gina Karsten in der „Kleinen Passion" mit dem Geheimnis des in ihr wachsenden Lebens in den Wald, der ihr an seinem Rande gelegenes Häuschen gleich einer unüberwindlichen Mauer schützend umgab — es war ihr, als wenn die Last des neuen Lebens hier sanfter zu tragen sei. Tief gräbt sie die Hände in das Moos, als würde der Segen des Waldes durch sie aufsteigen . . . dem Neugeborenen will sie sagen, dass die Jungfrau Maria im Walde wohne, und es solle aus ihrem Frieden trinken . . . Nyland kommt aus dem Walde und geht wieder in ihn zurück, in das große Schweigen. Wendling möchte am liebsten in dieser ungesicherten und ungeborgenen Welt einen Wald über die ganze Erde pflanzen („Der Knecht Gottes Andreas Nyland").

 

Von seiner ruhigen Ordnung gehen heilende Kräfte aus. Seine Bilder fallen ruhig und ungebrochen in die Seele des Heimkehrers Michael Fahrenhorst („Die Majorin"), die das Grauen des großen Krieges verstört hat. Alle seine Sinne sind beschäftigt, sie aufzunehmen als Kräfte der Genesung. „Es bleibt dann kein Raum mehr für die anderen Bilder, die gewesenen“. „Der Raum, den er übrig hat, ist erfüllt von diesem Gegenwärtigen des Waldes, von Licht, Farbe und Wärme — mehr braucht er nicht“. Kann man anders als ihn lieben? „Eine unendliche Zärtlichkeit erfüllt ihn, zu diesen Kindern seines Blutes und seiner Erde, zu dem schweigenden Wald und der Weite des großen östlichen Himmels . . . und zu allem Leben, das er behüten und retten wollte . . ." („Die Jeromin-Kinder").

 

Aber der Wald hat auch eine andere, eine dämonische und unerlöste Seite — etwas Untergründiges, Tierhaftes ist in ihm: „Finster lag der Wald auf der Erde, wie ein regungsloses, schlafendes Tier, und warm und leise ging sein Atem durch die Nacht“. Es gibt einen „Tagwald" und einen „Nachtwald" — immer kommt es auf den jeweiligen Menschen an, der hineingeht. Das Herz macht ihn selig oder traurig; „Wenn man leise ist und fromme Füße hat ... Ist es gut im Walde . . ." Die Bösen meiden ihn darum, weil er nur das Echo des eigenen Herzens und die Stimmen des eigenen Blutes wiedergibt. Zerrgiebel etwa und sein Sohn Theodor sind nie in ihm („Die kleine Passion").

 

Man kann sogar verstörten Herzens werden in diesem fremden Land — verwirrende Einflüsse können von ihm ausgehen, er kann sich mit der Vielfalt seiner Eindrücke und Bilder in einen Menschen hineinstürzen, ohne Achtung und Scheu vor einem, der allein sein will. Gott, ja der „Der grüne Gott" ist der Wald, und man findet in ihm noch mehr als dieses Naturhafte: „Wusstest du, wie sehr Gott in den Wäldern lebt? Früher ging man in die Wüste, bei uns muss man in die Wälder gehen . . ." („Der Knecht Gottes Andreas Nyland"). Aber sind es nicht im Grunde doch die Unterirdischen, die in ihm herrschen, die unter einem Findling inmitten einer Waldlichtung hausen können? Wiehert versucht voll Wehmut über das entschwundene Heidentum in diesem Lande, aus dem die alten Götter noch nicht allzu lange vertrieben sind, dieses Heidentum literarisch wiederzuerwecken und ihm Namen zu verleihen: „Widar" und „Welarum" heißen diese Götter des Waldes, die ihren Ruf über die Wipfel ertönen lassen. Ein uralter Zauber geht von ihnen aus, der uns nicht loslässt, „bis wir stille sind, ganz stille . . ." „Und der schöne tiefe Aberglaube versunkener Geschlechter stand aus ihnen auf und erfüllte die erste Dämmerung unter den leise rauschenden Wipfeln". („Die Jeromin-Kinder").

 

Doch die alten Götter bleiben trotz dieses Anrufes still und stumm. Wo sie sich regen, da regt sich das Unheimliche, Untergründige wie in den Menschen, die allein aus seinen Kräften leben, die mehr einem Tier und einer Pflanze ähnlich sind, erstarrt und innerlich erstorben wie der wilde und trotzige einäugige Isegrimm im „Wald" mit seinem verzerrten: „Jäger sind hart" — und wie der alte Wittich, den man den „Satan" nannte. Nichts ließ er aus dem Walde heraustragen, keinen Ast, keinen Pilz, keine Beere. Niemand sollte hinein, und wenn es einer dennoch wagte, dem schoss er den Hut vom Kopfe oder ein Loch in sein Sammelgefäß. Wie erstarrte und versteinerte Geister des Waldes sind sie in ihn eingekerkert. Der toten Dumpfheit ihrer Gesichter kann man es ansehen, wer sie innerlich sind. In einem Inferno der Selbstvernichtung geht der „Wald" des „Grünen Gottes" unter. So bleibt diese Welt des Waldes bei aller Naturinnigkeit eine unerlöste Welt, und der „Gott", der über sie dahinschreitet, ein harter und düsterer Gott.

 

Erst in den späteren Werken, der „Hirtennovelle", dem „Einfachen Leben" und den ,,Jeromin-Kindern" wird dieser Wald entdämonisiert ins Spannungslose, menschlich Nahe, und als Schutz des Ichs und der Seele dargestellt.

Aus Helmut Ollesch: Ernst Wiechert. Emil-Müller-Verlag, Wuppertal-Barmen.

 

Seite 10   Die Künstlergilde stellt in Berlin aus

Die zu beobachtende merkwürdige Unkenntnis ostdeutscher Kulturleistungen veranlasste einige, am kulturellen Leben des deutschen Ostens in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts besonders beteiligte Personen, hier auf dem Gebiet der Baukultur aufzuzeigen, welche wertvollen Leistungen in der Baukunst und Bautechnik im Osten entstanden, die zum Teil beispielgebend für das gesamte deutsche Baugeschehen bis in unsere Tage hinein geworden sind. Die „Interbau"-Ausstellung in Berlin mit den vielen Kongressen der Fachwelt und Laien bietet eine gute Gelegenheit, jetzt diese Schau in Berlin aufzubauen. Sie findet dabei auch die ideelle Unterstützung der Geschäftsführung der Interbau.

 

Die Professoren Theo Effenberger, Berlin (früher Breslau), Richard Konwiarz, Hannover (früher Städtischer Oberbaurat in Breslau, und Heinrich Lauterbach, Werkkunstschule Kassel (früher Breslau), haben es unternommen, das heute schwer zu beschaffende Bildmaterial ostdeutscher Bauwerke zusammenzutragen. Sie haben dabei vornehmlich die Unterstützung von Professor Scharoun, dem derzeitigen Präsidenten der Akademie der Künste, gefunden sowie von maßgeblichen, früher in den Landsmannschaften des Ostens tätigen Kollegen und Bauunternehmungen. Das Material wird zugleich für ein aufzubauendes Archiv in Kleinfotos gesammelt und soll für diesen Zweck laufend ergänzt werden. Es besteht zurzeit aus etwa 350 Objekten, von denen 200 für die Ausstellung in Großfotos dargestellt werden. Die Kollektion soll weiterhin in Westdeutschland wandern.

 

Es ist beabsichtigt, das Archivmaterial auch auf weltbekannte aus dem deutschen Osten stammende Architekten und Baumeister der Neuzeit auszudehnen. Für die Ausstellung ist eine Beschränkung auf Bauobjekte des ehemaligen Reichgebietes unter Ausschluss von offensichtlichen NSDAP-Bauten vorgesehen.

 

Die Ausstellung wird in der Zeit vom 6. August bis Ende September (täglich von 10 - 18 Uhr) in dem Kunstamt Tiergarten und dem vom Verein Berliner Künstler betreuten Haus am Lützowplatz 9 gezeigt.

 

Seite 10   Frühgeschichtliche Funde in Elbing

In Elbing (Ostpreußen) wurden beim Umgraben eines Gartens kürzlich zwei Lanzen, ein Schwert und ein Messer aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts gefunden. Jetzt wollen polnische Archäologen Ausgrabungen größeren Umfangs vornehmen, die Aufschluss über den alten Handelsplatz an der Nogat geben sollen. Wie das sagenhaft gewordene „Vineta" auf Wollin und das einst nicht weniger bedeutende Grobin in Kurland hat auch das versunkene Trusow bei Elbing oft schon vor Jahrzehnten die Erforscher vor und frühgeschichtlicher Siedlungsstätten an der Ostsee beschäftigt.

 

Seite 10   Kulturschaffende unserer Heimat.

Anatol Buchholtz. Begegnung mit einem Bildhauer.

Foto: Anatol Buchholtz an seinem neuen Werk, der Brunnengruppe „Spielende Seehunde"

Foto: Starmodell und Hausfuchs „Schnelli" beschnuppert etwas misstrauisch sein Ebenbild.

Immer wieder neue Begegnungen mit den heute unter uns lebenden Kulturschaffenden unserer Heimat herbeizuführen, haben wir uns in diesen Spalten zum Ziel gesetzt. Es geht uns hier weniger darum, Biographien zu vermitteln, Wertungen und Deutungen zu versuchen, als vielmehr um die ‚Begegnung' mit dem künstlerischen Menschen, der mit und unter uns lebt und der, zurückgedrängt auf sein ich, mit unterschiedlichsten Mitteln seine innere Welt aus der Dumpfheit des Gefühls vermöge seiner Gestaltungskraft immer und immer wieder zu erlösen gedrängt ist.

 

Eine Begegnung, vielleicht eine erste für viele unserer Landsleute will auch unser Besuch bei Anatol Buchholtz sein. Er lebt seit 1945 mit kurzen Unterbrechungen in Braunschweig. Die Stadt ist stolz auf ‚ihren' Sohn und zählt ihn zu ihrem hoffnungsvollsten Nachwuchs. Es war mehr ein Zufall, dass wir erfuhren, in diesem jungen schlanken Bildhauer einem gebürtigen Sensburger, also einem waschechten Ostpreußen gegenüberzustehen.

 

Sein Lebensweg ist schnell umrissen. Er wurde 1927 in Sensburg als Sohn des bekannten ostpreußischen Schriftstellers Hansgeorg Buchholtz geboren. Den größten Teil seiner Jugend verlebte er in Lötzen. In Heilsberg besuchte er die Oberschule. 1945 finden wir ihn in Braunschweig an der Werkkunstschule, von 1946 - 1950 an der Akademie der Bildenden Künste in München als Schüler von Professor Hiller. Seit 1951 ist Buchholtz als freier Bildhauer tätig.

 

Es war ihm durchaus nicht an der Wiege gesungen, dass er einmal an Gips und Ton und Stein sein Talent erproben und erweisen würde. Selbst der Oberschüler in Heilsberg verspürte in dieser Richtung noch keinerlei Drang in sich. Erst nach der Flucht aus Ostpreußen, in den Zeiten der schleichenden Lethargie, begann er, lediglich um sich irgendwie zu beschäftigen, aus Ton kleine Tierfiguren zu kneten. Aber es war mehr als eine Spielerei als Gegengewicht gegenüber dem allgemeinen Sog der Zeit, es geschah aus einem inneren Zwang heraus. Dies erkannte er sehr bald, und so sehen wir ihn eines Tages mit seinen kleinen Plastiken in der Werkkunstschule, und das ist der Beginn seines Weges als Bildhauer.

 

Das Tier steht auch weiterhin im Mittelpunkt seines Schaffens. Durch den ihm eigenen Zug zur Abstraktion, verbunden mit einer tiefen Einfühlungsgabe in die Seele der Kreatur, gelingt es ihm, Werke von einer zwingenden und überzeugenden Aussagekraft zu gestalten. Dass Buchholtz bei aller Modernität niemals den Boden der Gegenständlichkeit verliert, ist vielleicht ein Erbteil seiner ostpreußischen Heimat, die in dem Kinde eine tiefe Naturverbundenheit und die Liebe zu allem Leben reifen ließ. Hinzu kommt, dass seine Frau — auch sie stammt aus Ostpreußen — als Tierpsychologin von Rang und Namen stets dafür sorgt, dass an geeigneten Modellen kein Mangel entsteht. Das Atelier ist immer von einer Anzahl von Tieren bevölkert, voran „Schnelli" der Hausfuchs, der schon für manches Werk Modell gestanden hat.

 

Aufzuzählen blieben noch einige Daten, die den Erfolg des jungen Bildhauers kennzeichnen. 1951 wird Buchholtz der Kunstpreis des Niedersächsischen Kultusministeriums zur Förderung des künstlerischen Nachwuchses zugesprochen, 1954 der Rudolf-Wilke-Preis der Stadt Braunschweig. Bei dem von der Stadt Verden ausgeschriebenen Wettbewerb zur Schaffung eines Ehrenmals wird sein Entwurf mit dem 1. Preis ausgezeichnet. Im Auftrage der Stadt Braunschweig schuf er für eine Grünanlage eine Tierplastik („Kragenbär") in rotem Sandstein. Im Städtischen Museum Braunschweig finden wir mehrere Arbeiten von ihm, darunter die Bronzetafel „Kämpfende Elche". Viele seiner Arbeiten befinden sich in Privatbesitz, drei seiner Plastiken erwarb der ebenfalls aus Ostpreußen stammende Schriftsteller Hans Helmut Kirst. Zurzeit arbeitet Buchholtz an einer Brunnengruppe („Spielende Seehunde"), ein Auftrag der Zonengrenzstadt Helmstedt.

 

Dass man an den Namen Anatol Buchholtz hohe Erwartungen knüpfen darf, macht sein bisheriges Schaffen spürbar. E. Knobloch

 

Seite 10   Wir besprechen neue Bücher.

Neue Gedichtbände.

Kurt Rüdiger: Geisselung.

Hermine Maierheuser: Du fernes Herz.

Else Bleier: Vulkane ruhen lange.

Gestalten im Gedicht. Eine Anthologie.

Der Karlsruher Bote. Karlsruhe, Weinbrennerstraße 47. Direktvertrieb. Preise nach Selbsteinschätzung.

 

Der „Karlsruher Bote", der sich in über 30 Veröffentlichungen (Anthologien und Sammlungen einzelner Autoren) um das deutsche zeitgenössische Gedicht verdient gemacht, legte in den letzten Monaten wieder einige neue Bändchen vor. Rein ausstattungsmäßig schon heben sich diese neuen Titel recht zu ihrem Vorteil aus der Reihe der bisherigen Veröffentlichungen heraus. Die Gedichte Rüdigers könnte man grübelnde, zum Teil selbstquälerische Monologe nennen. Sie empfangen ihren Grundzug aus der tiefen Religiosität des Autors. („Was gilt mit ein unfruchtbares Abendland, das für freies Hinknien das Wort nicht fand?") — Von der Romantik her, was die formale Gestaltung wie auch das bekundete Lebensgefühl angeht, sind die Gedichte Hermine Maierheusers geprägt. Sie lobpreisen und singen die Wunder der Natur in ehrfürchtigem Staunen. — Vom gleichen Welt- und Lebensgefühl erfüllt sind die Strophen Else Bleiers. Ihnen kommt jedoch zugute, dass sich die Autorin mit sicherer Hand der durch die Moderne erschlossenen neuen Kunstmittel zu bedienen weiß. Es gelingt ihr, mit wenigen Zeilen Bilder voll eigentümlicher Leuchtkraft auf das Papier zu zaubern — In der neuen Anthologie begegnen wir wieder einer Fülle von bekannten neben weniger bekannten oder völlig neuen Namen und einer Gegenüberstellung von unterschiedlichsten Gestaltungskräften. Einen starken Akzent gibt Kurt Schümann durch seine Beiträge der Sammlung. Seine Zeilen sind unliebsame Fragen an die Trägheit unserer Zeit, knapp formuliert, ganz Bild und getragen von einem ungewöhnlich rhythmischen Sprachfluss. Ein Talent, von dem man noch viel erwarten darf. Genial übersetzte Kurt Rüdiger Langston Hughes. Aus früheren Anthologien des „Karlsruher Boten" bekannt die Namen: F. M. Huebner, Walter Meckauer, Emil Merker, Erich Bockemühl, Herbert Wessely, Otto Michel. Unter den neuen Mitarbeitern finden wir den jungen Danziger Klaus Pawlowski, die aus Elbing stammende Erika Setzke, Erwin Thiemer mit seinem Eingangsgedicht „Kaleidoskop". Natürlich erschöpft diese Aufzählung lange nicht die Namen. — Als Themen für die nächsten Anthologien des „Karlsruher Boten" sind ausgeschrieben „Requiem", Gedenken und Stimmen der Toten (Einsendungen bis 1. August), „Orpheus", Tanz, Fest, Musik (Einsendungen bis 1. November). Zu Einsendungen sind alle aufgerufen, die sich dem dichterischen Wort verschrieben fühlen.

 

Helmut Ollesch: Ernst Wiecher. In der Schriftenreihe Dichtung und Deutung. Emil Müller Verlag, Wuppertal-Barmen. 124 S., brosch. 3,80 DM.

Die Veröffentlichungen dieser Reihe wollen jeweils eine bedeutsame, im Geisteskampf der Gegenwart mit besonderem Profil hervortretende Dichterpersönlichkeit zu erschließen versuchen. Das vorliegende Werk befasst sich mit Ernst Wiechert, dem Sohn ostpreußischer Landschaft, der Wälder, Seen und weiten Ebenen. Es gelingt dem Verfasser, auf knappem Raum ein Porträt des Menschen Wiechert, des Dichters, des Suchenden mit sicherer Hand zu entwerfen und mit dem umfassenden Lebenswerk in seiner ganzen Vielschichtigkeit und Wandlung in Verbindung zu setzen, die Einheit von Mensch und Werk spürbar zu machen. Es entsteht das liebenswerte Bild eines Dichters — breiter Raum ist der Selbstaussage eingeräumt — der an den dunklen Gewalten der Zeit, im Kampf mit den dämonischen Mächten zugrunde gehen musste. Das Buch ist ein wertvoller Beitrag zur Wiechert-Forschung.

 

Hans von Müller: Die erste Liebe des Ernst Theodor Hoffmann. Mit einigen Nachrichten über die Familien Schlunck und Flottwell, Hatt und Siebrandt nach den Quellen dargestellt. Verlag Lambert Schneider, Heidelberg. 115 Seiten, Ln. 7,50 DM.

Aufgrund jahrzehntelanger Quellenforschung ist es Hans von Müller — einer der besten Kenner E. T. A. Hoffmanns — möglich, die Hoffmanns schöner Meistererzählung ‚Das Majorat' zugrundeliegende Liebesepisode als ein Jugenderlebnis des Dichters aufzudecken, das den Zwanzigjährigen nach Hippel „schnell und über die Jahre hinaus" entwickelt hat. Es macht ihn zum Dichter, und er verdankt diesem Erlebnis die sich in allen seinen Werken spiegelnde „vertraute Bekanntschaft mit den Tiefen des menschlichen Herzens", die er aber teuer genug mit der „Zerrissenheit in seiner Seele" bezahlen musste. Die Hoffmann-Literatur gewinnt durch diese Deutung einen starken schicksalhaften Akzent.

 

Lieder — den Kindern gesungen

Wenn man sagt, Kinderlieder seien heute unmodern geworden, so kann man mit gleichem Recht das Märchen leugnen. Aus beiden Äußerungen volkstümlicher Dichtung spricht eine ureigenst menschliche Kraft, die auch heute Kind und Erwachsenen in gleicher Weise ansprechen wird, in den wenigen Wochen seit dem Erscheinen der Wiegenlieder Else Maria Hassolds hat sich dies erwiesen. Schon die handschriftliche Widmung Käthe Kruses in dem freundlichen kleinen Buch schlägt den Ton an, der in den Versen stets aufs neue aufklingt: den Kindern zur Freude, den Erwachsenen als Vermächtnis der Kindheit, Kinderlieder wollen nicht im strengen Sinne literarisch geprüft und gewertet werden. Sie lösen sich aus den zeitlichen Stilen, leugnen den Tod in der Lyrik längst geächteter Ausdrücke, haben nur lose Beziehung zu Rhythmik und Vers. Sie erschöpfen sich an ihrem Eigenleben und sind doch unerschöpflich, so wie der Kindervers „Maikäfer flieg", der schon unsere Kindheit begleitete und doch erst heute seinen tiefen Hintergrund enthüllt: „Pommernland ist abgebrannt, Maikäufer flieg“! In diesem Sinne sind die Kinder- und Wiegenlieder der Augsburger Lyrikerin Else Maria Hassold vollendet, in diesem Sinn ist uns auch der schmucke Band des Verlags der Hassold-Gemeinde ein echtes Geschenk. (Else Maria Hassold: Kinderaugen sehen dich an – Kinder- und Wiegenlieder. 48 Seiten, Verlag der Hassold-Gemeinde, Augsburg. 1956, 5,-- DM) G. R.

 

Seite 10   Neue aber gute Deutschlandkarte

Der Reise- und Verkehrsverlag Stuttgart, Gutenbergstraße 21, hat eine Übersichtskarte von Deutschland mit den Ostgebieten im Maßstab 1 : 1 500 000 herausgebracht.

 

Die Karte gibt einen instruktiven Überblick über die Gebiete des deutschen Reiches nach dem Stande vom 21.12.1937. Sie unterscheidet sich schon aus diesem Grunde wohltuend von manchen anderen Karten, bei denen häufig festgestellt werden muss, dass sie die Oder-Neiße-Linie zur deutschen Ostgrenze erheben. Auch die wichtigsten Städtenamen in den Gebieten östlich der Reichsgrenzen vom 21.12.1937 sind nicht nur mit polnischen, sondern auch mit ihren deutschen Namen aufgeführt.

 

Da die Karte zu dem außergewöhnlich billigen Preis von 2,80 DM vertrieben wird, ist ihr Verkauf zu empfehlen.

 

Seite 11  Die stille Stunde. Unterhaltungsbeilage der Ostpreußen-Warte.

Ein junger Mann schweigt. Von Wolfgang Altendorf.

Als der junge, etwas leidend aussehende Mann das kleine Zimmerchen im zweiten Stock des Mietshauses bezog, herrschte plötzlich zwischen den übrigen Mietsparteien Friede und Eintracht. Das kam daher, weil sich der ganze Ärger, der aus den Mauern eines solchen Hauses durch nichts hinauszutreiben ist, gegen den neuen Mieter richtete. Der junge Mann war stolz. Die sieben Mietsparteien besprachen sich über ihn und einigten sich, dass sein Stolz auf irgendeine Weise gebrochen werden müsse. Dass es überhaupt so weit gekommen war, das war die Schuld der Mütter. Anfänglich nämlich redeten sie mit ihren Töchtern die Hälse hinter dem jungen Mann her, beispielsweise, wenn er die Treppe herabkam. Aber er beachtete weder die Mütter noch ihre heiratsfähigen Töchter, ja, er hatte es weder für nötig befunden, sich bekannt zu machen, noch ließ er sich auf irgendein Gespräch ein. Seine Miene blieb stets abweisend, reserviert, und wenn er einer Begegnung nicht ausweichen konnte, zog er schweigend den Hut. Er zog ihn sogar vor der erst vierzehnjährigen Doris, die das Ereignis überall kichernd verbreitete.

 

Nein, noch niemals hatte dieser junge Mann irgendwem ein freundliches Wort gesagt. Man wusste nicht einmal wie er hieß, womit er sich beschäftigte, man wusste lediglich, dass er einen Flüchtlingsausweis besitzen musste, weil er ja das Zimmer von der Stadtverwaltung erhalten hatte. Jeden Morgen, pünktlich um acht Uhr, verließ er mit einer Aktenmappe das Haus. Gegen fünf Uhr am Nachmittag kehrte er wieder zurück und verschwand in seinem Zimmer. Wenn man an seiner Tür lauschte, hörte man nichts; blickte man durchs Schlüsselloch, saß er womöglich an seinem Tisch und las Bücher oder schrieb. Zuerst verbreitete sich das Gerücht, er wäre der Sohn eines reichen Fabrikanten und von zu Hause um irgendwelcher Schande willen verstoßen worden. Ah, man kannte das, man las ja darüber die rührendsten Geschichten in den Romanheften. Vielleicht war er sogar das Oberhaupt irgendeiner politischen Untergrundbewegung? Und auf einmal wusste man ganz genau, dass er während des Krieges in einem Generalstab gearbeitet hatte, was das Urteil über ihn noch mehr verwirrte. Sein Schweigen aber erschien beredter als alle Worte. Es kam schließlich soweit, dass man ihn nicht für ganz normal hielt, sich deshalb bedroht fühlte und ernstlich erwog, die zuständige Behörde aufmerksam zu machen.

 

Aber da erfuhr man plötzlich das Geheimnis des jungen Schweigers. Eines Tages erschien nämlich eine hübsche alte Dame mit weißem Haar und freundlichen Augen. Sie bewegte sich mit viel Seufzen die Treppe des Mietshauses empor. Man hörte ihre Schritte, folgte ihr aus den Türspalten mit den Augen und sah, dass die alte Dame vor der Tür des Fremden stehen blieb und die Klinke niederdrückte. Die Tür war verschlossen. Alle im Hause wussten, dass der junge Mann noch nicht da sein konnte, und sie ahnten, dass sie nun den Zipfel seines Geheimnisses erfasst hatten.

 

„Ist denn der Bengel nicht zu Hause?“ fragte die Dame von oben. O, sie hatte die spähenden Augen wohl bemerkt, hatte die Türspalten gesehen, wusste, dass man sie beobachtete! Frau Arendt öffnete ihre Tür, tat sehr eifrig und antwortete: „Aber nein, um diese Zeit ist der Herr niemals zu Hause. Keiner weiß, wohin er geht, wann er kommt. Sind sie etwa mit ihm verwandt?"

 

„Ich bin seine Mutter. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, warte ich in ihrer Küche, bis er zurückkommt“.

 

Da saß nun diese alte Dame in Frau Arendts Küche und ließ ihre munteren Augen belustigt über die begierenden Gesichter der Hausbewohner wandern. Fast alle hatten sich unter einem Vorwand eingefunden, und die Mutter des Fremden wusste genau, was man von ihr erwartete, in welche Lage ihr armer, schweigsamer Sohn geraten war.

 

„Hier wohnt er also", sagte sie. „Nun, er wollte es nicht anders. Niemand konnte ihn in seinem Entschluss wankend machen. Er ist Student, müssen Sie wissen“.

 

„Aha —!" machte es in der Runde, und Frau Arendt setzte hinzu: „Deshalb ist er so stolz, redet kein Wort mit uns und — ja, und benimmt sich unhöflich“.

 

Nun also war es heraus.

 

Die Mutter lächelte ein wenig. „Sehen Sie, da ist nun nichts zu ändern, und bessern wird er sich in dieser Beziehung ebenfalls nicht, nein. Er wird immer schweigsam bleiben und kein Wort reden, kein Wort mehr in seinem ganzen Leben. Auf der Flucht nämlich, o, ich brauch euch davon ja nichts weiter zu erzählen, da hat man ihm seinen Kehlkopf durchschossen, ja, eine verirrte Kugel —, und er war erst dreizehn Jahre alt, damals. Es ist ein Wunder, dass ich ihn trotzdem behalten habe, dass er durchgekommen ist, dass er nun sogar studieren kann“.

 

Da senkten die Hausbewohner ihre Köpfe, räusperten sich und wussten nicht recht, wohin sie mit ihren Händen sollten. Aber die Tür ging auf, und der Schweigsame trat ein. Er umarmte seine Mutter, streichelte ihr Haar, und obwohl er dazu nichts sagen konnte, merkte jeder, wie ihn der Besuch erfreute. Sie verließen gemeinsam die Küche und stiegen die Treppe hinauf.

 

Nun traten die Schürzenzipfel der Frauen und Mädchen in Tätigkeit, hervorquellende Tränen zu trocknen, und die Männer schnitten ernste Gesichter. „Nichts mehr reden können, sein ganzes Leben!" seufzte Frau Arendt. Dabei hielten Mutter und Sohn, droben im Zimmer, eine beredte Zwiesprache, auch ohne Worte, und verstanden sich, wie sich Mütter immer mit ihren Kindern verstehen.

 

Der Streit, der aus den Mauern eines solchen Mietshauses durch nichts hinauszutreiben ist, blieb von nun an wohltuend gedämpft. Es genügte, dass der junge Student die Treppe herunter- oder heraufkam, um die Nichtigkeiten des Alltags in das rechte Licht zu rücken.

 

Foto: Fritz Heidingsfeld. Weichseldurchbruch (Öl)

 

Seite 11   Gedanken um Leben und Schicksal.

Wie off habe ich ernsthaft vor der Frage gestanden, ob ich mich gegen die gemeine Gesinnung oder gegen die gemeine Tat eines anderen wehren, oder ob ich — im Vertrauen auf die ewige Gerechtigkeit — das Schicksal walten lassen solle.

 

Immer wieder aber kam ich nach redlicher Überlegung zu der Einsicht, dass ich nicht allein auf das Schicksal bauen dürfe. Wir Menschen und Helfer Gottes, sagte ich mir. Und so müssen wir schon selber tüchtig die Hände rühren, wenn wir Ordnung in die verworrene Welt bringen wollen.

 

Unser Schicksal schaffen wir durch unser Denken, Fühlen, Wollen und Handeln selbst. Taten sterben nicht, sobald sie getan. Jede Tat ist Saat und Keim zu einer späteren Frucht. Und diese Frucht, die wir ernten, ist unser Schicksal.

 

Erlebt man nicht immer wieder, dass die guten Menschen vielfach leiden müssen; dass die bösen aber oft im Glücke sitzen?

Vielleicht ist letzteres aber nur trügender Augenschein. Wer vermag in das Innerste dieser scheinbar so Glücklichen zu schauen?!

 

Das ist die tollste aller menschlichen Tollheiten, dass man aus dem größten Schöpfungsmysterium die grausigste Mordwaffe schuf. Das Heiligste zur Hölle gemacht — die Welt auf den Kopf gestellt. Und da wundern wir uns, dass es so viele kopflose Menschen gibt?!

 

Das Leben sei ein Lotteriespiel, meinen viele. Wer zufällig Glück habe, könne alles gewinnen; wer keins habe, alles verlieren. Ich glaube nicht, dass das Schicksal einen Zufall kennt. Sonst wäre das Leben ja ein form- und richtunsloses Durcheinander. Es scheint mir im Gegenteil von Anfang bis Ende sinnvoll geordnet zu sein. Ist es nicht gerade das Winzigste, das Atom, was auf denkbar kleinstem Raum das größte Schöpfungswunder umschließt?!

 

Es ist eigentlich sehr erschütternd, dass viele Menschen für alles Geschehen auf Erden und auch für ihr eigenes Geschick entweder Gott oder den Teufel verantwortlich machen: „Der Teufel ist der ewige Bösewicht … weshalb hindert Gott ihn nicht an seinem Tun?“

 

Ach, die armen Blinden, die trotz all ihrer Erlebnisse immer noch nicht begriffen haben, dass Gott wie der Teufel in der eigenen Brust der Menschen seine Wohnstatt hat! Wir brauchen nur den Gott in uns zum Leben zu erwecken. Dann ficht uns kein Teufel mehr an, weil wir dann innerlich gefeit und gegen alle Teufeleien.

 

Was sinnlos auf Erden scheint oder sinnlos ist, hat seinen Grund nicht in dem Leben an sich, sondern in den sinnlosen Handlungen der Menschen. Sie allein verwandeln die wundervolle göttliche Ordnung in ein wüstes Durcheinander, in dem der urtiefe Sinn des Lebens selbst für ernsthaft Suchende kaum noch zu finden ist. Fritz Kudnig.

 

Seite 11   Tamara Ehlert: Der Wind geht durch das Gras

Der Alte hockte auf einem Baumstumpf und starrte verdrossen vor sich hin. Das langgestreckte schwarze Dach der Baracke glänzte im Regen.

 

Eine Frau kam heraus. Sie stemmte ihre mageren Schultern gegen den Wind und lief zum Brunnen. Der Alte stand langsam auf und ging ihr nach. „Gib den Eimer her", sagte er.

„Lass man", sagte die Frau. „Schüttest doch bloß das Wasser aus“.

 

Der Alte ließ seine Hände sinken. „Zu nuscht mehr is man gut", murrte er. „Zu nuscht."

 

„Kannst auf das Kind aufpassen", sagte die Frau. „Ich muss für eine Stunde weg“.

 

„Noch nicht besser?"

 

„Es schläft ja nich!" Sie sah den Alten angstvoll an. „Wenn es schläft, wird alles gut, hat der Doktor gesagt. Aber es schläft nich!"

 

Das Kind lag mit offenen Augen da. Der Alte kam an sein Bett, aber es wandte nicht einmal den Kopf. Die Frau ging fort. Der Regen prügelte das Dach. Es wurde dunkel. Der Alte hockte zusammengesunken auf seinem Stuhl und sah das Kind an. Es wälzte sich hin und her. Vielleicht hat es Angst. Er beugte sich ein wenig vor und begann zu singen. Das Lied war alt, älter als er selbst. Die Weite des Landes war darin, aus dem er und das Kind gekommen waren, die Weite des Wassers und der Wälder, der Ruf der Vögel über dem Schilf und der Atem des Windes, der durch das Gras geht.

 

. . . Der Wind geht durch das Gras. Die Sonne hängt tief über dem See. Ein Kranich zieht vorüber, ein Spiegelbild zieht im Wasser mit, ein grauer Schatten auf goldenem Grund.

 

Das Kind sitzt am Ufer und sieht den Mücken zu. Sie tanzen hoch in der Luft, eine vergnügte kleine Wolke, die gutes Wetter bedeutet. Das Kind läuft der tanzenden Wolke nach. Die Erde unter seinen nackten Füßen ist ganz warm.

 

Im Garten schwelt das Feuer, es riecht nach verbranntem Kraut. Dünne Rauchschleier ziehen über die dicken gelben Köpfe der Ringelblumen und bleiben am Zaun hängen. Der Wind macht sie vorsichtig los und trägt sie aufs Wasser hinaus.

 

In der Küche wartet die Mutter mit dem Waschzuber und einer großen Schale Blaubeeren. Nu iss man erst, du Rumtreiber. Wer wollte heute Schischken für mich sammeln?"

 

„Morgen hol ich dir Schischken", sagt das Kind und kaut mit vollen Backen. „Ganz bestimmt“.

„Na", sagt die Mutter, „wenn ich sie man schon hätte!"

 

Das Waschwasser ist kalt, das Kind klappert mit den Zähnen und fühlt tausend Ameisenbisse auf seiner sonnenwarmen Haut. „Aber wer wird denn frieren", sagt die Mutter. „Is ja gleich vorbei“. Sie reibt das Kind trocken, wickelt es in das große raue Handtuch und trägt es die Treppe hinauf.

 

Die Treppe ist dunkel, aber das Haar der Mutter ist hell, und das Kind versteckt sein Gesicht darein, ein warmes, sattes, zufriedenes Bündel.

 

Das Kammerfenster ist offen und lässt die schläfrige Stimme des Wassers herein. Über die Tannen wandert der Sichelmond und mäht das letzte Tageslicht. Am See hockt die Nacht und fängt es in ihrer schwarzen Schürze auf ...

 

Der Alte erhob sich und sah dem Kind ins Gesicht. Es schlief. „Doch noch zu was gut", murmelte er. „Doch noch zu was gut“. Er schlich zur Tür und machte sie leise hinter sich zu.

 

Seite 11   Abends am See. Von Gerhard Riedel.

Verlassenes Boot legt die Ruder

müde in seinen Schoß. —

Hast du das Laute vergessen,

oder verträumst du dich bloß?

 

Trunkenes Morgenvergessen

lässt nur den rötlichen Schein

schläfernden Wassers. — Ein Bohlen

Holz treibt ganz sachte herein,

 

lehnt an das Boot, als gehöre

er in das dämmernde Los

zagen Vergessens. — Jetzt weinst du,

oder — verträumst du dich bloß?

 

Seite 11   Trost / Von Karl-Heinz Jarsen

Er gehörte zum grauen unübersehbaren Treck der Vertriebenen. Grau war seine Kleidung — grau war sein Gemüt. Die Gewissheit, ärmer als Knecht und Magd dahinzutrotten, machte ihn traurig. Der Weg führte in die Fremde. Und die Fremde hatte weder Licht noch Wärme. Hinter seinem Rücken lag die Heimat, lagen Äcker und Gräber. Das betrübte — engte die Brust. Er ging gebückt.

 

Hungrig wie alle Vertriebenen, wollte er im nächsten Dorf um Brot bitten. Er klopfte an verriegelte Türen — klopfte sich die Knöchel wund. Vor jedem Fenster hing eine hölzerne Lade. In jede Lade war ein Herz geschnitzt, glatt gerundet, korrekt, ein Herz, leer und kühl.

 

Außerhalb des Dorfes, neben Wiese und Brachland — von niemandem beachtet — hockte eine windschiefe, strohgedeckte Hütte. Dorthin lenkte er seine Schritte, unwillkürlich. Im Näherkommen sah er eine magere Ziege, die auf der Wiese Gras rupfte. Er streichelte ihr struppiges Fell. Die beiden Fenster der Kate hatten keine Läden, auch fehlten Gardinen. Die Balkentür war nicht verschlossen. Der Flüchtling zögerte. Atmete tief. Besah seine blutigen Knöchel. Dann drückte er die grobgeschreinerte Buchenklinke. Die Tür knarrte in den rostigen Angeln. Er trat über die Schwelle.

 

Ein alter Kätner bewohnte die Hütte. Sein Wohnraum roch nach Armut. Der Alte hatte gute Augen. Er bewirtete den Fremden mit Schwarzbrot und Ziegenmilch. Mehr besaß er nicht „Warum geben Sie mir zu essen?" fragte der Vertriebene. „Weil ich selber nicht satt werde", sagte der Alte.

 

Es dämmerte. Die Nacht brach herein. Durch Tür- und Fensterritzen kroch krampfende Kälte. Der Alte zündete Feuer im klobigen Lehmherd der auch als Ofen diente. Die Holzscheite brannten knackend und knisternd und verbreiteten trockene Wärme, die beiden Männern wohl tat. Die Herdklappe blieb geöffnet.

 

Der Vertriebene wurde gesprächig. Er sprach in den rötlich flackernden Feuerschein, in die großen, zuweilen schwankenden Schatten, die er und sein Gastgeber auf die bröckligen Wände warfen. Jedes Wort aus seinem Munde war bitter, an jedem Wort klebte der Jammer, die Not. Und endlich seufzte er und sagte, dass sein Mut versiegt sei.

 

Der Alte schob Buchenscheite nach, sah sinnend in die rauchigen schwelenden Flammen, die sich langsam klärten, weil ihr trüber Schwalm zerwölkte. Wort für Wort fiel in die reinen geläuterten Flammen, ruhig und mild. Der Alte tröstete den Verzagten, gleich einem Menschen, der Not und Entbehrung am eigenen Leibe erfahren hat und sie trägt und sie erduldet, ohne zu murren und der trotz allem hofft und Gott vertraut, weil Gott größer als das Schicksal ist. Der Vertriebene fühlte, dass der Kummer sich von seiner Seele löste, wie grauer, krustiger Staub, der weggewaschen wird, und dass er freier atmen konnte. Er spürte nie geahnte Kräfte. Ja, jetzt fand er wieder Mut. Und er hoffte und vertraute Gott.

 

Sie schwiegen. Saßen gebeugt auf rohgezimmerten Schemeln, die Hände um ihre Knie gefaltet. Die Buchenscheite glommen. Ihre Gesichter färbten sich glutrot, alltägliche Gesichter, weder schön noch hässlich.

 

Nach einer Weile sagte der Alte: „Übernachten Sie in meinem Bett. Ich schlafe auf einer Steppmatratze neben dem Herd“. „Aber ..." „Ich bin es so gewohnt", wehrte der Gastgeber ab. Er schlurfte hinaus, holte seine Ziege, die am Herd auf Stroh ihr Lager halte.

 

Sie legten sich nieder. Lagen wach, die Hände im Nacken verschränkt. Starrten zur rußgeschwärzten Balkendecke, gedankenverloren.

 

„Warum haben Sie mich getröstet" fragte der Vertriebene. Der Alte erwiderte: „Weil ich selber Mut brauche.“

 

Seite 12   Walther von Etzdorf: Das Ordensland Preußen.

Die Geschichte der Prussen knüpft an die früheste germanische Geschichte an. In einem Teil des späteren preußischen Landes saßen in unmittelbarer Nachbarschaft mit den baltischen Prussen die Goten. Der Passargefluss, der bis in unsere Tage als Kulturgrenze eine Rolle spielte, bildete die Siedlungsgrenze zwischen Goten und Prussen.

 

Die Frage nach den Goten im alten Prussenlande war schon im Mittelalter Gegenstand einer Untersuchung. Der Tolkemiter Mönch Simon Grunau glaubte in seiner „Preußischen Chronik" einen Teil des Prussenvolkes auf gotischen Ursprung zurückführen zu können.

 

Es gibt aber noch frühere Zeugen. Die von Tacitus, Ptolemäus, Jordanes und Cassiodor meist als Nachbarn der Goten erwähnten Aestier, Aisten sind dieselben wie die alten Prussen. Ptolemäus führt als Nachbarn der Goten die Galindai, die Galinder auf. Nun kennen wir aber den Namen Galindo auch im spanischen Reich der Westgoten. Es ist durchaus nicht unglaubwürdig, dass Teile der Prussen den Goten auf ihrer Wanderschaft Gefolgschaft geleistet haben, wie es uns auch bei anderen germanischen Stämmen bezeugt ist.

 

Jedenfalls hat nach Meinung der Vorgeschichtsforscher im Weichselland bis ins sechste und siebente Jahrhundert hinein eine wesentlich gotisch bestimmte germanische Kultur bestanden. Und, wenn Cassiodor davon berichtet, dass eine Gesandtschaft der „Aestier" noch im sechsten Jahrhundert dem großen Gotenkönig Theodorich ein kostbares Geschenk aus Bernstein überbracht habe, so müssen auch noch kulturelle Beziehungen zwischen der alten Heimat und der neuen bestanden haben.

 

Mit der Errichtung des deutschen Ordensstaates im Prussenland begann in diesem Raum dann ein neuer, besonderer Abschnitt der deutschen Siedlungstätigkeit. Ein Vorläufer war der Versuch, den der polnische Kleinfürst Konrad von Masovien gemeinsam mit Heinrich von Schlesien unternahm, um die heidnischen Bewohner des Raumes zwischen Weichsel und Memel zum Christentum zu bekehren. Herzog Konrad war Herr des Kulmer Landes, dessen Gebiet sich im Süden Pomerellens und Preußens hinzog. Die Anregung zur Bekehrung ging von dem 1215 zum Bischof von Preußen geweihten deutschen Zisterziensermönch Christian aus. Genauso wie die Christianisierung Pommerns ein Jahrhundert vorher aus polnischer Politik heraus eingeleitet wurde, war es auch mit der Christianisierung des Prussenlandes.

 

Herzog Konrad ruft den Orden.

Zu diesem Zweck wurde von Herzog Konrad der Orden der Ritterbrüder von Dobrzyn, zu Deutsch: Drewenz, gegründet und mit dem Gebiet um Drewenz beliehen. Man verhandelte darüber vier Jahre. Erst als diese Ritter sich der gestellten Aufgabe nicht gewachsen zeigten und der Versuch scheiterte, bemühte sich Konrad nachhaltiger um die Verhandlungen mit dem Deutschen Orden, die schon lange neben denen mit den Drewenzern liefen. Als die Prussen sich erhaben und jede Spur christlicher Niederlassungen zerstörten, als sie darüber hinaus sengend und mordend in das Gebiet des Herzogs einbrachen und dieser bei seinen Polen und ihrem noch unreifen Christentum ohne Hilfe blieb, schickte er eine Gesandtschaft zum Hochmeister des Deutschen Ordens, Hermann von Salza, und lud den Orden zur Bekehrung der heidnischen Prussen ein.

 

Kaiser Friedrich II. bevollmächtigte den Orden dazu 1226 und verlieh ihm das Kulmer Land, das ihm eigentlich gar nicht gehörte, und alle künftigen Eroberungen im Prussenland mit der Gerichtsbarkeit und Herrlichkeit eines Reichsfürsten. Alle diese Länder sollten Glieder des Reichs sein. 1230 trat auch Herzog Konrad das Kulmer Land an den Orden ab, und schließlich erklärte der Papst das Land für Eigentum von St. Petri und überließ es dem Orden gegen einen an die Kurie zu zahlenden mäßigen Kammerzins. Diese Anerkennung erlaubte es dem Orden, das Land auch in kirchlicher Beziehung von Polen unabhängig zu machen. Es muss hierzu bemerkt werden, dass nach dem Glauben der damaligen Zeit alles Heidenland — und dazu gehörte auch das Prussenland — als eine Stätte notwendiger Bekehrung unter dem Schutze Roms stand. Die Inanspruchnahme dieses Rechts gebührte vorbehaltlos und unzweifelhaft dem Stellvertreter Christi auf Erden.

 

Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass dieses Werk christlicher Heidenbekehrung zu einer Zeit begonnen wurde, als der Kreuzzugsgedanke schon nicht mehr lebendig war. Man war den Tagen des begeistert-gläubigen Einsatzes für das Kreuz bereits entwachsen. Und so entbehrte der Kreuzzug, der nun begann, als solcher einer inneren Wahrhaftigkeit und einer auch nur sittlich unbedingt gerechtfertigten Grundlage.

 

Während die Ritterbrüder von Drewenz, die später im Deutschen Orden aufgingen, die Front nach Norden gerichtet hatten, wählte der Deutschritter-Orden die Burg Vogelsang bei Kulm zum ersten Stützpunkt. Damit kam ein ganz anderer strategischer Gedanke zum Ausdruck, der sich von dem der Drewenzer wesentlich unterschied. Der Orden hat sehr gewandt den Weichselbogen zwischen Thorn und Kulm als Ausgangspunkt seines Vormarsches nach Osten ausersehen, denn hier waren ihm zu Anfang die Flanken im Süden und Norden gedeckt. 1231 ist bereits das Gründungsjahr Thorns.

 

Die Eroberung ging also vom Kulmer Land aus. 1231 brach Hermann Balk mit seinem Kreuzheer und sieben Ordensbrüdern von Burg Vogelsang am Westufer der Weichsel auf und überschritt die Weichsel. In dieser Zeit regelloser Kriegführung offenbarte sich, dass der Orden aus den ???? (unlesbar) gelernt hatte, die er in Siebenbürgen hatte sammeln können. Der Vormarsch begann nach einem genau festgelegten Plan. In stürmischem Ausmaß von zwölf größeren und vielen kleinen Unternehmungen vollzog sich in hartem Kampf die Besitzergreifung des Heidenlandes. War ein Stück Landes vom Orden in Besitz genommen, so kamen Schiffe mit Balken und Steinen auf der Weichsel heran, um jeweils an den äußersten Grenzen des eroberten Raumes die Burgen errichten zu können, deren Plätze nach rein strategischen Gesichtspunkten vorzüglich gewählt wurden.

 

Planvolle Anlage der Burgen.

Der Vormarsch schob sich die Drewenz aufwärts nach Osten vor und erreichte im Jahre 1302 Osterode. Damit war der Orden von Kulm aus gerechnet über 100 Kilometer nach Osten vorgedrungen und stand im Quellgebiet der Drewenz an der preußischen Wasserscheide, deren Gebiet in seiner Ausdehnung durch die Plätze Gilgenberg (1272), Hohenstein (1303), Neidenburg (1310) und Ortelsburg (1350) gekennzeichnet war. Wo die Wasserscheide zwischen Gilgenberg und Hohenstein die Höhe von 234 Metern erreicht, liegt Tannenberg. Die fortschreitende Besitzergreifung des Landes ist durch die Reihe der Ordensburgen Kulm (1232), Rheden (1234), Starkenburg (1263), Gilgenberg (1272), Soldau (1300), Osterode (1302), Hohenstein (1303), Strasburg und Neidenburg (1310) und Ortelsburg (1350) treffend gekennzeichnet.

 

Da der Orden an der Drewenz von Anfang an zwischen Prussen und Polen operierte, musste er bei seinem Vorrücken stets nach zwei Seiten sehen. Er hat deshalb einen zweiten Vormarsch durchgeführt, der vor den Polen völlig sicher war: über die Haffe, die „langen Wasser" der Prussen. Hier hatte man eine das ganze Land begleitende Wasserstraße. Die Haffe steckten das Land für seine Besitznahme durch den Orden übersichtlich und klar ab, und die Durchlässe in die Ostsee haben dann ihre bedeutende Rolle gespielt.

 

Auf der Haffseite war mit der Burg Memel die östliche Grenze des Ordenslandes erreicht. Zudem konnte hier das Vordringen in einem viel kürzeren Zeitmaß als an der Drewenz entlang vor sich gehen.

 

Das Frische und das Kurische Haff sind zwar durch das Samland voneinander getrennt, aber trotzdem lag die natürliche Nordgrenze, eben durch die beiden Haffe bedingt, an der Nordspritze des Kurischen Haffs. Dort wurde 1252 die Memelburg durch den dem Deutschen Orden angegliederten livländischen Schwertritterorden gegründet, der damit die Hand auf die Memelniederung legte.

 

Dasselbe bedeutete für den Pregel und das Frische Haff die Gründung Königsbergs 1255 als Gegenstück zur Memelburg. Königsberg verdankt seine Entstehung König Ottokar von Böhmen, einem Teilnehmer am Heidenkrieg, und so ist die Krone im Wappen dieser Stadt die böhmische. Königsberg ist aber erst nach der Herstellung der Wasserverbindung zwischen den beiden Haffen, dem Deimekanal, 1405 die richtige Hauptstadt Preußens geworden, das seitdem Polen den Rücken zukehrte. Der eisfreie Hafen Königsbergs war von Anfang an auf den Handel mit Russland eingestellt.

 

Das Frische Haff wurde zuerst vom Orden erfasst. Elbing, das ja nicht unmittelbar am Haff liegt, sondern am Elbingfluss, dem Ausfluss des Drausees, wurde 1277 als Ordensplatz am Elbinger Tief errichtet und später von den Bürgern Elbings, das sich 1454 vom Orden losriss, zerstört. Im 14. Jahrhundert war das Tief durch Versanden schon nicht mehr vorhanden. Dann gab es noch zwei ältere Tiefs, die von Balga aus dem Jahre 1239 und von Braunsberg an der Mündung der Passarge aus dem Jahre 1254. Beide Tiefs sperrten die Danziger im 15. Jahrhundert durch Schiffsversenkungen und brachten so auch sie zum Versanden. Das vierte Tief ist das bei Lochstädt, das seit 1270 Ordensplatz war. Als es im 16. Jahrhundert einging, wurde es durch das Pillauer Tief ersetzt.

 

Im Kurischen Haff fanden sich früher bei Sarkau und Rossitten, dessen Ordensburg aus dem Jahre 1290 stammte, noch zwei Tiefs, über die aber Näheres nicht bekannt ist. Jedenfalls war das Memeltief zur Gründungszeit der Memelburg nicht das einzige.

 

Jenseits des Memeltiefs liegt in Polangen der natürliche Hafen Litauens, von dem man von der Ostsee her auf die russische Wasserscheide gelangt. Die Russen auf dieser Wasserscheide, die zwischen Minsk und Wilna die Höhe von 344 Metern erreicht, zurückzuhalten, war später die natürliche gemeinsame Aufgabe der Schwertbrüder und des Deutschen Ordens. Der Deutsche Orden belagerte 1399 Wilna in Litauen. Das war nach der Heirat Hedwigs von Polen mit Jagiello 1386 und der Vereinigung Polens mit Litauen. Man sieht, wie schnell und scharf der Orden die Gefahr erkannte und darauf antwortete.

 

Genauso wie Kulm und Osterode beziehungsweise Lyck sich gegenüberstehen, so auch Elbing und Memel. Die Luftlinie zwischen Kulm und Lyck beträgt etwa 260 Kilometer, die zwischen Elbing und Memel etwa 210 Kilometer. Liegt auf jener als Schwerpunkt die Wasserscheide mit Tannenberg, so auf dieser, der Hafflinie entsprechend, Königsberg.

 

Die Marienburg fügt diesen beiden großen Linien des Ordens ein vielseitiges Gesicht hinzu. Einmal scheint sie ein flussaufwärts geschobenes Elbing, zum anderen ein weichselabwärts geschobenes Kulm, und schließlich ist sie eine gegen Danzig gerichtete Feste. Dorthin und nach dem Danziger Werder sowie über die Weichsel nach Pomerellen hat sie gesehen.

 

Den Abschluss Preußen nach Osten bilden zwei im Norden spitzwinklig zusammenlaufende Seenlinien. Die Anfangsorte sind im Süden Lyck und Johannisburg. Angerburg liegt dort, wo diese Ketten aufeinander treffen und dort auch muss sich alles fangen, was vom Süden her in das Seengebiet gerät. Hier haben sich Abriegelungen bis an die Landesgrenze noch über Lyck und Johannisburg hinaus durch schwieriges Gelände hingezogen. Die alte Masurische Wildnis erhielt sich bis auf unsere Tage. Der Pass von Lötzen, der südlich der Angerburger Seen die Seenkette durchbricht, war ebenfalls durch eine Ordensburg gesperrt.

 

Raumgesetzlichkeit bestimmt Handeln.

Dass der Orden den Sinn dieser natürlichen Verteidigungslinien klar begriffen hat, ersehen wir aus der Tatsache, dass sowohl Lyck wie Johannisburg Ordensfesten waren. Die Rastenburg war die Ergänzung zur Angerburg, und Nordenburg muss man, wie der Name schon sagt, in Zusammenhang mit den beiden anderen sehen. An die Seenwildnis schließt sich nach Osten die Goldaper Höhe mit 310 Metern an.

 

Nördlich dieses ganzen Raumes öffnet der Pregel den Zugang nach Osten. Insterburg liegt am Zusammenfluss der drei Pregelquellflüsse. Das Gebiet von Insterburg-Gumbinnen war neben der großen Wasserscheide von Tannenberg ein Gefahrengebiet für Preußen.

 

Sehen wir uns nun die Lage im Westen des Landes an, so legt sich hier ein Querriegel vor: der 38 Kilometer lange Geserichsee und seine nördlich verlängerte Sumpfgebietsstrecke, halbwegs zwischen Elbing und Strasburg an der Drewenz. Bei Christburg führte ein Pass durch das Sumpfgebiet nach Ermland. Die Ordensburg hier bestand schon seit 1236. An der Südflanke des Geserichsees liegen Deutsch-Eylau und Osterode.

 

Die vier Bistümer des Ordenslandes waren dem Orden unterstellt. Von ihnen liegen Kulm und Pomesanien im Weichselgebiet. Das Kulmer Land hat sich bis an die Wasserscheide ausgedehnt. Der Bischofssitz war Löbau südlich Osterode. Der Bischof von Pomesanien saß in Riesenburg. Frauenburg aus dem Jahre 1242 war Sitz des Bistums Ermland. Der Bischof von Samland hatte Fischhausen am ehemaligen Lochstädter Tief zum Sitz.

 

Es sei noch hinzugefügt, dass in Preußen viele mittelalterliche Ordens- und auch andere Burgen auf prähistorischem Boden standen. Ihre Namen sind altpreußisch, wurden der Örtlichkeit entnommen oder tragen für den christlichen Ritterorden kennzeichnende Namen.

 

Wie sehr die Gesetzlichkeit des Raumes das Handeln des Ordens bei der Inbesitznahme des Landes bestimmte und auch später dann seine Geschichte sich danach ausrichten musste, ist ein leicht fassliches Beispiel dafür, dass man die Geschichte eines Landes nicht zu begreifen vermag, wenn man nicht ein klares Bild von der Landschaft hat, die ihr Gesetz den Menschen auferlegt, die in ihr wirken.

 

Seite 12   „Schützengilden“ mit alter Tradition. In jeder Ordensstadt stand ein Schießbaum.

Im Sommer feierte man in allen westpreußischen Städten unter Beteiligung der gesamten Bevölkerung die altüberlieferten Schützenfeste. Bis in die letzten Jahre vor dem zweiten Weltkriege sind die Schützenfeste im Ursprungslande des Deutschordensstaates die Volksfeste geblieben, die sie schon während der Ordensherrschaft waren.

 

Der alte deutsche Brauch der Schützenbrüderschaften aus dem frühen Mittelalter kam unter dem Ritterorden auch nach Altpreußen und hier war es der bedeutendste der Ordenshochmeister, Winrich von Kniprode (1351 bis 1382), auf dessen Anregungen die meisten der alten west- und ostpreußischen Schützengilden ihren Ursprung zurückführen. Das Ziel, das der Hochmeister mit der Gründung von Schützengilden in allen damals bestehenden Städten des Ordenslandes verfolgte, war ein sehr reales.

 

Die vielfach aus verschiedenartigen deutschen Volkselementen sich zusammensetzende Bürgerschaft sollte im freiwilligen Waffendienst, im Schießen mit der Armbrust geübt werden und sich gleichzeitig fest zu einer wahrhaften Gilde zusammenschließen, die alle Bürgerklassen umfasste. Der Hochmeister ordnete an, dass in jeder Stadt ein Schießbaum aufgestellt wurde, der einen Vogel, nicht immer einen Adler, als Zielobjekt auf seiner Spitze trug.

 

Denjenigen der Bürgerschützen, die einzelne Teil des hölzernen Vogels mit dem Bolzen der Armbrust herunterschossen, winkten mannigfache Geschenke. Schützenkönig aber ward derjenige, der den letzten kleinen Rest des Vogels zu Fall brachte. Ihm wurde als Auszeichnung ein silberner, vergoldeter Vogel an silberner Kette umgehängt, und es entwickelte sich alsbald der Brauch, an diese Schützenkette die Wappen und Hauszeichen der vorangegangenen Schützenkönige anzubringen.

 

Seite 12   Künstlerstolz

Der Bildhauer Schadow, berühmt durch seine Quadriga auf dem Brandenburger Tor, schätzte überhaupt nicht, dass die jungen Künstler lieber italienische als deutsche Motive malen wollten.

 

„In Italien“, sagte er, „jefallen ma de Beeme nich. Immer diese Pinien und Zypressen! Die eenen sehen aus wie uffjeklappte Rejenschirme und die anderen wie zujeklappte“.

 

Seite 13   Vor zweihundert Jahren. Die Schlacht bei Groß Jaegersdorf am 30. August 1757.

Schwer und drückend lastete der besonders heiße Sommer des Jahres 1757 über den ernteschweren Feldern Ostpreußens. Viel Unruhe und Sorge gab es im Lande: weit in der Ferne in Böhmen und Schlesien, führte der König schon seit einem Jahr jenen Krieg, der in die Geschichte  als der „Siebenjährige" eingehen sollte. Den Ostpreußen aber erschien es sicher, dass nun auch der Russe in der Reihe der Feinde Preußens in Bälde seinen Feldzug beginnen würde — zuerst mit einem Stoß gegen das alte Ordensland, das genau hundert Jahre vorher die Tataren so unmenschlich verwüstet und ausgeraubt hatten.

 

Bei einem Kampf gegen die Russen war die auch damals durch einen „polnischen Korridor" von den brandenburgischen Landen abgetrennte Provinz auf sich selbst und die in ihrem Gebiet stehenden Truppen angewiesen! beim besten Willen konnte der gegen stete Übermacht fechtende König keine Truppen für den Osten abzweigen. So waren es denn nicht eben starke Kräfte, die der mit der Verteidigung beauftragte 73-jährige Feldmarschall von Lehwaldt, „Erbherr auf Massaunen, Honigbaum, Regitten pp." gegen die mehrfach überlegenen Moskowiter aufstellen konnte: an eigentlichen Kampftruppen nur 16 Feldbataillone aus den späteren ostpreußischen Grenadier-Regimentern, 50 Schwadronen Dragoner und Husaren, 70 Geschütze. Dazu traten, der Not entsprechend, 12 im Felde wenig brauchbare Garnisonsbataillone, das sogenannte Königsberger Landregiment und die etwa 2000 Landmiliz, wobei die beiden letzten Formationen nur etwa den Gefechtswert des Landsturmes besaßen. Insgesamt waren es knapp 24 000 Mann, während man die Stärke der russischen Feldarmee mit mehr als 100 000 Köpfe beziffern musste.

 

Die Stärke der preußischen Truppen lag jedoch darin, dass in ihren Reihen fast durchweg Ostpreußen standen, die beseelt waren vom besten Willen zur Verteidigung ihrer Heimat.

 

Vom April 1757 ab sicherte die Landmiliz, eine alte aber nur selten in Notzeiten zusammengerufene Bauernformation, die Grenze gegen Russland sowie die Küste. Aufgestellt waren sechs starke Kompanien unter der Führung ehemaliger Offiziere und zwar in Johannisburg, Lyck, Treuburg, Goldap, Stallupönen und Pillkallen. Ihren Rückhalt bildeten die Förster zu Fuß und zu Pferd mit ihren Jägerburschen und dem Forstpersonal. Die Miliz kam mehrfach ins Gefecht, so später bei russischen Landungsversuchen in der Gegend von Labiau, und hat sich ganz gut geschlagen.

 

In den ersten Tagen des August überschritten die Russen in mehreren Kolonnen die Grenze, eine Kolonne stieß auf Memel vor, das verloren ging, die Hauptkräfte traten auf Insterburg an, starke Massen regulärer und irregulärer Kavallerie gingen südlich der Rominter Heide vor, Verwüstungen, Brände und Grausamkeiten bezeichneten überall ihre Anmarschwege.

 

Die Anweisung Friedrichs des Großen an Lehwaldt ging dahin, die russischen Armeeteile einzeln anzugreifen. Einen wirklich nachhaltigen Erfolg für Ostpreußen hat er sich aber anscheinend dieser Übermacht gegenüber nicht versprochen, denn er schreibt selbst, man müsse leider die Äste opfern, um den Stamm zu retten. Zur Unterstützung des alten Feldmarschalls entsandte er einen seiner fähigsten Flügeladjutanten nach Ostpreußen, den Major von der Goltz. In einem unwahrscheinlich schnellen Ritt legte er von Schlesien aus die weite Entfernung zurück, aber sehr bald musste er das schwere Verhängnis erkennen, das sich über der Provinz zusammenballte. In einem noch vor der Schlacht geschriebenen Brief beklagt er bitter die ihm zugewiesene tragische Rolle und schließt mit den ahnungsvollen Worten: „Nun bleibt nichts übrig als den rühmlichen Tod fürs Vaterland zu sterben ..." Er suchte auch später im Kampf den Tod, eine Kanonenkugel riss ihm den Kopf ab.

 

Am 30. August, einem sehr heißen Spätsommertage, kam es in der Gegend von Nordkitten zur Schlacht und zwar griffen die Preußen überraschend gegen 4 Uhr morgens an. Bei den heute so gänzlich veränderten Gefechtsverhältnissen mag es vielleicht nicht von großem Allgemeinem Interesse sein, an dieser Stelle alle Einzelheiten des Kampfes zu verfolgen. Nur einiges Entscheidende mag erwähnt sein. Infolge einer verfehlten Erkundung stieß der Angriff Lehwaldts nicht, wie beabsichtigt, auf den russischen linken Flügel, sondern geradewegs in die starke Mitte hinein. Trotz dieser ungünstigen Anfangslage ging dank der Tapferkeit der Ostpreußen zunächst noch alles gut, zahlreiche Geschütze wurden erbeutet, russische Kavallerie wurde von den Dragonern und Husaren zersprengt, ein feindliches Grenadierkorps wurde im Walde aufgerieben. Schon grüßte ein Sieg die preußischen Fahnen, da wendete sich das Glück. Beißender Rauch und Qualm aus den brennenden Dörfern und Gehöften schlug den Angreifern in die Augen und erschwerte den Zusammenhang der kämpfenden Teile. Das zweite Treffen, aus den Garnisonbataillonen bestehend, feuerte, in seiner Sicht behindert, versehentlich auf eigene Truppen. Im Laufe der Stunden machte sich nun doch immer mehr die russische Übermacht geltend, eine Umfassung drohte dem kleinen preußischen Korps. Am frühen Nachmittag ging daher Lehwaldt zurück, zum Teil die Truppen mit klingendem Spiel. Der Rückzug war nicht lang, er ging über den Pregel auf das nur 12 km entfernte Lager bei Wilkendorf. Der Russe wagte nicht zu folgen, ebenso wenig wie einst nach der Schlacht bei Tannenberg 1410 Jagiello zur Verfolgung des Ordensheeres angetreten war.

 

Das preußische Korps hatte in dem harten neunstündigen Kampf an Toten, Verwundeten und Gefangenen 123 Offiziere, 4500 Mann und 28 Geschütze verloren, die Russen etwa 7000 Mann und 30 Geschütze.

 

Gr. Jägersdorf war kein Sieg und keine Niederlage, in jedem Falle aber ein Ehrentag für die ostpreußischen Truppen. Friedrich der Große verfuhr in der Regel nicht gerade glimpflich mit Generälen, denen ein Erfolg im Felde versagt war, in diesem Falle aber urteilte er anders. In seiner Geschichte des Siebenjährigen Krieges schreibt er: „Wenn Lehwaldt selbst begabt gewesen wäre wie Prinz Eugen, wie hätte er mit 24 000 Preußen die 100 000 Russen schlagen können?"

 

Unmittelbare Folgen der Schlacht blieben aus. Schon am 14. September konnte Lehwaldt dem König den Rückzug der Russen melden. Mitte Oktober war ganz Ostpreußen außer Memel frei: Die Gründe für den schwer verständlichen russischen Rückzug sind bis heute noch nicht völlig geklärt. Vielleicht haben englische Bestechungsgelder eine Rolle gespielt, denn die Zarin ließ ihren Oberbefehlshaber, den Grafen Apraxin, in der Festung Narva in Ketten legen. Vielleicht spielte auch die Rücksicht auf den rassischen Thronfolger mit, der ausgesprochen preußenfreundlich war.

 

Im Verlauf der nächsten Monate ließ der König alle ostpreußischen Regimenter unter Lehwaldts Führung nach Pommern zum Kampf gegen die Schweden abrücken, Ostpreußen war schließlich auf die Dauer doch nicht zu halten. Für die ostpreußischen Truppen trat damit der schlimme Zustand ein, dass sie mit der Aufgabe der Provinz gewissermaßen heimatlos wurden, da sie ihre heimatlichen Aushebungsbezirke verloren. Von den schweren Verlusten bei Gr. Jägersdorf, vor allem an Offizieren, vermochten sich die aktiven Regimenter während des ganzen Krieges ohnehin kaum zu erholen. Für die gesamte Armee war der Ausfall der ostpreußischen Pferde sehr fühlbar.

 

Anfang Januar 1758 erschienen die russischen Heere wieder und nahmen nun ohne Widerstand die Provinz auf fast vier Jahre in ihren Besitz. Darüber wird vielleicht ein andermal zu reden sein.

 

Noch vor dem 2. Weltkrieg wurden in der Norkitter Gegend beim Pflügen alljährlich zahlreiche Bleigeschosse und Kanonenkugeln gefunden — ein Zeugnis für die Heftigkeit jener Kämpfe. Ein Kaufmann in Norkitten, dessen Namen mir leider entfallen ist, hatte als Heimatforscher eine ganze Menge davon in seinem Büro. General a. D. Walther Grosse

 

Skizze Groß Jaegersdorf 1757 (Preussen, dunkel gekennzeichnet. Russen, hell gekenzeichnet)

 

Seite 13   Zweite Trakehner-Auktion 1957

Da auch in Niedersachsen verschiedene Zuchtstätten des Trakehner Warmblutpferdes bestehen und in Hunnesrück sogar ein Trakehner Gestüt aufrechterhalten wird, dürfte es von Interesse sein, dass der Trakehner-Verband den Beschluss gefasst hat, in diesem Jahr außer seiner erfolgreichen Frühjahrsauktion noch Ende Oktober oder November wieder in Dortmund in der Kleinen Westfalenhalle eine Trakehner-Auktion von Reitpferden aufzuziehen, zu der 33 Pferde zugelassen werden sollen.

 

Seite 13   Deutsche Schulen bleiben bestehen.

Wie die in Breslau in deutscher Sprache erscheinende „Arbeiterstimme" meldet, bleiben in den polnisch verwalteten deutschen Ostgebieten nach Abschluss der Familienzusammenführung die deutschsprachigen Schulen bestehen.

 

Seite 13   Wir empfehlen heute besonders.

Ernst Wiechert. Im Gedenken an seinen Todestag am 24.08.1950.

„Nur zu dem, der nicht fragt, kommen alle Geheimnisse“. Ernst Wiechert

 

Das Werk in Einzelausgaben:

Der Exote, 228 S./Ln., DM 9,40

Die Jeromin-Kinder, 980 S./Ln., DM 19,50

Das einfache Leben, 336 S./Ln., DM 13,80

Die Magd des Jürgen Doskocil, 272 S./Ln., DM 8,50

Missa sine Nomine, 352 S./Ln., DM 13,70

Die kleine Passion, 336 S./Ln., DM 10,80

Wälder und Menschen, 320 S./Ln., DM 9,50

Jahre und Zeiten, 488 S./Ln., DM 16,80

Die Flöte des Pan, 254 S./Ln. DM 9,50

Atli der Bestmann Tobias, 64 S./Geb., DM 2,80

Hirtennovelle, 112 S./Ln., DM 4,80

Das heilige Jahr, 64 S.,/Geb., DM 2,80

Der ewige Stern, 216 S./Ln., DM 9,50

Der Richter, 48 S./Geb., DM 2,80

Der Vater, 68 S./Geb., DM 2,80

Der silberne Wagen, 240 S./Ln., DM 9,50

Gesegnetes Leben, 408 S./Ln., DM 9,80

Das Spiel vom deutschen Bettelmann, 48 S./Geb., DM 2,80

Meine Gedichte, 96 S./Geb., DM 4,80

An die deutsche Jugend, 144 S./Ln., DM 5,80

Totenmesse, 56 S./Geb., DM 2,80

Von den treuen Begleitern, 16 S., DM 1,20

Helmuth Ollesch: Ernst Wiechert. Biographie, 124 S., DM 3,80

Über das Gesamtwerk des Dichters bitte Sonderprospekt anfordern.

 

Seite 14   Wir gratulieren!

Zum 95. Geburtstag

Johann Grimm, aus Jorksdorf. Kreis Labiau, am 20. Juli 1957 in Flensburg, Flurstraße 24. Der Jubilar ist geistig noch erstaunlich rege und nimmt lebhaft Anteil am Zeitgeschehen. Bewundernswert ist sein Gedächtnis. So erzählt er noch oft von seiner Soldatenzeit in einer Ausführlichkeit und unter Angaben von Daten, Namen und Einzelheiten, als wäre es erst kurze Zeit her und läge nicht bereits 75 Jahre zurück. Auch aus seinem Berufsleben — er war Steinsetzmeister und Tiefbauunternehmer — weiß er interessant zu erzählen. Seine Sorge ist, dass er für seine Schadensfeststellung keinerlei Beweismittel beizubringen vermag, da sämtliche Unterlagen auf der Flucht verloren gingen und Zeugen bislang nicht zu ermitteln waren. Wir würden uns freuen, wenn es auf diese Weise gelänge, einen Bekannten, der über die Besitzverhältnisse des Jubilars Bescheid weiß und darüber Angaben machen kann, aufzufinden.

 

Zum 88. Geburtstag

Witwe Marie Gerwien, aus Königsberg/Pr. am 10. Juli 1957 in Lenglern bei Göttingen.

 

Zum 85. Geburtstag

Berta Anders geb. Peitsch, aus Riechenau, Kreis Thorn zuletzt wohnhaft in Siegfriedsdorf, Kreis Briesen, am 18. Juli 1957 in Sulingen.

 

Wilhelmine Hagelmoser geb. Steckel, aus Simonischken, Kreis Insterburg, am 25. Juli 1957 in Friesoythe/Oldenburg.

 

Johanna Wittkowsky geb. Girnus, aus dem Kreis Schloßberg am 8. Juli 1957, in Hildesheim, Altersheim Hückedahl.

 

Zum 84. Geburtstag

Christoph Schuleit, aus Memel am 12. Juli 1957 in Stollhamm, wo er, von seiner Tochter Marie treu umhegt, seinen Lebensabend verbringt.

 

Zum 70. Geburtstag

Otto Podszuweit, aus Kanitz am 30. Juli 1957 in Göttingen. Der Jubilar gebürtig aus der Elchniederung, war hier lange Jahre und später in Masuren als Lehrer tätig, zuletzt in Kanitz als Schulleiter und Vorstand einer Raiffeisen-Bank. Heute wirkt er als Organist der Anstaltskirche des Niedersächsischen Anstaltskrankenhauses und versieht seinen Dienst mit großer Hingabe. Er gründete hier auch einen Schwesternchor, den er heute noch leitet.

 

Zur Diamantenen Hochzeit

Eheleute Emil Hildebrandt und Amalie Hildebrandt, geb. Besatzki, aus Kuglacken, Kreis Wehlau wo der Jubilar 31 Jahre auf dem Gut Fernow als Gutskämmerer tätig war, am 18. Juli 1957 in Emmendorf, Kreis Uelzen.

 

Eheleute Gottlieb Kretzer und Auguste Kretzer, geb. Krause, aus Gallitten, Kreis Bartenstein, am 3. Juli 1957 in Neukloster/Niederelbe, wo das Ehepaar in einer armseligen Baracke lebt.

 

Zur Goldenen Hochzeit

Eheleute Franz Albrecht und Maria Albrecht, geb. Wittke, aus Germau bei Palmnicken, zuletzt wohnhaft in Groß-Blumenau am 6. Juli 1957 in Barnkrug/ Niederelbe.

 

Eheleute Hermann Stadie und Gertrud Stadie, geb. Breyer, aus Vierzighuben, Kreis Pr.-Eylau. wo der Jubilar von 1907 bis 1945 als Lehrer tätig war. 15. Juli 1957in Radbruch, Kreis Winsen.

 

Eheleute Hermann Waschat und Anna Waschat, geb. Preukschat, aus Kischen, Elchniederung, am 15. Juil 1957 in Radbruch, Kreis Winsen.

 

Das Heimatblatt „Ostpreußen-Warte wünscht allen Jubilaren recht viel Glück und auch fernerhin beste Gesundheit!

 

Seite 14   Turnerfamilie Ostpreußen - Danzig - Westpreußen

Anschrift: Wilhelm Alm Oldenburg (Oldb.), Gotenstraße 33.

Herzliche Glückwünsche zum Geburtstage den Kindern des August 1957.

 

am 08.08.1957:  Hans-Jochen Gliemann (Lyck), 40 Jahre

 

am 13.08.1957: Günther Laetsch (KMTV Königsberg), 40 Jahre

 

am 16.08.1957: Ruth Kamp-Stange (Insterburg), 50 Jahre

 

am 23.08.1957: Erna Unruh (KTC Königsberg), 50 Jahre

 

am 04.08.1957: Eberhard Benkmann (Zoppot), 60 Jahre

 

am 08.08.1957: Ernst Nelte (Tgm Danzig), 82 Jahre

 

am 31.08.1957: Max Tribukait (KMTV Königsberg), 82 Jahre

 

Johanna Loebel, die letzte Kreisfrauenturnwartin und Vorsitzende des Königsberger Frauenturnvereins von 1890 ist anlässlich ihres 80. Geburtstages am 24.07.1957 von sehr vielen alten Turnerfreunden beglückwünscht worden, u. a. auch vom dem Ehrenmitglied des Deutschen Turnerbundes Wilhelm Braungardt. Auch „Deutsches Turnen", die amtliche Zeitschrift des DTB hat in der 2. Juliausgabe ihrer ehrend gedacht.

 

Der Königsberger Turnclub hatte seine Mitglieder in großer Zahl zu einem Vereinstreffen vom 19. bis 23. Juli 1957 in der Volksheimschule zu Rendsburg versammelt, der Ort, an dem vor 10 Jahren das erste Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen stattfand. Die Marienburger Turner haben sich gelegentlich eines Heimattreffens am 23.06.1957 in Hamburg und die Tiegenhöfener Turner aus gleichem Anlass am 21. Juli in Füllrath bei Düsseldorf getroffen.

 

Kurt Schmidt und Frau Lotte Schmidt, geb. Lau vom KMTV Königsberg gelten unsere herzlichsten Glückwünsche zur Silberhochzeit am 01.08.1957.

 

Das X. Wiedersehenstreffen unserer Turnerfamilie beim Deutschen Turnfest 1958 in München ist auf Dienstag, den 29. und Mittwoch, den 30.07.1958 festgelegt worden. Für die Hauptfeier am 29. steht uns ein Saal im Löwenbräukeller zur Verfügung. Wer dieses turnerische Hochfest miterleben will, bedenke beizeiten die Kosten und spare! Onkel Wilhelm

 

Seite 14   Aus den Traditionsverbänden. Bund ehem. Tilsiter Prinz-Albrecht-Dragoner.

 Kamerad — ich rufe Dich!

Der Bund ehem. Tilsiter Prinz-Albrecht-Dragoner wurde 1954 als Nachfolger des bis 1945 bestandenen „Prinz-Albrecht-Bundes" (der Dachorganisation des Offiziersvereins Drag. 1 und des Drag. 1 Kameradschaftsvereins in Tilsit-Ragnit, Gumbinnen, Insterburg, Königsberg und Berlin) gegründet.

 

Zweck des Bundes ist es, die Tradition unseres jetzt 240 Jahre alten Regimentes weiterzuführen und den alten Kameradschaftsgeist zu pflegen.

 

Unserem Bund sollen alle ehemaligen Dragoner des Regiments angehören. Seit 1954 findet jährlich ein Treffen statt. Über die Ereignisse in unserem Bund wird in nach Bedarf erscheinenden Rundschreiben unterrichtet.

 

Beiträge nur nach freiwilliger Selbsteinschätzung (Kreissparkasse Hofgeismar. Kto. Nr. 405). Bedürftige Kameraden brauchen keine Beiträge zu zahlen. Es wird jedoch gebeten, wenigstens 50 Pfg. in Briefmarken zur Deckung der Unkosten für die Rundschreiben einzusenden.

 

An die Kameraden in wirtschaftlich „besserer" Position richten wir die Bitte, durch höhere Beiträge sogenannte „Patenschaften“ für die „finanzschwächeren“ Kameraden zu übernehmen. Je höher diese Spenden desto mehr Zuschüsse für die Teilnahme an unseren Treffen können wir an bedürftige Kameraden vergeben.

 

Der Bund umfasst heute 83 Kameraden aller Dienstränge. Viele ehemalige Dragoner unseres Regimentes stehen aber noch abseits des Bundes. Es wird daher nochmals zum „Appell" geblasen! Prinz-Albrecht-Dragoner, meldet Euch bei Bruno Masurath, Hofgeismar, Marktstraße 13.

 

Traditions-Verband der ehem. 291. Inf.-Div. Kameradenhilfswerk e. V.

Viertes Divisions-Treffen in Würzburg.

Liebe Kameraden! In wenigen Wochen werden wir uns zum 4. Divisions-Treffen versammeln. Wir treffen uns am 7./8. September 1957 in Würzburg und hoffen, dort vor allem die Kameraden aus dem süddeutschen Raum zu finden, denen es aus zwingenden Gründen bisher nicht möglich war, an den vorhergehenden Divisionstreffen teilzunehmen. Dieser letzte Appell soll Euch mahnen an Verpflichtungen, die ihr als Überlebende des großen Krieges sowohl den gefallenen und vermissten als auch den noch lebenden Kameraden gegenüber habt. Und wenn durch Eure Teilnahme am Treffen nur einige wenige Vermisstenschicksale geklärt werden können, liebe Kameraden so sollte das Lohn und Dank zugleich sein dafür, dass Ihr willig unserem Rufe gefolgt seid. Sollte einem Kameraden die Teilnahme am Treffen nur unter größten finanziellen Schwierigkeiten möglich sein, so wende er sich an den Vorsitzenden unseres Traditionsverbandes.

 

Und nun: Auf zum Wiedersehen in Würzburg! Meldungen bitte sofort zu richten an den 1. Vorsitzenden, Oberst a. D. Kurt Illas, Oldenburg i. O., Bremer Straße 64.

 

Traditionsgemeinschaft der ehem. 61. Ostpreußischen Inf.-Division.

Angehörigen-Treffen in Düsseldorf.

Zum ersten Mal nach Kriegsende findet am 28. und 29. September in Düsseldorf ein Treffen der Angehörigen der ehemaligen 61. ostpreußischen Infanterie-Division statt. Wir hoffen, gelegentlich dieses Treffens eine Reihe von Vermisstenschicksalen unserer Kameraden klären zu können, deren Klärung trotz der vorbildlichen Suchdienstarbeit des Deutschen Roten Kreuzes bis heute nicht gelungen ist. Wir bitten um eine recht rege Beteiligung an unserem Bundestreffen. Alle Anfragen sind zu richten an Dipl.-Ing. Horst Mathow, Köln-Lindenthal, Meister-Ekkehart-Straße 1.

 

Glückwunsch zum Staatsexamen.

Wir gratulieren Hanns-Jürgen Papendick aus Seesen/Harz, Talstr. 57, zum bestandenen Staatsexamen für das Lehramt an Höheren Schulen an der Universität Hamburg in den Fächern Physik, Mathematik und Leibeserziehung. Hanns-Jürgen Papendiek ist der Sohn des Schulrats a. D. Papendick aus Gerdauen.

 

Seite 14   Alfred Lau. Sien goode Jehann.

Dree Joahr hadd Jehann biem Kommöß affgeräte,

Dat kunn he tiedläwens nu nich mehr vergäte.

He deend bie de Schaschkes, doa mußd he marschöre.

 

On scheete on fechte on eskaladöre.

E gooder Soldoat weer he ömmer gewäse,

He wör ook nich domm, he kunn schriewe on läse,

 

Drom ös de Herr Hauptmann v. Breiten gekoame

On hätt dem Jehann als Borsch söck genoame.

Nu wär et to End möttet Exerzöre,

Möt Posteschuwe on Präsentöre,

Möt Gröffekloppe on Stoawedeensmoake,

Nu mußd ferem Hauptmann he Kaffee koake

On kunn, wat weere dat herrliche Tiede,

Dat Peerd vom Hauptmann potze on riede,

De Böxe beegle, de Stäwel schmeere,

He hadd ook all Lost tom Kapitoleere

On freid söck all däg, bloß et wurd mischt drut,

He mußd tohus, on doa weer et ut. —

Nun sönn bisachtke all väle, lange

On goode on schlechte Joahre vergange,

Jehann obber dreemt, on liggt se ook wiet,

Noch ömmer von siene Soldoatetied.

On eenem Morge doa kreeg he e Breef

Vom Herr von Breiten. De Hauptmann schreew:

„Mein braver Bursche, mein lieber Johann,

Ich bin nun ein alter und kranker Mann,

Doch eh' ich zur großen Armee muss gehen,

Will ich noch einmal Dich wiedersehen.

Drum möcht ich Dich bitten, komm bald mal hierher,

Das Geld für die Reise das steckt im Kuvert“.

Doa schmeet önne Brost söck ons goode Jehann

On tog siene sinndagsche Böxe an,

Fer Freid hadd he boold dat Göld noch vergäte,

On stoppd önne Lischke söck wat to äte,

Veer Eier on Worscht on e grotem Knust,

Denn reisd he aff, dem Balljett önne Fust.

Wat hät de Herr Hauptmann söck bloß gefreit,

Wie möt eent sien Johannke nu vär em steiht!

Erscht göfft et e Schnaps on e Glaske Wien,

Denn goahne se rut oppem Hoff, önne Schien.

Ook e Ziehgarr kröggt he önt Mul gestoake,

On de ohle Mamsell dä mott Möddag koake.

Denn deiht he dem Stall on den Peerd besehne,

On dä Ziehgarr, dä krätsche, dä wöll nich tehne.

Toletzt zeigt de Hauptmann, de Ooge voll Troane,

Em stolz grote Bilder von all siene Oahne,

On deiht em vertelle on göfft em to läse,

Wie tapfer se sönd als Soldoate gewäse,

Wieväl se häbbe de Oarme gegäwe,

On wat se häbbe geschafft ön ähr Läwe.

Doa staunt de Jehann on deiht äwerlegge,

He michd em doch ook nu wat Goodes segge,

Et geiht em ditt on datt dorchem Sönn,

Doch wat Vernömftget fallt em nich ön.

Denn hät he möt ent e Gedanke erwöscht,

Dä ward oppe Stell nu ook oppgedöscht:

„Joa, joa, Herr Hauptmann, so ös et öm Läwe,

Wat nutzt allet Steete on Schuwe on Sträwe,

Wat blöwt toletzt von dat Wörge on Renne?

Wie bi e Kartoffel, so ös ook bi Enne:

Wat nuscht mehr daugt, dat Struk, dat steiht boawe,

Dat beste Dehl liggt önne Örd vergroawe“.

 

Aus „Kriemelchens", Gedichte in ostpreußischer Mundart von Dr. Lau. Gräfe und Unzer Verlag, München.

 

Seite 14   Landbriefträger Ernst Trostmann erzählt. (48)

Liebe ostpreißische Landsleitel

Herrjeehs, war das e Hitz! Mir is direkt der ganze Grips verpraaselt. Von einem Tag aufem andern dachd ich, es wird sich begeben, es muss sich doch endlich mal abkiehlen, aber de Sonnche prickeld runter, dass de Schwart Blasen zog und de Hiehner gekochte Eier legden. De Piekatz kroff umme Plump rum, und de Hundchens hing de Zung länger äußem Hals wie hinten der Zagel. Einmal mitte Augen plinkern war all e schwere Arbeit, wo aus alle Knopflöcher schwitzen tatst. Es war direkt wie in die Wieste Sahara, und wir waren die lechzenden Kamele. Kochen war ieberhaupt nich meeglich, wir lagen tagieber lang inne Hotz und lauerden aufem Regen. Nachts schlich ich mir barfuß am Sprint im Unterdorf und hold Wasser. Dabei mißd ich iebre Steintrepp hoppsen wie e Pogg, dass ich mir nich de Fußsohlen verbriehen tat. Denn kochd de Emma e Patscheimer voll plimprigem Kaffee, so e richtge Schlorrensupp, die ließen wir abkiehlen, so gut wie ging, und in uns reinlaufen, dass wir nich verdursterden. Zuletzt, wie einfach nich mehr auszuhalten war, band ich mir a alte Salwjett umme Hiften und huckd mir mit nuscht weiter an aufe kalte Platt vonnem Herd wie so e indischer Fakir auf e Nagelbrett. Das gab wenigstens e bißche Kiehlung von unten.

 

Auch de Emma dekotlettierd sich bis aufem Bauchnabel. Am liebsten hädd se noch de Haut ausgezogen, aber das ging nich. Es waren firchterliche Tage, und wir dachden all, de Welt geht unter und wir wurden aller bei lebendigem Leib gebraten wie Biefsticke aufe Pfann.

 

Endlich sibberd es e bißche vom Himmel, und de Oual war vorbei. Nei, nei, e bißche warm is ja ganz scheen, aber so e Hitz wie diese Hitz, denn soll all lieberst Steiners auße Erd frieren. Dabei kann einer sich doch bei wenigstens von außen und von innen bepummeln und beheizen.

 

Wie ich klein war, hädden wir auch mal so e heißem Sommer, dass de Spuck untre Zung kochd, und de Hitz stieg de Trine im Kopp, wie Se gleich sehn werden. Eigentlich hieß se Elwira-Agate, ihre Mutter war nämlich Schleiertänzerin beim Zigeiner-Zirkus gewesen, e Vater hadd se keinem. Se wolld ihr partuh als Seiltänzerin ausbilden, deshalb gab se ihr so vornehme Namens. Aber se wurd immer dicker und kriegd das Hoppsen aufe Wäschelein nich raus. Denn taten se ihr mästen und stellden ihr aus als „Elwira-Agate, die dickste Dame der Welt“. Das ging aber auch schief. Se war ja mit die Jahre e ganz scheener Wonneproppen geworden, aber wie de Frau vom Bauer Strunskus ihr inne Vorstellung im Zelt aufem Anger sah, machd se bloß mitte Hand e wegwerfende Bewegung und hob sich hinten dem Rock hoch.

 

Da war de große Karrjäre vonne Elwira zu End, und se ließen ihr im Dorf bei Strunskussens als Schwarwerkersche, und von dem Tag an hieß se einfach Trine, weil einer zum Scharwerken nich so feine Namens brauch und es auch leichter auszusprechen is.

 

Aber gleich inne erste Nacht ging ihr schlecht. Se mißd inne Kich schlafen, und zwar inne scheene, breite Schlafbank, und solld um fimf aufstehen, de Hiehner rauslassen. Das tat se auch, aber se sah so mied und elend aus, dass es de Strunskus'sche rein zerbarmen tat. Se hat sicher Heimweh nach ihre Zirkusleite, dachd se und fragd ihr mitleidig, ob se schlecht geschlafen hädd. „Das gerad nich“, sagd de Trine, „aber mir tut der Puckel weh. Ich hab bei uns immer lang gelegen und kann das Hucken in die krätsche Schlafbank nich vertragen. Aber ich denk, das gewehnt sich mit die Zeit“. Wie die Schlafbank denn ausgezogen wurd und se sich lang reinlegen konnd, da machd se große Kulleraugen und meind ganz treiherzig: .“Na drum. Ich wolld bloß nuscht sagen, aber es kam mir gleich e bißche drollig vor“.

 

Bei e Arbeit wurd se denn zwar wieder e bißche dinner, aber nich viel, denn bei Strunskussens gab gut und fett zu essen. So mißd einer immer richtig von hinten kicken, ob Strunskus Trine längse Straß ging oder Strunskus' Kuh.

 

In dem heißen Sommer war se gerad einundzwanzig geworden und schlief inne Kammer nebnem Kälberstall. De Hitz setzd ihr ganz geheerig zu, denn de dicke Menschen spieren ja de Hitz noch doller wie de spiddrigen. Und eine Nacht schmiß es ihr im Kopp um. Se treimd, es brennt, hoppsd aus ihrer Wanzenschaukel raus, grapschd sich de große Gemeindeglock — der Strunskus war nebenbei noch Gemeindeverstand — und sockd splitternackicht im Klingerns das Dorf immer rauf und runter. Dabei brilld se aus eins wie am Spieß: „Feierl Feier!" Es war taghell, und wie de Leite nu aller in Hemd und Unterbixen aufe Straß rannden, ob es de Trine oder de Kuh war, wo ihnen aufgeschichert hädd. Mit eins kam se wieder zu sich, schämd sich bis untre Haut, stirzd sich im Poggenteich nebne Schmied und wolld sich versaufen. Aber es ging nich, denn der Teich war ausgetrocknet. So beschurgeld se sich bloß de Hiften und verstauchd sich dem rechten Hack. Die arme Trine!

 

Das wurd ja mit de Zeit wieder gut, aber die Kerdels taufden ihr „Rasende Venus" und machden ihr zum Ehrenhauptmann vonne Feierwehr. Ein Gutes hädd dieser nackickte Probealarm aber doch, indem dass der Schneider Bucksch ihr zwei Jahr später heiraten tat. Er war verwitwet und dinn wie e Zwirnsfaden, wodraus einer wieder sehen kann, dass Gegensätze sich anziehen. Se mißd ihm aber versprechen, nich mehr von Feier zu treimen, und wenn im Sommer heiß war, denn mißd se sich mittem Strick am Bettend anbinden lassen, dass se nich ausricken konnd.

 

Sonst war de Trine aber e orndliche und fleißige Mergell, und der Strunskus hat es direkt bedauert, wie se wegging. Vorher war aber noch allerhand passiert, nichts Schlimmes, aber die Trine gab de Leite im Dorf immer was zu lachen. Einmal fuhren se aller am Sonntagvormittag inne Kirch. Stolz huckd de Trine aufem Wagen und hield ihr Gesangbuch, sauber in Pergamentpapier eingewickelt, fest geklemmt. Der Pfarrer predigt wie gewehnlich, und mit eins wurd de Trine unruhig und rucksd

immer aufe Bank hin und her. Und so gern wie se sonst singen tat, se machd nich dem Mund auf, sondern puld sich vorsichtig das Schnupftuch außem Unterrock raus und rubbeld sich iebre Beine. De Frau Strunskus kickd iebre Brill nach rechts, wo de Trine huckd, und wußd gar nicht, was se davon halten solld. Und wie de Kirch aus war und alle aufstanden, da drickd de Trine sich schnell anne Seit und rannd voraus nachem Wagen. Aber de Strunskus'sche hädd doch noch gesehn, dass de Trine vorne aufem Kleid e großem Fleck hädd.

 

„Von wo hast dir bloß so beoselt", fragd se ihr, wie se ihr miehsam einegeholt hädd.

 

„Ach", de Trine, und wickeld außem Pergamentpapier e Stick Speck aus, „heite gibt es bei uns fromme Kartoffelsupp. Ich hab in die Eile das Gesangbuch im Kochtopp reingeschmissen“.

 

Und scheen war auch, wie se zusammen mitte Frau Lehrer mitte Kleinbahn inne Stadt fuhr. „Trinche", sagd de Lehrersche, „ich muss e Mitternachts-Toppche kaufen und schenier mir so. Möchtest Du das nich fier mich besorgen? Dir macht das doch nuscht?" „Aber gern", sagd de Trinche. Dadrauf kriegd se Geld inne Hand gedrickt und solld dem Toppche so gegen Uhre vier inne Konditorei Dunkler bringen, wo de Frau Lehrer sich mitte Frau Pfarrer und noch eine Bekannte treffen und e Taßche Kaffee schlubbern wolld. De Trine hield auch Wort, bloß der Kaufmann hädd verschiedene Toppchens zur Auswahl, und nu wußd se nich, welchem se nehmen solld, weil es, wie se sagd, nich fier ihr selbst, sondern fiere Frau Lehrer war. Ich weiß nich, wie lang und was se alles im Geschäft geredt und verhandelt haben, denn es war e sehr schwere Entscheidung. Jedenfalls kam de Trine so kurz nach vier inne Konditorei, wo de drei Damens bei ihrem Pischullche huckden, schwenkd stolz zwei Mitternachts-Toppchens, einem großen und einem kleinen, stelld ihnen aufem Marmortisch und sagd: „Der Kaufmann hat mir zwei gegeben, ich soll Ihnen Maß nehmen, welcher passt. Aber der greeßere kost drei Dittchens mehr. Das ganze Lokal brilld vor Vergniegen, und die drei Damens kriegden rote Koppe, zahlden und nuscht wie raus!

 

Ja, ja, so was kriegd de Trine alles fertig!

Herzliche Heimatgrieße Ihr Ernst Trostmann, Landbriefträger z. A.

 

Seite 15   Erschwert Heimatanspruch die Wiedervereinigung? Deutsches Forum für Ostfragen gegründet – Erstes Podiumsgespräch in Hannover.

In Hannover gründete sich das Deutsche Forum für Ostfragen, gewissermaßen ein Ausschuss prominenter Männer des öffentlichen Lebens, der auf einer sachlichen Aussprachebasis über die Lösung der Ostfragen mit Wissenschaftlern, Politikern und Publizisten, mit den Vertretern der Verbände, Parteien und Kirchen sowie anderer öffentlicher Körperschaften diesen schwierigen Fragenkomplex erarbeiten will, um die gemeinsame Schicksalsfrage aller Deutschen im In- und Ausland in Fluss zu halten.

 

Dem Präsidium gehören der Landesvorsitzende des Bundes vertriebene Deutschen, MdL. Gossing, der niedersächsische Sozialminister Dr. Rudolph, Landrat Dr. Neddenriep und Regierungsdirektor Sting an.

 

Zum ersten Podiumsgespräch stellte sich nun dieses Forum erstmals geladenen Persönlichkeiten, Einheimischen, Vertriebenen und Flüchtlingen in Hannover. Prof. Dr. Friedrich, Ordinarius für politische Wissenschaften an den Universitäten Heidelberg und Harvard/USA sprach zu dem Thema „Erschwert der Heimatanspruch der Vertriebenen die Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland?"

 

Der Name dieses Hauptreferenten ging bekanntlich in letzter Zeit durch fast alle Tagespressen. Und es rauschte nicht nur im deutschen Blätterwald, sondern erst recht in den Vertriebenen-Kreisen, denn Friedrich ist keinesfalls für die Rückkehr der deutschen Ostgebiete ein „um jeden Preis-Verfechter". Vielmehr — und das kam bei diesem Podiumsgespräch klar zum Ausdruck — unterstrich er immer wieder die Notwendigkeit unserer Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland als dem wahren Akt einer Befreiung. Friedrich lehnte die in diesem Zusammenhang allgemeinen Redensarten, die „so einfach" mit Rechtsansprüchen operieren sowie ein falsches Moralisieren als ein „leeres Strohdreschen" ab. Allein unsere westdeutsche Tatkraft und vor allem die Anerkennung unserer Wiedervereinigung als die deutsche Aufgabe schlechthin wird weiterführen, aber sich auch der Einsicht beugen müssen, dass wir für dieses Ziel einen sehr realen und hohen Preis (notfalls 20 Jahre Zusatzsteuer des eigenen Einkommens) zu zahlen haben. Der Referent machte aus seiner Überzeugung keinen Hehl, wenn er alle derzeitigen Aktionen als lediglich geschickten Machtkampf der großen und kleinen Politik hinstellte. Insofern sei eben auch eine demokratische Staatsform leichter zu durchschauen als etwa eine Diktatur, die mit verdeckten Karten spielen kann. Die weitere Frage im Loskaufen der Zone von der Sowjetregierung lässt auch das Problem des eventuellen gemeinsamen Gespräches mit den derzeitigen Führern von Pankow anklingen. Auch Friedrich lehnt ein direktes Gespräch mit diesen ab, verwies jedoch auf die bekanntlich russisch-chronische Methode, unsere Wiedervereinigung vielleicht gerade von Punkten abhängig zu machen, die wir ablehnen. Sollte letztlich daran unser gemeinsames Ziel scheitern? Auch hier versuchte der Sprecher darauf hinzuweisen, dass man nie „obligatorisch" handeln könne und zumindest auch die Eventualitäten mit einbeziehen müsse. Schließlich analysierte Friedrich die russische Einstellung zum Festhalten an der Oder-Neiße-Linie als dem einzigen konkreten Faustpfand der Sowjetunion gegenüber Polen, einem Lande, das sowieso schon für Russland nur zu gefährliche Freiheitsallüren demonstrierte.

 

Der Direktor der Hamburger Akademie für Gemeinwirtschaft, Dr. Erik Boettcher, ergänzte dieses Referat mit weitsichtigen wirtschaftspolitischen Beobachtungen. Die zwar langsam aber eben doch fortschreitende Stabilität der wirtschaftlichen Situation in der Zone biete kaum mehr einen Angriffs- oder Diskussionspunkt für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit sogenannten „Linientreuen". Allein die ideologische Kritik, die allerdings Sachkenntnis voraussetzt, verspricht Überzeugungskraft und Umkehr für jene, die sich ideologisch gebunden wissen. Die Diskussionsgruppe opponierte mit Einwendungen auf (z. B.) die Frage des „Preises". Magister Bierschenk lehnt eine Preisgabe der deutschen Ostgebiete für eine Wiedervereinigung auf jeden Fall ab und empfiehlt andere Leistungen. Oberregierungsrat Cyprian möchte am liebsten diese Preisfrage verschieben, auf jeden Fall doch, bis sie akut ist. (Das möge für die Kommunalverwaltung gelten, ist aber für außenpolitische Konzeptionen kaum empfehlenswert.) Otto v. Firks appellierte an die Mitverantwortung der ganzen freien Welt des Abendlandes und an ihr darin verbrieftes Rechtsempfinden, zumal auch das Recht — wie Dr. Loebel betonte — nicht ohne Macht sei. Professor Friedrich aber ließ allein nur den Menschen im Mittelpunkt aller Probleme gelten, weshalb er den Rechtsansprüchen weniger Bedeutung beimaß und eine Gewaltpolitik — eben um des Menschen willen — ablehnt. Abschließend brachte der Diskussionsleiter, Pastor Spiegel-Schmidt, zum Ausdruck, dass gerade das Aufgabe einer deutschen Ostpolitik sei, die Alternative Mitteldeutschland oder Ostgebiete zu vermeiden.

 

Dieser erste Abend seiner Art konnte kaum schlüsselfertige Resultate bringen, wenn man sein Zustandekommen nicht schon als Resultat ansprechen kann. Denn die Möglichkeit, alle maßgebenden Stimmen zur Frage der Wiedervereinigung und deutschen Ostgrenze zu Worte kommen zu lassen, kann mit Recht als ein hoffnungsvoller Ansatzpunkt für eine gerechte Lösung betrachtet werden. Mögen darum selbst Meinungen und Ansichten auch einmal hart aufeinanderprallen, so beweist schließlich die Intensität dieser neuerstandenen Arbeitsgruppe das Verantwortungsgefühl für unser ganzes deutsches Volk.

 

Seite 15   Gesamtverband der Vertriebenen beschlossen. Gründung am 27. Oktober — Einheit auf allen Ebenen angestrebt.

Die Präsidien der beiden großen Vertriebenenverbände, Verband der Landsmannschaften (VdL) und Bund der vertriebenen Deutschen (BvD), haben am 12. Juli 1957 gemeinsam getagt.

 

Es wurden einstimmig folgende Beschlüsse gefasst:

 

1. Die Gründungsversammlung des Gesamtverbandes wird auf den 27. Oktober 1957 einberufen. Die beteiligten Organisationen betrachten es als ihre vordringliche Aufgabe, unmittelbar nach der Gründung die Einheit auf allen Ebenen zu verwirklichen und sind entschlossen, sich zu diesem Zwecke gegenseitig die Mitglieder zuzuführen.

 

2. Bis zur Gründung treten die beiden Präsidien zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, um schon jetzt die einheitliche politische Willensbildung der Vertriebenen zu sichern.

 

3.     Ein gemeinsamer Ausschuss für heimat- und außenpolitische Fragen wurde gebildet.

 

Auf der Tagung wurde nach einer längeren Diskussion übereinstimmend festgestellt, dass die Gründung des Gesamtverbandes von den Landsmannschaften (VdL) und den Landesverbänden des Bundes der vertriebenen Deutschen (BvD) vorgenommen wird. Alle anwesenden Vertreter des Präsidiums des VdL waren sich darüber einig, dass mit tunlichster Beschleunigung die Landesverbände des BvD und die auf der jeweiligen Landesebene bestehenden Landesgruppen der Landsmannschaften zusammengeschlossen werden sollen, um damit die neuen Gliederungen des Gesamtverbandes auf Landesebene zu bilden. Beide Verbände einigten sich dann in der Form, wie sie in Punkt 1 der oben veröffentlichten Verlautbarung zum Ausdruck kommt. Sollten sich auf Landesebene Schwierigkeiten in diesem Punkt ergeben, werden sich Mitglieder des Zehnerausschusses zur Verfügung stellen, um die Einigung auf Landesebene baldmöglichst durchzuführen. Als Gründungstag ist der 27. Oktober festgesetzt worden. Bis dahin sollen beide Präsidien zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammentreten (s. Punkt 2 der Verlautbarung). Hierbei wird sich die Gelegenheit ergeben, das Problem zu erörtern, ob Gründung und Konstituierung in einem Zuge erfolgen sollen. Die Gründung wird —wie bereits aufgeführt — von den beiden Partnern VdL und BvD bzw. von deren Mitgliedern, den Landsmannschaften und den Landesverbänden des BvD, durchgeführt. Die Konstituierung setzt jedoch voraus, dass durch gegenseitige Zusammenführung der Mitglieder alle organisierten Vertriebenen eines Bundeslandes sowohl Mitglieder der Landsmannschaften als auch Mitglieder des neuen Gesamtverbandes sind. Deshalb wird es kaum möglich sein, Gründungs- und Konstituierungsversammlung in einem Zuge durchzuführen. In der Zeit zwischen Gründung und Konstituierung sollten die Leitung und die laufenden Geschäfte des Gesamtverbandes durch beide Präsidien in gemeinsamer Arbeit wahrgenommen werden.

 

Selbstverständlich wird die Sprecherversammlung als das oberste Gremium des VdL zu diesen Verhandlungen noch Stellung nehmen.

 

Die Schaffung eines heimat- und außenpolitischen Ausschusses wurde von den beiden Präsidien beschlossen (s. Punkt 3). Die hierfür notwendigen Vorarbeiten sollen sofort in Angriff genommen werden.

 

Seite 15   Aus den Heimatkreisen

Pr.-Eylauer in ihrer Patenstadt

In ihrer Patenstadt Verden/Aller trafen sich bei strahlendem Sommerwetter über 600 Landsleute aus Pr.-Eylau. Die Patenstadt präsentierte sich ihren Gästen in reichem Flaggenschmuck. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Feierstunde am Mahnmal für den deutschen Osten im Bürgerpark, an der rund 1000 Menschen teilnahmen. Hauptanliegen des deutschen Volkes sei z. Zt. zunächst die Wiedervereinigung mit Mitteldeutschland, erklärte der Kreisvorsitzende der Vereinigung der Pr.-Eylauer, von Eiern. Es müsse mit Bedauern festgestellt werden, dass wir gerade in dieser Frage in letzter Zeit um keinen Schritt weitergekommen sind.

 

Patenschaft für Thorn

Die Stadt Lüneburg hat während eines Festaktes im Fürstensaal des Rathauses die Patenschaft für die ehemaligen Bewohner des westpreußischen Landkreises Thorn übernommen. Oberbürgermeister Gravenhorst betonte in der Festansprache, dass die Patenschaft die Verbundenheit zwischen Einheimischen und Vertriebenen bekräftigen solle. Die Stadt Lüneburg werde sich bemühen, das kulturelle Erbe Thorns zu pflegen und zu erhalten. Ein Vertreter der in Berlin lebenden Thorner übergab dem Oberbürgermeister als Geschenk eine 250 Jahre alte Thorner Münze, über tausend Thorner aus der Bundesrepublik, Westberlin und der Sowjetzone nahmen an den Veranstaltungen des Bundestreffens teil.

 

Zum dritten Male Sensburger Treffen

Zu einem eindrucksvollen Bekenntnis zur ostpreußischen Heimat gestaltete sich das dritte Sensburger Treffen in der Patenstadt Remscheid, zu dem annähernd 2000 Vertriebene aus Stadt und Kreis Sensburg erschienen waren. Oberbürgermeister Frez nannte in einer Feierstunde im Stadttheater die Sensburger Treffen Manifestationen des gemeinsamen Ziels aller Deutschen. „Mehr als flüchtige Bekannte, Brüder und Schwestern wollen wir sein!" Höhepunkt der Feierstunde war die Übergabe Sensburger Heimaterde an die Patenstadt, die ein erst im Mai dieses Jahres aus Sensburg gekommenes altes Ehepaar in einem Leinensäckchen mitgebracht hatte. Die Erde soll ihren Ehrenplatz im künftigen Sensburger Zimmer des Rathauses erhalten, versprach Oberbürgermeister Frey.

 

Bartensteiner in Nienburg

Zum dritten Male, das zweite Mal in der Kreisstadt ihres Patenkreises Nienburg, trafen sich die Bartensteiner zu einem Heimattreffen. Die Teilnehmer waren größtenteils aus Niedersachsen gekommen. Die Treffen sollen ausschließlich dem Wiedersehen dienen, betonte Bürgermeister a. D. Zeiß, nur die Bundestreffen seien das wirkungsvolle Forum, den Forderungen der Heimatvertriebenen vor der Welt Gehör zu verschaffen.

 

Jahrestreffen Elchniederung

Drei Jahre ist es her, dass der Kreis Grafschaft Bentheim die Patenschaft über den Kreis Elchniederung übernommen hat. Das dritte Heimatkreistreffen wurde in Nordhorn würdig gefeiert. Aus allen Teilen Deutschlands waren die Teilnehmer gekommen. In einer Feierstunde erklärte der 2. Vorsitzende der Landsmannschaft in Niedersachsen, Mallade, die Oder-Neiße-Linie dürfe niemals Deutschlands Grenze sein. Für das kommende Jahrestreffen versprach Landrat Zahn Mittel bereitzustellen, damit auch die, die heute noch nicht dabei sein können, den weiten Weg nach Nordhorn antreten können.

 

Es starben fern der Heimat ...

Karl Klein, Landwirt aus Althof, Kr. Pr.-Eylau, im Alter von 53 Jahren am 14. Jul 1957 in Bad Zwischenahn.

 

Wilhelm Knoop, Postassistent i. R. aus Königsberg/Pr. im Alter von 87 Jahren am 8. Juli 1957 in Kulmbach.

 

Carl Krupp, Bauer aus Riesenkirch/Westpr. im Alter von 74 Jahren am 7. Juli 1957 in Badbergen.

 

Amalie Maiwald, geb. Pannwitz, aus Bärwalde bei Königsberg im Alter von 86 Jahren am 8. Juli 1957 in Rendsburg.

 

Seite 15   Heimatkreis Rößel

Der Förderring unserer Heimatgemeinschaft hat weitere Ansichtskarten in Postkartengröße herausgebracht:

R 2: Rößel, Markt (Gesamtansicht)

R 3: Rößel, Poststraße

R 8: Rößel, Fischergasse (Bäckerei Nieswandt)

R 9: Rößel, Kath. Volksschule

R 11: Rößel, Schützengilde mit Dr. Rohwerder als Schützenkönig.

 

Sämtliche Fotos sind nur durch den Unterzeichneten zu beziehen. Stückpreis 40 Pf., 3 Stück einschl. Porto 1,30 DM.

E. Poschmann, Kisdorf über Uetersen/Holst.

 

Staatl. Gymnasium und höhere Mädchenschule Rößel

Am 21. und 22. September findet in Meppen/Ems, der Hauptstadt unseres Patenkreises, das Bundestreffen der ehem. Angehörigen des Staatl. Gymnasiums und der Höheren Mädchenschule Rößel statt. Dazu laden wir herzlich ein. Das genaue Programm wird noch durch besondere Mitteilung bekanntgegeben.

 

Um einen reibungslosen Verlauf und gute und billige Fahrtmöglichkeiten zu gewährleisten, werden alle gebeten, den zugesandten Teilnehmerschein möglichst bald auszufüllen und an den Tagungsausschuss, zu Händen von Herrn Leo Klafki, Herne/Westf., Kronenstraße 35, einzusenden. Dorthin sind auch alle anderen Anfragen betreffs des Bundestreffens zu richten. Auf nach Meppen! i. A.: Erwin Poschmann.

 

Seite 15   Marienwerder-Archiv.

Nach Übernahme der Patenstadt für die westpreußische Stadt Marienwerder durch die Stadt Celle hat der Stadtarchivar mit dem Aufbau eines Archives für die Stadt Marienwerder begonnen. Grundstock seiner Arbeit ist das gesamte Material des inzwischen verstorbenen Oberstudiendirektors Wernicke.

 

Zum Gedenken an den 200. Geburtstag des Reichsfreiherrn vom Stein wird auf Schloss Cappenberg bei Lünen, dem ehemaligen Sitz des Freiherrn, eine Ausstellung von Briefen, Dokumenten und Gebrauchsgegenständen gezeigt.

 

Seite 16   Wiederwahl Dr. Kohnerts

Die Delegiertenversammlung der Lm. Westpreußen fand am 6. und 7. Juli in Lübeck statt. Die turnusmäßig durchgeführte Wahl des Bundesvorstandes ergab die einstimmige Wiederwahl des Sprechers der Landsmannschaft, Dr. Hans Kohnert, und des stellvertretenden Sprechers, General a. D. Nehring. Desgleichen wurden in den Bundesvorstand wiedergewählt: von Flottwell, Dr. Lippky, v. Maercker, Neubert, Dr. Pockrandt und Rieck. Als Bundesjugendreferent wurde Hugo Rasmus und als Frauenreferentin Hanna Roeske neu bestätigt.

 

Westpreußische Kreistreffen

Der Kreis Kronitz hält sein diesjähriges Kreistreffen am 11. August in Düsseldorf in der Gaststätte „Rheinstadion" ab.

 

Der Kreis Kulm feiert am „Tag der Heimat", dem 22. September, in Bremen das 725-jährige Bestehen Kulms.

 

Der bekannte Danziger Dichter und Schriftsteller und Herausgeber der „Ostdeutschen Monatshefte", Carl Lange, wird auf dem diesjährigen Heimatkreistreffen von Marienwerder in der Patenstadt Celle die Festansprache halten. Das Treffen findet am 7. und 8. September statt.

 

Gumbinner Treffen

Das Kreistreffen der Gumbinner für den norddeutschen Raum findet am 11. August in Hamburg-Nienstedten statt. Nach einem Gottesdienst, der das Treffen einleitet, wird der Sprecher der Lm. Ostpreußen, Dr. Gille, MdB., eine Ansprache halten. Der Nachmittag ist insbesondere dem Zusammensein der Jugend gewidmet.

 

Seesen/Harz

Den letzten Heimatabend der Ost- und Westpreußen eröffnete Obmann Papendick mit einer Gedenkstunde zum Abstimmungssieg in Masuren im Juli 1920. Es folgten ein sehr interessanter Vortrag über „Ostpreußen, südlicher Teil — heute" und ein ausführlicher Bericht über das diesjährige Bundestreffen in Bochum. Sozialreferent Wilbudies gab Erläuterungen zu den in der 8. Novelle zum LAG vorgesehenen Verbesserungen. — Das gesellige Beisammensein würzte Frau Fahlke wieder durch köstliche Proben heimatlichen Humors.

 

Im Mittelpunkt des nächsten Heimatabends am 31. August wird ein Tonbandvortrag von General a. D. Hoßbach unter dem Titel „Die letzte Verteidigung von Ostpreußen und Schlesien" stehen.

 

Traditionsverband Luftgau I

Die Beitrittserklärungen zur „Kameradschaft Luftgau I" gehen derart schleppend ein, dass es unter diesen Umständen nicht vertretbar ist, die in Aussicht genommene Gründungsversammlung in Form eines Treffens im September dieses Jahres durchzuführen. Daher werden wir diese im nächsten Jahre abhalten. Ort und Zeitpunkt werden noch bekanntgegeben.

 

Trotzdem werden wir uns auch in diesem Jahre an der Gedenkfeier am Ehrenmal in Göttingen, das im Jahre 1953 für elf ostpreußische Divisionen, den Luftgau I, die Pillauer Marineeinheiten und andere niedersächsische Einheiten geweiht wurde, beteiligen und dort einen Kranz niederlegen. Die Feier findet am Sonntag, dem 1. September um 11 Uhr im Rosengarten in Göttingen statt.

 

Kameraden, die sich daran beteiligen wollen, sind herzlich willkommen. Nach der Feierstunde finden wir uns zum Mittagessen und kameradschaftlichen Zusammensein im „Deutschen Garten" ein. Weitere Auskunft erteilt die Landsmannschaft Ostpreußen, Kreisgruppe Göttingen, Kepplerstraße 26. Benötigte Quartiere bitten wir rechtzeitig beim Fremdenverkehrsverein e.V. Göttingen, Rathaus, anzumelden.

 

Spenden für den Kranz bitten wir auf das Konto: Wilhelm Gramsch, Celle, Waldweg 83, Stadtsparkasse Konto Nr. 52 570 zu überweisen. Beitrittserklärungen zur „Kameradschaft Luftgau I" sind zu richten an: Der Luftwaffenring e. V., Bundesgeschäftsstelle, Bremen 17, Postfach 7025.

 

Kulturelle Nachrichten

Osteuropahaus in München.

Eine Stiftung „Collegium Copernicus" will das Deutsche Heimstättenwerk für Wissenschaftler und Künstler gründen. Das Deutsche Heimstättenwerk hat es sich zum Ziel gesetzt, heimatvertriebenen und heimatlosen Wissenschaftlern und Künstlern Wohnungen zu erstellen. Den Beschluss für die Begründung des Collegium Copernicus fasste das Werk bereits auf seiner Jahresmitgliederversammlung im März 1956. Die Stiftung soll den für die Ostforschungen wichtigen Instituten die geeigneten Wirkungsstätten bauen. Zur Beschaffung der erforderlichen Mittel für die beabsichtigte Stiftung wurde ein Fünf-Mitgliederausschuss beauftragt, dem Vertreter des Heimstättenwerkes, der heimatvertriebenen Wirtschaft und der bayerischen Staatsregierung angehören.

 

Als erstes ist die Einrichtung eines Osteuropahauses in München geplant, das im Stadtzentrum erbaut wird und den in der bayerischen Landeshauptstadt tätigen Instituten für die Ost- und Südosteuropaforschung sowie den landsmannschaftlichen Stellen Arbeitsstätten bieten soll.

 

Für die Finanzierung dieses Bauvorhabens laufen zurzeit Verhandlungen mit der bayerischen Staatsregierung. Verhandlungen mit der Bundesregierung sollen folgen.

 

Kulturtage auf Schloss Burg

Die Erneuerung der Welt und die Überwindung der Gefahren des Atomzeitalters kann nur von den Europäern ausgehen. Zu diesem „Glauben und Bekenntnis" kam der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels. Dr. Max Tau (Oslo), der auf Schloss Burg an der Wupper in einer Feierstunde anlässlich der „Ostdeutschen Kulturtage 1957" des Kulturwerks der vertriebenen Deutschen sprach. Bei der Feierstunde anlässlich der „Ostdeutschen Kulturtage", die in diesem Jahre dem Gedenken Joseph von Eichendorffs gewidmet sind, überreichte der nordrhein-westfälische Kultusminister Prof. Paul Luchtenberg dem Schriftsteller und Eichendorff-Forscher Willibald Köhler das ihm vom Bundespräsidenten verliehene große Bundesverdienstkreuz.

 

Zeitschrift für Ostforschung

Die Zeitschrift für Ostforschung —- Länder und Völker im östlichen Mitteleuropa — ist mit einem zweiten Heft des laufenden Jahrgangs im N. G. Ewert-Verlag, Marburg, erschienen. Sie ist dem Rechtshistoriker Prof. Wilhelm Weizsäcker, Heidelberg zu seinem 70. Geburtstag gewidmet.

 

„Einen Vortragskünstler von hohem Rang und herzerfrischender Urwüchsigkeit"

nannte die „Westdeutsche Zeitung" in Krefeld in einem Bericht vom 2. Juli 1957 den ostpreußischen Mundartdichter

 

Dr. Alfred Lau.

 

Sie bereiten Ihren Landsleuten eine große Freude, wenn Sie ihn zu einem fröhlichen Heimatabend einladen. Auch für die Herbstmonate sind noch günstige Termine frei. Sie müssten sich aber schnell entschließen. Alles Nähere, vor allem die auch für kleinere Gruppen tragbaren Bedingungen, erfahren Sie auf Anfrage. Bitte, schreiben Sie aber nicht an uns, sondern nur direkt an Dr. Alfred Lau, Bad Grund/Harz, Hübichweg 16.

 

Seite 16   Familienanzeige

Am 1. Juli 1957 starb im Alter von 61 Jahren unser Turnbruder, letzter Vorsitzender des MTV Heinrichswalde im Memelgebiet,  Richard Pollack. In herzlicher Anteilnahme an dem Schmerz seiner Witwe und seiner Töchter gedenken wir in Trauer der Verdienste dieses stets einsatzbereiten, immer frisch, fromm, froh, freien Turnerführers. Er wird uns unvergessen bleiben! Turnerfamilie Ostpreußen-Danzig-Westpreußen, Wilhelm Alm

 

Seite 16   Suchanzeige

Königsberger Achtung! Oberleutnant Bruno Weiß, Königsberg/Pr., Kompanieführer im Volkssturm-Batl. Königsberg, soll am 08.04.1945 beim Sturmangriff a. Nordbahnhof in Königsberg gefallen sein. Frau Maria Weiß und Tochter Dora Weiß, Bremen, Paschenburgstraße 20, erbitten Nachricht.

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