Einleitung zum Güteradressbuch der Provinz Ostpreußen (1922)

Die Landwirtschaft der Provinz Ostpreußen von Geh.-Rat Professor Dr. J.Hansen

Die Provinz hat einen stark landwirtschaftlichen Charakter. Nach der Betriebsstatistik von 1907 gehörten von: 100 Personen der Gesamtbevölkerung an der Landwirtschaft, dem Gartenbau und der Forstwirtschaft 53,2 gegenüber 28,6 im Staatsdurchschnitt, der Industrie 20,4 (gegenüber 54,5), dem Handel 9,1 (gegenüber 14,1). Einmal die vorwiegend ländliche Wohnweise, andererseits die an erster Stelle stehende landwirtschaftliche Beschäftigung begünstigen in hervorragender Weise die Volksgesundheit. Ostpreußen hat einen verhältnismäßig größeren Anteil der wehrfähigen Bevölkerung gestellt als irgendeine andere Provinz.

Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe wurde im Jahre 1907 ermittelt auf 219245 mit 2505979 ha landwirtschaftlich benutzter Fläche. Davon waren 104625 als Hauptbetriebe, 114620 als Nebenbetriehe bezeichnet. Die ersteren umfaßten 2372784, die letzteren 113195 ha landwirtschaftliche Fläche.

Auf die einzelnen Größenklassen der Provinz alten Umfanges verteilten sich Betriebe und landwirtschaftliche Fläche wie folgt:

Betriebsgröße Von 100 Betrieben Von 100 ha landw. Fläche
Königsberg Gumbinnen Allenstein Provinz Ostpreußen Preußischer Staat Königsberg Gumbinnen Allenstein Provinz Ostpreußen Preußischer Staat
unter 0,5 ha 48,7 31,9 21,4 35,4 39,8 0,9 0,6 0,4 0,7 1,1
unter 2 ha 62,7 49 42,1 52,3 61,8 2 2,4 2 2,2 4,8
2-5 ha 10 18,4 17 14,8 15,3 2,7 6,2 4,6 4,3 8,1
5-20 ha 15,1 20,9 25,9 20,1 17,1 12,8 20,2 21,3 17,6 27,7
20—100 ha 10,2 10,5 13,8 11,3 5,2 35 40,3 42,5 38,8 31,3
100 ha und darüber 2 1,2 1,2 1,5 0,6 47,5 30,9 29,6 37,1 28,1
200 ha und darüber 37,2 21,1 13,2 28,2 22,6

 

Die kleinsten Betriebe sind weniger stark vertreten als im Staatsdurchschnitt, während die Großbetriebe in größerer Zahl Vorkommen. Im ganzen befinden sich in Ostpreußen 3296 Betriebe über 100 ha und 1664 Betriebe über 200 ha.

Der Fläche nach kommt auf Großbetriebe erheblich mehr als im Staatsdurchschnitt, am meisten im Regierungsbezirk Königsberg. In den Kreisen Friedland, Rastenburg, Gerdauen, Königsberg-Land, Fischhausen, Darkehmen, Pr. Eylau, Mohrungen und Wehlau entfällt mehr als 50% der landwirtschaftlichen Fläche auf Betriebe über 100 ha. Zwischen 40 und 50% kommt noch auf diese Betriebe in den Kreisen Osterode, Heiligenbeil, Angerburg, Pr. Holland und Neidenburg. Auf Betriebe von mehr als 200 ha entfällt in den oben genannten Kreisen mindestens 33 und höchstens 57% der landwirtschaftlichen Fläche. Der Westen und die Mitte der Provinz erhalten ihr Gepräge durch den Großbetrieb, die östlichen Kreise durch den großbäuerlichen Betrieb, während im Ermland und den südlichen Grenzkreisen sowie in der Tilsiter Niederung die mittelbäuerliche Wirtschaft die vorherrschende Betriebsform darstellt. Soweit die Verhältnisse statistisch verfolgt worden sind, vermindert sich in neuerer Zeit der Großbetrieb und auch der großbäuerliche Betrieb zugunsten der mittleren Betriebsgrößen.

Hierzu trägt vor allem bei die innere Kolonisation, welche seit Begründung der gemeinnützigen Ostpreußischen Landgesellschaft in Königsberg im Jahre 1906 stärker in Aufnahme gekommen ist. Sie hat bis zum 1. April 1921 2086 Stellen mit im ganzen 27245 ha geschaffen, außerdem an Anlieger verkauft 875 ha, 152 Restgüter mit 8262 ha, zu Wegen, Gräben und gemeinschaftlichen Anlagen ausgewiesen 1191 ha und (April 1921) zum Verkauf in Besitz gehabt 10158 ha, so daß im ganzen zur Besiedlung ausgelegt sind 47 731 ha. Für die Ansiedlung von Arbeitern usw. sind in fast allen Kreisen Klein- Siedlungsgesellschaften begründet werden.

Es liegt sowohl in sozialer wie wirtschaftlicher Hinsicht ein dringendes Interesse vor, daß die Bildung von Mittel und Kleinbetrieben in umfangreicherer Weise in Angriff genommen wird. Es wird nicht die geringsten Schwierigkeiten machen, das hierfür erforderliche Land zu beschaffen. Ehe aber eine stärkere Siedlung vorgenommen werden kann, muß eine erhebliche Erniedrigung der Baukosten und der Preise des toten und lebenden Inventars eintreten, weil sonst jede Rente der neugeschaffenen Kleinsiedlungen ausgeschlossen ist.

Der Anteil der Fideikommisse betrug 1912 4% der Gesamtfläche, gegenüber 7% im Staatsdurchschnitt. Am meisten Fideikommisse befinden sich im Regierungsbezirk Königsberg mit 8,5 %, während Gumbinnen 1,4 und Allenstein 1,1% der Fläche aufwies.

Im Jahre 1918 wies die Provinz alten Umfangs an Fideikommissen auf im Regierungsbezirk Königsberg 65 mit 22099 ha (davon Wald 34317 ha), Gumbinnen 6 mit 15118 ha (4965 ha), Allenstein 8 mit 14201 ha (5018 ha), zusammen aIso 79 Fideikommisse mit 151418 ha Fläche, davon 44300 ha Wald.

Die Pacht tritt in Ostpreußen gegenüber dem Eigenbetrieb stark zurück; nur 7,4% der Gesamtsache der Provinz alten Umfangs waren Pachtland, während im Staatsdurchschnitt 14,4% hierauf entfielen. Auf Staatsdomänen entfielen in der Provinz alten Umfangs im Jahre 1920 im ganzen 57829 ha, welche 1375317 M Ertrag brachten.

Ostpreußen hatte in den letzten Jahren vor dem Kriege einen hohen Umsatz an Landgütern, der mit stark steigenden Güterpreisen Hand in Hand ging. Der Grundbesitz war weniger bodenständig, als im Interesse der Sache wünschenswert ist. Besonders bedauerlich, ist es, wenn Güter von Hand zu Hand gehen, wie es leider in nicht ganz wenigen Fällen vorkam. Dieser Güterhandel ist bis in die Kriegszeit hinein stark betrieben worden. Gegenwärtig ist durch das kräftige Anziehen der Steuerschraube und durch die ungeheure Entwertung der Mark, welche den Grundbesitz als eine verhältnismäßig gesicherte Kapitalsanlage erscheinen lassen, der Güterhandel ziemlich zum Stillstand gekommen. Wo einzelne Verkäufe stattfinden, werden sehr hohe Preise bezahlt. Sofern die Erwerber von Gütern nicht mit dem nötigen Kapital aus gestattet sind, ist mit einem etwaigen Rückgang der Marktlage mit schwerer wirtschaftlicher Bedrängnis der neuen Besitzer zu rechnen.

Die Arbeiterverhältnisse wurden durch die weiter oben erwähnte starke Abwanderung nach dem Westen schwierig Die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeiter hat sieh deshalb vermindert. Ersatz mußte geschaffen werden durch die vermehrte Anwendung von Maschinen, durch Heranziehung von Wanderarbeitern und im Kleinbetriebe auch durch verstärkte Heranziehung der im Betrieb mithelfenden Angehörigen.

Die ostpreußischen Arbeiterverhältnisse erhalten ihr Gepräge durch die verheirateten Instleute und Deputanten, also vertraglich gebundene Arbeiter, die in dem Arbeitgeber gehörigen Wohnungen untergebracht sind und ihren Lohn zum größten Teil in Naturalien beziehen. Sie sind durch ihren eigenen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb gleichzeitig als landwirtschaftliche Unternehmer anzusehen. Im bäuerlichen Betriebe werden in erster Linie ledige Personen beiderlei Geschlechts beschäftigt. Ihre Zahl ist besonders stark zurückgegangen, so daß im mittel- und großbäuerlichen Betriebe ein stärkerer Arbeitermangel herrscht als im Großbetrieb. Freie, d. h. nicht vertragsmäßig gebundene Arbeiter treten in Ostpreußen ebenso zurück wie die Arbeiter mit eigenem Grundbesitz (Eigenkätner). In Zukunft hofft man auf dem Wege der inneren Kolonisation mehr grundbesitzende Arbeiter zu schaffen, wenn auch nicht zu leugnen ist, daß gerade die Arbeiter ansiedlung bislang die meisten Schwierigkeiten gemacht hat. Einen Übergang zum Eigenbesitz will man schaffen, indem man mehr Mietswohnungen errichtet und gleichzeitig die Möglichkeit zur Anpachtung von Land bietet. Von diesen kleinen Pachtbetrieben, die ohne nennenswertes eigenes Vermögen sich schaffen lassen, muß dann durch alle Besitzgrößen hindurch der ländlichen Bevölkerung, nicht zuletzt der Arbeiterklasse, die Möglichkeit sozialen Aufstiegs gegeben sein.

Die bis zum Jahre 1919 gezahlten Löhne waren in Wirklichkeit höher als allgemein, ja als von den Arbeitern selbst angenommen wurde. Man redete viel von dem nicht hohen Barlohn, vergaß aber, daß dieser nur einen kleinem Teil des Gesamtlohnes darstellte und daß die Hauptsache in Form von Naturalien gewährt wird. Tatsächlich war dem fleißigen und strebsamen Arbeiter, namentlich wenn er eine die Eigenwirtschaft gut versorgende tüchtige Frau hatte, die Möglichkeit gegeben, nennenswerte Ersparnisse zu machen. Dazu war der Lohn im allmählichen Aufsteigern begriffen. Eine ganz bedeutende Erhöhung hat der Lohn im Jahre 1919 infolge der mit der Revolution im Zusammenhang stehenden Eingriffe erfahren. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben sich organisiert und dann in einer Arbeitsgemeinschaft Tarifverträge abgeschlossen. Diese Tarife sind inzwischen dem sinkenden Geldwert entsprechend wiederholt erhöht worden. Dadurch is es gelungen, abgesehen von einzelnen wilden Teilstreiks, bislang den Arbeitsfrieden aufrechtzuerhalten und im allgemeinen einen ungestörten Fortgang der landwirtschaftlichen Arbeit zu sichern. Hierzu haben diu für Streitfälle eingesetzte Schlichtungsausschüsse nicht wenig beigetragen. In den in der Umgegend von Königsberg gelegenen Kreisen stellt sich heute (November 1921) der Gesamtlohn eines landwirtschaftlichen Arbeiters auf 5300 M. wovon etwa 3/4 in Gestalt von zu verhältnismäßig niedrigen Preisen angesetzten Naturalien (Wohnung mit Stall und Garten, Kuh- und mitunter am Schafhaltung, Kartoffelland, Brennstoffe und etwa 40 Zentner Getreide), der Rest in bar gewährt wird. Gehobene Arbeiter erhalten 15% Zuschlag; Überstunden werden besonders vergütet. Am stärksten gestiegen sind die Löhne der jugendliche Arbeiter, der sogenannten Hofgänger oder Scharwerker, welche je nach Geschlecht und Alter Löhne von 1400 bis 34. 00 beziehen. Es ist eine volkswirtschaftliche Selbstverständlichkeit, daß diese hohen Aufwendungen für Arbeitslöhne in Verbindung mit den sonst gestiegenen Erzeugungskosten von der Landwirtschaft nur dann getragen werden können wenn ihnen entsprechende Preise der landwirtschaftlichen Erzeugnisse gegenüberstehen. So sehr vom Standpunkt des Verbrauchers niedrigere Preise erwünscht sein mögen, so können diese doch nur dann eintreten, wenn die Bedarfsgegenstände einschließlich der Arbeitslöhne eine entsprechende Senkung erfahren, Jede andere Annahme kann nur volkswirtschaftlich unklare Vorstellungen entspringen und den Gegensatz zwischen den verschiedenen Berufskreisen ohne sachliche Berechtigung verschärfe. Gelingt es, zwischen Aufwand und Preis einen Ausgleich zn schaffen, so kann man vielleicht hoffen, daß die Arbeiterverhältnisse sich befriedigend entwickeln, zumal der Anreiz zur Abwanderung in absehbarer Zeit kann, bestehen dürfte. Die nachwachsende Jugend dürfte auf dem lande bleiben. Dazu wird weiter geboren, alle Bestrebungen, den Arbeitern das Land leben verlockend und angenehm zu gestalten, wie sir in der ländlichen Wohlfahrts- und Heimatpflege verkörpert sind, in verstärktem Maße fortzuführen.

Die ostpreußische Landwirtschaft verfügt hei der dünnen Bevölkerung nur über einen unbedeutenden inneren Markt. Sie ist sowohl für den Absatz ihrer Erzeugnisse als für den Bezug ihrer Bedarfsgegenstände auf Mittel- und Westdeutschland angewiesen. Deshalb konnte ein nennenswerter Aufschwung der Landwirtschaft erst eintreten, als im letzten Viertel des vorigen Jahrhunderts sowohl in dem Bau der Chausseen, wie vor allen Dingen in der Anlage von Eisenbahnen ein etwas schnelleres Vorgehen eingeschlagen wurde. Im Jahre 1917 verfügte Ostpreußen über 3041 km Haupt- und Nebenbahnen, d. s. 82 km auf 1000 qkm Grundfläche, und 1918 waren 7729 km Chausseen vorhanden, entsprechend 7 km auf l000 qkm der Landgemeinden und Gutsbezirke. Die Zahlen schließen einen wesentlichen Fortschritt ein, aber bleiben doch weit hinter dem viel dichteren Verkehrsnetz der mittleren und westlichen Provinzen zurück. Einmal diese Tatsache und dann die weite Entfernung der Provinz von den Absatzstätten und den Bezugsquellen der wichtigsten Bedarfsgegenstände wie Futter- und Düngemittel, Kohlen, Maschinen usw. sind von jeher ein schwerer Nachteil für die Provinz gewesen. Die Verhältnisse haben in neuester Zeit durch die Schaffung des polnischen Korridors schwere Verkehrshemmungen und durch die ganz erheblich gestiegenen Frachten eine ungeheure Verschärfung erfahren, um mehr, als der Schiffsverkehr ebenfalls in starkem Maße beeinträchtigt und verteuert worden ist. So ist es gekommen, daß ein Landwirt in der Umgegend von Königsberg schon im September 1921 mehr bezahlen mußte als ein solcher der Umgegend von Berlin: für einen Waggon Thomasmehl 435 M., Kalidüngemittel 700 M., Zement und Kalk aus Oberschlesien 278 M., T-Träger-Stabeisen aus Westfalen etwa 1500 M., landwirtschaftliche Maschinen aus Mannheim 3309 M., ?? hlen aus Oberschlesien 750 M., aus Westfalen rund 400 M., Futtermittel aus Mitteldeutschland 600—950 M. Seitdem ist die 30%ige Tariferhöhung eingetreten und weitere sind noch in Zukunft zu befürchten.

Die ostpreußische Landwirtschaft hat aber nicht nur für ihren Bezug an Kohlen, Dünge- und Futtermitteln, landwirtschaftlichen Maschinen usw. diese hohen Frachtlasten zu tragen, sondern auch umgekehrt genau soviel höhere Frachten ihre Erzeugnisse, soweit diese im Westen abgesetzt werden müssen. Denn ein Waggon Getreide kostet von Königsberg nach Berlin 2200—2500 M. mehr Fracht als von mitteldeutschen Stationen, und für Kartoffeln stellt sich dieser Unterschied auf rund 700 M. Erschwert wird diese Tatsache dadurch, daß die früher im Osten niedrigeren Löhne den westlichen Tarifen ganz oder nahezu gleichstehen. So sind für die ostpreußische Landwirtschaft außerordentlich schwierige Verhältnisse entstanden, an welchen die Gesamtheit insofern beteiligt ist, als Ostpreußen, zumal nach Fortfall großer landwirtschaftlicher Gebiete in Westpreußen und Posen, heute in größerem Maße als früher ein unentbehrliches Überschußgebiet für im Westen dringend benötigte landwirtschaftliche Erzeugnisse darstellt.

Das Klima in Ostpreußen ist rauh. Die Durchschnittstemperatur beträgt in Königsberg 6,8° (in Marggrabowa sogar 5,5°), d. h. 2° weniger als in Mittel- und 3,5° weniger als in Westdeutschland. Dabei bandelt es sich um ein Kontinentalklima mit heißen Sommern und kalten Wintern. Unangenehmer als die Winterkälte ist der späte Eintritt des Frühjahrs und frühe Anfang des Winters. Die Temperatur des April ist in Mitteldeutschland etwa 21/2, in Westdeutschland 3-4° höher als in Ostpreußen. Zwischen dem letzten und ersten Frost liegen im Mittel in Königsberg 174, in Erfurt 191, in Köln 211 Tage. Damit werden in Ostpreußen Bestellung und Ernte auf einen viel kürzeren Zeitraum zusammengedrängt, als in günstigeren Klimaten, dadurch ergibt sich im Zusammenhang mit der vorher geschilderten schlechteren wirtschaftlichen Lage der Zwang zu einer intensiveren Gestaltung des landwirtschaftlichen Betriebes. Die mittlere jährliche Regenhöhe beträgt etwa 600 mm (mit mittleren Schwankungen von 540—660 mm). Sie kann an sich als ausreichend angesehen werden, doch herrscht im Mai und Juni häufig eine der landwirtschaftlichen Kultur schädliche Trockenheit.

Der Boden ist in der Hauptsache diluvialen Ursprungs. Nach Meitzen machen die verschiedenen Abstufungen der Lehm- und Tonböden zusammen mit dem recht gut kulturfähigen sandigen Lehm- und lehmigen Sandboden 68% der Fläche Damit steht Ostpreußen in der Bodenbeschaffenheit günstiger da als sämtliche preußischen Provinzen, das um so mehr von den 23% Sandboden ein erheblicher Teil verhältnismäßig nährstoffreich und damit kulturfähig genannt werden kann. Auf Moore entfallen etwa 5%, auf Wasser 3,8% der Fläche. Wenn die Grundsteuerveranlagung mit dieser recht guten natürlichen Bodenbeschaffenheit nicht übereinzustimmen scheint, so erklärt sich das, abgesehen von dem rauhen Klima, aus ungünstigen Verkehrslage der Provinz, die zu jener Zeit noch ganz anders ins Gewicht fiel, als es heute der Fall ist.

Im allgemeinen finden sich die schweren Böden mehr im Norden, die leichteren mehr im Süden der Provinz. Masuren itzt ausgedehnte Strecken sandigen Bodens. Allerdings finden sich vielfach inselartig schwere Böden in leichte einge? engt, und ebenso trifft das Umgekehrte zu. In einigen östlichen Kreisen nimmt der Boden stellenweise einen schwereren Charakter an, als für die landwirtschaftliche Kultur wünschenswert ist. Die besten Böden liegen in der Memelniederung. Sie geben die Grundlage für eine hochstehende Landwirtschaft, in erster Linie für eine blühende Viehzucht an. Im Memeldelta am Kurischen Haff entlang zieht sich ein breiter Gürtel moorigen Bodens, teils Niederungs-, teils Hochmoor.

Beziehen sich diese Ausführungen nur auf die Provinz alten Umfangs, so gelten sie doch auch für die neu hinzugekommenen westpreußischen Teile, welche in der Marienburger und Elbinger Niederung über außerordentlich fruchtbare len verfügen. Zudem ist das Klima in diesem Landesteil bereits nicht ganz so ungünstig, als in verschiedenen Teilen Ostpreußen alten Umfangs.

Ausgedehnte Flächen mußten durch eine geregelte Wasserwirtschaft erst für eine lohnende Kultur vorbereitet werden. Zum guten Teil ist das auf gemeinschaftlichem Wege mit Hilfe von Dränagen, Wiesenmeliorationen und Deichanlagen geschehen, im Großbetrieb sind auch tiefgreifende Meliorationen von Privaten zur Durchführung gekommen; allerdings bleibt auf diesem Gebiet noch mancherlei zu tun. Die Moorkultur hat in Ostpreußen vielversprechende Anfänge gemacht. Die Kulturarten nahmen in der Provinz alten Umfanges 1913 in Prozent der Gesamtfläche nachstehende Teile ein:

  Provinz: Staat
  % %
Ackerland 54,4   49,6  
Gartenland 0,5 54,9 0,9 50,5
Wiesen   10,1   9,3
Reiche Weiden 3   2,4  
Geringe Weiden und Hutungen 4,4 7,4 0,2 5,6
Landwirtschaftl. benutzte Fläche   72,4   65,5
Forsten und Holzungen   17,7   24,2
Haus- und Hofräume 0,9   1,2  
Öd- und Unland 2,7   4,4  
Wege, Friedhöfe, öff. Gewässer 6,3 9,9 4,8 10,4

 

Das Ackerland macht in Ostpreußen einen größeren Anteil der Fläche aus als im Durchschnitt des Staates. Ebenso ist der Anteil der Wiesen und Weiden, vor allem auch der sogenannten reichen Weiden größer. Dagegen bleibt die Waldfläche gegenüber dem Staatsdurchschnitt erheblich zurück. Nächst Schleswig-Holstein ist Ostpreußen die waldärmste Provinz des Staates.

Das Anbauverhältnis wurde 1913 in Prozent des Acker- und Gartenlandes in nachstehender Weise festgestellt:

  Provinz Staat
Getreide und Hülsenfrüchte 60,0 % 63,2 %
Hackfrüchte 12,2% 19,7 %
Handelsgewächse 0,1 % 0,3 %
Futterpflanzen 15,0 % 9,4 %
Brache 6,1 % 2,8 %
Ackerweiden 5,7 % 3,5 %
Haus- und Obstgärten 0,9% 1,6 %

 

Unter den Getreidearten überwiegt mit 22,9 % der Acker- und Gartenfläche der Roggen, der im Regierungsbezirk Allenstein sogar 30,4% einnimmt. Der Weizenbau tritt mit nur 3,7% stark zurück, besonders um deswillen, weil die ergiebigen Dickkopfweizen nicht winterfest genug sind und die Landsorten unbefriedigende Erträge geben. Der Hafer beansprucht mit 17,9% etwa dreimal soviel Fläche wie die Gerste (5,7%). Der Hackfruchtbau ist am stärksten mit 15,7% in Masuren vertreten, 13,7 % davon kommen allein auf Kartoffeln. Zuckerrüben spielen des Klimas wegen keine Rolle. Die Provinz betreibt einen ausgedehnten Futter-, in erster Linie Hotkleehau. Brache und Ackerweide sind als Zeichen zunehmender Intensivierung in der Abnahme begriffen. Ganz wird sich erstere mit Rücksicht auf die Arbeitsverteilung nicht umgehen lassen, allerdings tritt in neuerer Zeit die Johannibrache mehr und mehr an die Stelle der Schwarzbrache.

Die Bodenbearbeitung ist in neuerer Zeit durch Einführung neuzeitlicher Maschinen und Geräte wesentlich vervollkommnet worden. Die Drillkultur macht Fortschritte; das Hacken des Getreides steckt noch in den ersten Anfängen Erntemaschinen werden in steigendem Umfange eingeführt. Durch Anbauversuche macht man die geeigneten Pflanzensorten ausfindig. Das kalte Klima stellt an die Winterfestigkeit hohe Anforderungen, aber auch hei Sommersaaten erweisen sich viele Sorten, die sich anderswo bewährt haben, für Ostpreußen als ungeeignet. Die Anwendung von Kunstdünger hat in der neueren Zeit sehr große Fortschritte zu verzeichnen, wenn die ausgestreuten Mengen auch, noch kleiner sind als in vielen anderen Provinzen. Besonders im Kleinbetriebe muß der Kunstdünger mehr Eingang linden.

Die Fruchtfolgen nehmen durch Zurückdrängung der Brache und der mehrjährigen Kleegrasschläge mehr und mehr das Gepräge der abgeänderten Fruchtwechselwirtschaft an, während sie früher viele Anklänge an die, Feldgraswirtschaft zeigten.

Die Wiesenkultur macht vor allen Dingen, durch gesteigerte Düngung Fortschritte. Die Wässerwiesen sind in schwächerem Maße vertreten, als im Hinblick auf die vielen trockenen Frühjahre wünschenswert wäre. Intensiv bewirtschafteten Weiden treten in steigendem Umfange an die Stelle der wenig gepflegten Naturweiden. Auf Moor sind mit bestem Eriolg sehr ergiebige Wiesen und Weiden angelegt worden.

Der Obstbau ist erheblich schwächer als im Staatsdurchschnitt. Wenn auch das Klima hier gewisse Schwierigkeiten bietet, so würde doch in Ostpreußen bei Auswahl geeigneter Sorten erheblich mehr Obst wachsen können. Die angebauten Äpfel zeichnen sich durch einen besonders hoben Wohlgeschmack ans. Zu überlegen bleibt, ob nicht an Straßen in umfangreicherem Maße eine Verdrängung der Laub- durch Obstbäume möglich wäre.

Auch dem Gemüsebau ist eine größere Ausdehnung zu wünschen. Allerdings darf man nicht glauben, daß diesem Gebiet der Wettbewerb mit klimatisch milderen Gegenden aufgenommen werden kann. Das Klima gestattet Ostpreußen weder den Anbau von Wintergemüse, noch kann man in einem Jahr 2 — 3 Ernten von der Fläche nehmen. Trotzdem läßt sich der Gemüsebau steigern.

Die Roherträge von der Flächeneinheit des Ackerlandes sind dank der geschilderten Kulturmaßnahmen in der neuesten Zeit gestiegen. Man erntet von Getreide das l3/4-2fache, von Kartoffeln und Futterpflanzen das 2 — 21/4 fast wie vor 30 Jahren. Die Statistik lehrt aber, daß Ostpreußen trotz dieser Fortschritte im Getreidebau in erster Linie seiner klimatisch ungünstigen Verhältnisse wegen mit den mittleren und westlichen Provinzen den Wettbewerb nicht halten kann, wohl aber ist das hinsichtlich des Futterbaues möglich. Die Provinz wird dadurch nachdrücklich auf starke Berücksichtigung der Viehzucht hingewiesen, eine Tendenz, die von der wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte unterstützt wird

Die Viehbestände der Provinz hatten dementsprechend in neuerer Zeit eine starke Zunahme aufweisen. Hält man sich zunächst an die Friedenszeit, so überragt Ostpreußen im Jahre 1913 mit 18,8 Pferde je l landw. Fläche weitaus den Staatsdurchschnitt mit 13,9 Pferden; in keinem andern Landesteil fand sich ein so dichter Pferdebestand. Dagegen wurden auf die Fläche berechnet im Staatsdurchschnitt 51,5 Stück Rindvieh gehalten, in Ostpreußen aber nur 45,9 Stück. Auch im Schafbestand blieb Ostpreußen mit 11,4 Stück je qkm gegen den Staatsdurchschnitt mit 17,9 Stück zurück, und noch in stärkerem Maße gilt, dies für die Schweine- (49,6 Stück je qkm gegen 67,2 im Staatsdurchschnitt) und die Ziegenbestände (1,6 gegen 9,1 Stück).

Die einzelnen Teile der Provinz weisen eine sehr verschieden dichte Viehhaltung auf. Verhältnismäßig schwach ist die Viehhaltung auf dem wenig futterwüchsigen Boden Masurens. Die Pferdehaltung ist am stärksten in Litauen und im Ermlande. Am meisten Kinder finden sich in der Niederung, in einem Teil Litauens und in der weiteren Umgegend von Königsberg liegenden Kreisen. Auch die Marienburger und Elbinger Niederung betreiben eine ausgedehnte Rindviehzucht. Die Schweinehaltung wird am stärksten in der Niederung betrieben, und die meisten Schafe finden sieh in den mit viel Großgrundbesitz ausgestatteten Kreisen in der Mitte der Provinz.

Der zahlenmäßige Rückgang der Viehhaltung, zunächst durch die Einwirkung des Russeneinfalls und dann durch die mit dem Krieg zusammenhängenden Ereignisse, ist tiefgreifender Natur. Nach den Dezemberzählungen der einzelnen Jahre stellt sich für die Provinz alten Umfangs der Viehbestand wie folgt:

 

Jahr Pferde (ohne Militärpferde) Rinder Schafe Schweine Ziegen Kaninchen Federvieh
im ganzen davon Hühner
1913 491.841 = 100 1.236.752 = 100 306.277 = 100 1.337.464 = 100 43.749 = 100      
1914 297.884 = 61 903.137 = 73 183.955 = 60 852.583 = 63 28.462 = 65
1915 392.119 = 80 1.047.908 = 85 220.339 = 71 928.674 = 69 34.422 = 78
1916 400.828 = 81 1.130.953 = 91 242.759 = 79 946.917 = 70 40.673 = 92 3.543.216 2.932.626
1917 411.703 = 84 1.130.359 = 91 262.786 = 86 612.187 = 45 43 223 = 98 252.949 3.382.359 2.730.703
1918 413.485 = 84 999.236 = 81 300.707 = 98 665.956 = 50 40.095 = 92 183.877 3.032.785 2.422.276
1919 457.075 = 93 1.042.822 = 84 373.731 = 122 828.034 = 62 43.487 = 99 148.140 3.489.096 2.772.730
Für die Provinz neueren Umfangs können folgende Zahlen einander gegenübergestellt werden:
1913 513.045 = 100 1.263.307 = 100 333.065 = 100 1.324.786 = 100 51.594 = 100 ? 4.162.887 = 100 3.336.286 = 100
1920 479.134 = 93 1.080.359 = 85 424.517 = 127 988.170 = 75 45.083 = 87 107968 3.884.618 = 93 3.175.141 = 95

 

Diese Zahlen zeigen, welche schweren Schädigungen die Viehzucht der Provinz zunächst durch den Russeneinfall erlitten hat. Sie gehen aber auch einen Beweis, in wie hohem Maße man bemüht gewesen ist, trotz aller durch die Kriegswirtschaft bedingten Zwangsmaßnahmen an, der Hebung der Viehzucht zu arbeiten. Bei Pferden ist ein ziemlich gleichmäßiges Ansteigen festzustellen, während die Binder im Jahre 1918 und die Schweine im Jahre 1917 wieder durch die starke Inanspruchnahme der Bestände für die Versorgung von Heer und Bevölkerung einen Rückgang zeigen. Er ist am stärksten bei den Schweinen. Die Schafe weisen wachsende Bestände auf, während die, Ziegen trotz anfänglicher Zunahme Mühe haben, den Bestand zu erhalten. In der Provinz neuen Umfangs sind im Jahre 1920 bei den Pferden 7%, bei Rindern 15%, bei Schweinen 25% und bei Ziegen 13% der Stückzahl weniger vorhanden als im Jahre 1913. Die Schafe dagegen weisen eine Zunahme von 27% auf. Auffällig ist der starke Rückgang des Kaninchenbestandes, der nur in den Kriegsjahren festgestellt ist; auch beim Geflügel fehlen immerhin noch 7% des Friedensbestandes. An der Ausgleichung dieser Lücken wird eifrig gearbeitet. Das Ziel dürfte im absehbarer Zeit erreicht sein. Daß neben dem zahlenmäßigen Rückgang eine erhebliche Schädigung in der Leistungsfähigkeit, wie sie in Lebendgewicht und Milchergiebigkeit zum Ausdruck kommen, eingetreten ist, kann leider nicht geleugnet werden, obgleich es auch hier wieder aufwärts geht.

Ihrer Beschaffenheit nach steht die Viehzucht in Ostpreußen auf einer hohen Stufe. Sowohl in der Zucht des edlen Pferdes wie in derjenigen des Rindes sind Landeszuchten im besten Sinne des Wortes entstanden. Die Zucht der Warmblutpferde ist alt. Unter Führung des Hauptgestüts Trakehnen hat sie in erster Linie ihre Verbreitung in Litauen, wo sich mit dem Sitz in Insterburg das „Ostpreußische Stutbuch für edles Halbblut Trakehner Abstammung“ gebildet hat. Die Stuten finden sich vornehmlich in der Hand bäuerlicher Züchter, während die Absatzfohlen von Großgrundbesitzern aufgekauft und hier bis zum dritten Jahre gehalten werden. Bis zum Kriege wurden sie dann der Remontekommission verkauft. Da dieser Absatz heute nicht mehr in Frage kommt, so hat die Landwirtschaftskammer seit dem Jahre 1917 in Königsberg und Berlin Pferdeauktionen eingerichtet, die sich gut bewährt haben. Die Edelzucht der Provinz wird sich in Zukunft mehr und mehr auf den Luxuspferdemarkt einstellen müssen.

In den 4 Landgestüten der Provinz alten Umfanges, Gudwallen, Georgenburg, Rastenburg und Braunsberg, standen 1914 822 Landbeschäler, welche annähernd 50000 Stuten deckten. Dazu kommen noch etwa 18000 von Privathengsten — zum größten Teil Kaltblut — gedeckte Stuten, so daß im ganzen 68000 Zuchtstuten vorhanden waren. Von den. über 4 Jahre alten Pferden sind im Mittel der Provinz 40%, in Litauen sogar 50% als Zuchtstuten anzusehen. Seit dieser Zeit wird die Pferdezucht in der Provinz in noch stärkerem Maße betrieben. Die 4 genannten Landgestüte wiesen im Jahre 1919 einen Bestand von 915 Beschälern auf. Es handelt sich dabei ausschließlich um Warmbluthengste. Außerdem Ständen in der Provinz 1919 im Privatbesitz 45 Warmblut- und 320 Kaltbluthengste zusammen also 365 Zuchthengste. Die staatlichen Beschäler deckten rund 70000, die Privathengste 1570 Stuten so daß mithin in der Provinz alten Umfanges 85700 Stuten zu finden waren. In den hinzugekommenen westpreußischen Kreisen deckten aus dem Landgestüt Marienwerder 57 (Warmblut-) Landbeschäler rund 3300 Stuten und 15 Privathengste (5 Warm-, 10 Kaltblut) rund 500 Stuten, im ganzen also 3800 Stuten. Die Provinz neueren Umfangs wies demnach im Jahre 1919 89500 gedeckte Stuten auf, eine Zahl, die von keiner anderen Provinz erreicht wird.

Die Kaltblutzucht der Provinz gehört der neueren Zeit an und hat heute schon, wie aus der oben genannten Stutenzahl hervorgeht, einen größeren Umfang als der Fernerstehende annimmt. Sie findet sich in erster Linie im Regierungsbezirk Königsberg, daneben in Allenstein, während Gumbinnen durch die dortige Körordnung ausschließlich dem Halbblut Vorbehalten bleibt. Die Kaltblutzucht erstreckt sich heute ausschließlich auf das belgische Pferd. Zur Förderung der Zuckt besteht seit 1914 „Das Ostpreußische Stutbuch für schwere Arbeitspferde“ mit dem Sitz in Königsberg.

Die Rindviehzucht Ostpreußens ist heute weit über die Grenzen der Provinz hinaus als Hochzucht allgemein anerkannt. Sie verdankt das der zielbewußten Arbeit der seit 1882 bestehenden „Ostpreußischen Holländer Herdbuch-Gesellschaft“ mit dem Sitz in Königsberg. Welcher Wertschätzung sich die Herden der Mitglieder erfreuen, wird besonders schlagend durch die auf den Zuchtvieh-Versteigerungen bezahlten Preise bewiesen. Der auf der Auktion im Frühjahr 1922 für einen jungen ostpreußischen Herdbuchbullen gezahlte Preis von 1,2 Mill. Mark ist bislang in Deutschland noch, niemals für ein Kind irgendeiner Rasse bezahlt worden. Mit dem Sitz in Insterburg besteht seit 1916 als zweite Züchtervereinigung der „Herdbuchverein für das schwarz-weiße Tieflandrind in Ostpreußen“. Diese Vereinigung hat sich um die Einführung des Kontrollvereinswesens, das inzwischen auch von der alten ostpr. Herdbuchgesellschaft übernommen wurde, verdient gemacht. In keinem anderen Landesteil haben die Milckkontrollvereine einen so starken Eingang gefunden als in Ostpreußen. 1914 bestanden in der Provinz 182 Kontrollvereine, welche rund 89000 Kühe kontrollierten, das sind 14% des Bestandes. Obgleich durch die Kriegsereignisse empfindlich gestört, waren am 1. Juli 1919 doch wieder 122 Kontrollvereine an der Arbeit. Durch weitere Neugründungen übersteigt die Zahl der Kontrollvereine mit 212 heute bereits den Friedensbestand, so daß Ostpreußen auch heute noch an der Spitze dieser Bewegung steht. Man ist demnach in Ostpreußen bemüht, nicht nur die Form, sondern auch die Leistung der Zuchtwahl zugrunde zu legen und dadurch die Viehbestände möglichst zu vervollkommnen. Daß die von der Ostpr. Holländer Herdbuchgesellschaft zuerst eingeführte Tilgung der Tuberkulose nach den Vorschlägen von Ostertag sich allmählich über ganz Deutschland verbreitet hat, ist bekannt. Die Züchtervereinigungen sind zunächst vom Großgrundbesitz geschaffen, und er hat zweifellos die besten Herden aufzuweisen. Neuerdings finden die Bestrebungen auch heim Mittelbesitz Anklang, während der Kleingrundbesitz erst nach und nach mit Hilfe von Bullenstationen, Ausstellungen, Prämiierungen usw. seine Viehzucht verbessert. Erhebliche Fortschritte sind aber in allen Betrieben zu verzeichnen. In dem von Westpreußen hinzugekommenen Teil der Provinz haben die dort wohnhaften Züchter sich zu der „Westpreußischen Herdbuchgesellschaft“ mit dom Sitz in Marienburg zusammengeschlossen. Zuchtziel und Arbeitsweise decken sich mit denjenigen der beiden anderen Herdbuchgesellschaften der Provinz.

Die Fütterung gründet sich im Sommer hauptsächlich auf Weidegang, wodurch eine feste Konstitution und gute Gesundheit erreicht wird. Im Winter wird in erster Linie mit größeren Mengen Heu, daneben mit Rühen gefüttert. Fabrikabfälle, vor allem Sauerfutter, spielen als Futtermittel keine Rolle. Kraftfutter wurde bis zum Kriege zwar in steigenden Mengen, aber anderen Gegenden gegenüber doch in mäßiger Weise verwendet. In der Gegenwart spielen die Kraftfuttermittel naturgemäß eine bescheidene Rolle. Die Bestrebungen auf Hebung des einheimischen Futterbaus und auf Einführung geeigneter Konservierungsverfahren (Silos) machen sich in starkem Maße bemerkbar und haben heute eine ganz besonders große Bedeutung.

Die Schafzucht hat in Ostpreußen wie überall durch die Ereignisse der Kriegsjahre eine erhöhte Beachtung gefunden. Im Westen der Provinz züchtet man in erster Linie Merinofleischschafe, im größten Teil aber englische Fleischschafe deren verschiedene Typen man zu einem einheitlichen deutschen schwarzköpfigen Fleischschaf ausgestalten will. In kleinem Umfange werden auch weißköpfige Fleischschafe gezüchtet. Die Züchter aller drei Richtungen haben sich zu je einer Schafzüchtervereinigung mit dem Sitz in Königsberg zusammengeschlossen. Neben Körung und Stammbuchführung veranstalten sie in Königsberg Zuchtschaf-Auktionen. Für die Erhaltung der bodenständigen, genügsamen alten Landschafe, der Skudden, sind Stammherden eingerichtet.

Auch die Schweinezucht war vor dem Kriege in erfreulicher Entwicklung. Es bestanden verschiedene Hochzuchte, sowohl des deutschen Edel-, wie des veredelten Landschweines, welche sich zu Züchtervereinigungen zusammengeschlossen hatten. Eine umfangreiche Gebrauchszucht lieferte steigende Mengen von Mastschweinen für die Märkte Mittel- und Westdeutschlands. Die während des Krieges eingetretene Futterknappheit hat, wie weiter oben zahlenmäßig nachgewiesen wurde, die Schweinezucht besonders stark geschädigt. An dem Wiederaufbau wird indessen eifrig gearbeitet In jedem Regierungsbezirk besteht heute eine Züchtervereinigung, die neben Körung und Stammbuchführung durch Veranstaltung von Zuchtschweineversteigerungen um den Absatz bemüht sind. Ein Zusammenschluß der vier Züchtervereinigungen zu einem Provinzialverband ist in Kürze zu erwarten. Dadurch wird eine kraftvolle Organisation geschaffen, die dem Gedeihen der Zucht zustatten kommen muß

Die Geflügelzucht hatte vor dem Kriege zwar eine erhebliche Zunahme aufzuweisen, doch war der Bestand immer noch im Verhältnis zur Fläche nicht groß.

Der Kaninchenzucht ist während des Krieges eine größere Beachtung geschenkt worden. Wie die oben angegebene Bewegung der Bestände nachweist, scheint in neuester Zeit ein Rückgang der Kaninchenzucht eingetreten zu sein Mit der Wiederkehr etwas mehr geregelter Ernährungsverhältnisse hat man augenscheinlich die in den Kriegsjahren betriebene Zucht teilweise wieder aufgegeben.

Die Bienenzucht steht zwar im Regierungsbezirk Königsberg über dem Durchschnitt der Provinz, aber noch unter dem Durchschnitt des Reiches.

Unter den landwirtschaftlichen Nebengewerben steht das Molkereiwesen an erster Stelle, doch spielt hier das Genossenschaftswesen eine geringere, neuerdings sogar eine abnehmende Rolle. Nicht wenige Genossenschaften sind in private Sammelmolkereien umgewandelt worden. Die letzteren haben in der Regel Vollbetrieb, die Genossenschafts-Molkereien dagegen beschränkten Betrieb. Die Inhaber von Hochzuchten, die häufig eigene Gutsmolkereien betreiben, gehen, sofern sie an Genossenschafts-Molkereien angeschlossen sind, vielfach zur Rahmlieferung über, um für die Aufzucht der Kälber die Magermilch in einwandfreier Beschaffenheit gewinnen zu können. Neben der Butterbereitung spielt die Käserei, besonders in der Niederung, eine wichtige Rolle. Der Tilsiter Käse ist eine weit bekannte Handelsware.

Die Spiritusbrennerei ist namentlich in Masuren weit verbreitet; etwa 2/3 der vorhandenen Anlagen sind dort zu finden. Sie ist für die Kultur der dortigen Sandböden von ausschlaggebender Bedeutung. Es bleibt vom Standpunkt dieser Betriebe aus beklagenswert, daß die Brennereien noch immer einer Produktionsbeschränkung unterworfen sind. Die Kartoffeltrocknung war in den letzten Jahren vor dem Kriege stark in Aufnahme gekommen. Leider sind mit Rücksicht auf die hohen Kosten der Maschinen und der Preise der Brennstoffe die an diesen Betriebszweig geknüpften Hoffnungen nicht in Erfüllung gegangen. Die einzige Zuckerfabrik der Provinz war während der Kriegsjahre zum Stillstand gekommen. Der Betrieb ist im Herbst 1921 wieder aufgenommen worden. Die Stärkefabrikation ist von ganz untergeordneter Bedeutung. Die Zahl der landwirtschaftlichen Brauereien geht immer weiter zurück. Die Brauerei entwickelt sich auch in Ostpreußen zu einem rein industriellen Großbetrieb, der mit der Landwirtschaft keinen unmittelbaren Zusammenhang aufweist. Auch die ländlichen kleinen Mühlen weisen einen immer weiteren Rückgang auf. Ziemlich groß ist die Zahl der mit einem landwirtschaftlichen Betrieb verbundenen Ziegeleien, doch leiden diese in der Gegenwart stark durch die Kohlenknappheit, so daß nicht wenige Anlagen zum Stillstand gekommen sind.

Wie allenthalben, so ist auch in Ostpreußen der in neuerer Zeit erzielte Fortschritt auf landwirtschaftlichem Gebiet durch besondere Förderungsmaßnahmen wesentlich unterstützt worden. Die Staatsregierung hat in steigendem Maße Mittel zur Verfügung gestellt, um Einrichtungen zu schaffen, die anregend und vorbildlich wirken konnten. Es ist dringend zu wünschen, daß diese im wohlverstandenen Interesse nicht nur der Landwirtschaft, sondern der Gesamtheit liegende Fürsorge auch unter den neuen Verhältnissen fortgeführt wird.

Das landwirtschaftliche Unterrichts- und Bildungswesen ist in seiner hervorragenden Bedeutung für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft allgemein anerkannt. In Ostpreußen besteht für die Ausbildung der künftigen Leiter von Großbetrieben und der Landwirtschaftslehrer das Landwirtschaftliche Institut der Universität in Königsberg 1876 begründet, umfaßt es heute sieben Abteilungen und besitzt in Gutenfeld ein eigenes Versuchsgut. Landwirtschaftliche Realschulen — sogenannte Landwirtschaftsschulen — bestehen in Marggrabowa, Heiligenbeil und Marienburg. Die wichtigsten Fachschulen für die Ausbildung der kleineren Landwirte stellen die heute meist als landwirtschaftliche Schulen — früher Winterschulen — bezeichneten Anstalten dar. Heute bestehen in der Provinz neueren Umfangs 24 Anstalten dieser Art und zwar: in Allenstein, Angerburg, Bartenstein, Braunsberg, Fischhausen, Freystadt, Goldap, Gumbinnen, Heilsberg, Insterburg, Johannisburg, Lötzen, Lyck, Marggrabowa, Marienburg, Neidenburg, Ortelsburg. Osterode, Pr. Holland Ragnit, Rastenburg, Rössel, Sensburg und Wehlau.

Das Ziel muß sein, daß in Zukunft jeder Landwirt, einerlei ob er einen größeren oder kleineren Betrieb zu leiten hat, sich auf einer landwirtschaftlichen Lehranstalt die nötige Fachbildung erwirbt. Es ist die Hauptsache, die persönliche Tüchtigkeit der Betriebsleiter auf eine möglichst hohe Stufe zu heben. Dazu ist erforderlich, daß die Zahl der landwirtschaftlichen Schulen noch erheblich vergrößert wird. Angestrebt wird zunächst die Errichtung einer Anstalt in jedem Kreise, wofür noch 15 weitere Schulen erforderlich sein würden. Zu wünschen wäre weiter, daß wenigstens einige Anstalter nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer im Betrieb sind, weil ein Teil des Unterrichts mit sehr viel mehr Erfolg in Sommer als im Winter erteilt werden kann. Dieses Ziel läßt sich mit Hilfe der Ackerhauschulen, und zwar sowohl de: theoretisch - praktischen wie der theoretischen erreichen. Bestrebungen, die eine oder ander Schule dieser Art einzurichten sind gegenwärtig in Gang.

Die an den landwirtschaftlichen Schulen wirkenden Landwirtschaftslehrer haben als Wirtschaftsberater (landwirtschaftliche Wanderlehrer) eine ungemein segensreiche Tätigkeit für die Hebung der Landwirtschaft ausgeübt. Sie wirken in landwirtschaftlichen und zweckverwandten Vereinen und sind die örtlichen Träger aller Maßnahmen, die für die Förderung de Landwirtschaft eingeleitet werden. Sie sind die Berater und Führer der kleineren Landwirte, und ihnen ist es zum gutem Teil zu danken, wenn in den letzten Jahrzehnten ein so großer Fortschritt erzielt werden konnte. Dringend zu wünschen bleibt auch aus diesem Grunde, daß der Wirkungskreis dos einzelnen Landwirtschaftslehrers nicht zu groß ist. Wenn erst einmal in jedem Kreis eine landwirtschaftliche Lehranstalt besteht und wenn, wie weiter angestrebt wird, an jeder Schule nicht um ein, sondern zwei Landwirtschaftslehrer tätig sind, dann können sie ihre Aufgaben viel eingehender betreiben und einen viel nachhaltigeren Erfolg erzielen, als das heute der Fall ist.

Für die Ausbildung der weiblichen landwirtschaftlichen Jugend besteht außer der Wirtschaftlichen Frauenschule (Kronprinzessin Cecilien-Schule) in Metgethen je eine landwirtschaftliche Haushaltungsschule in Wehlau und Wormditt. Auf größere Kreise sucht man durch Wanderhaushaltungsschulen zu wirken.

Für Sonderzwecke sind zunächst Molkereischulen, und zwar eine für männliches Molkereipersonal in Königsberg und je eine für weibliches Personal in Karschau (Kreis Königsberg) und in Warnikam (Kreis Heiligenbeil) begründet.

Die Geflügelzuchtlehranstalt in Waldgarten (Kreis Königsberg) hält Kurse in Geflügelzucht ab. Eine Gartenbauschule befindet sich in Tapiau und eine Provinzial-Wiesenbauschule in Königsberg. Das ländliche Fortbildungsschulwesen hatte in den letzten Jahren vor dem Kriege eine sehr starke Zunahme aufzuweisen, sein weiterer Ausbau wird angestrebt.

Für die Untersuchung von Futter- und Düngemitteln, sowie der sonstigen Bedarfsgegenstände und zur Durchführung von Versuchen sind die landwirtschaftlichen Versuchsstationen in Königsberg und Insterburg eingerichtet. Dazu kommt die Versuchsstation für Molkereiwesen in Königsberg. Eine umfangreiche Versuchstätigkeit wird außerdem ausgeübt von den verschiedenen Abteilungen des bereits erwähnten landwirtschaftlichen Universitäts-Instituts in Königsberg und endlich auf dem Gebiete der Moorkultur von dem zum Mooramt der Landwirtschaftskammer gehörigen Versuchsfeld in Bledau.

Das landwirtschaftliche Vereinswesen der Provinz ist in seinen ersten Anfängen zwar mehr als 150 Jahre alt, aber der Hauptsache nach doch erst in der eisten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Gang gekommen. Im Jahre 1821 entstand die litauische landwirtschaftliche Gesellschaft, der heutige landwirtschaftliche Zentralverein Insterburg. Der landwirtschaftliche Zentralverein Königsberg wurde 1844 durch Zusammenschluß einer Anzahl von Einzelvereinen begründet, während mit der Bildung des Regierungsbezirks Allenstein im Jahre 1907 auch dort ein landwirtschaftlicher Zentralverein eingerichtet wurde. Für den früher zu Westpreußen gehörigen Teil der Provinz hat sich ein besonderer landwirtschaftlicher Zentralverein mit dem Sitz in Marienburg gebildet, so daß heute in Ostpreußen vier landwirtschaftliche Zentralvereine bestehen.

Im Gegensatz zu anderen Provinzen sind die landwirtschaftlichen Zentralvereine auch nach Errichtung der Landwirtschaftskammer erhalten geblieben, Sie arbeiten als Organe der Landwirtschaftskammer, aber mit körperschaftlicher Selbständigkeit, und haben insbesondere die Förderung der gesamten Tierzucht einschließlich des Molkereiwesens, dos Acker- und Pflanzenbaues, des Obstbaues sowie des Vereins- und Ausstellungswesens auszuführen. Die landwirtschaftlichen Zentralvereine und die ihnen angeschlossenen landwirtschaftlichen Zweigvereine, welche lückenlos die ganze Provinz umfassen, haben heute noch wichtige Aufgaben zu erfüllen. An allen Einrichtungen zur Förderung der Landwirtschaft sind sie hervorragend beteiligt, und was in dieser Richtung im Laufe der Jahrzehnte erreicht wurde, ist zum guten Teil der von ihnen geleisteten selbstlosen Arbeit zu verdanken. Zu wünschen ist allerdings, daß die Beteiligung am Vereinswesen eine noch viel allgemeinere wird. Es gibt leider noch viele kleinere Landwirte, welche zu ihrem eigenen Schaden sich vom Vereinslebeu fernhalten. Der an die landwirtschaftlichen Zentralvereine angeschlossenen Fachvereine, wie der Züchtervereinigungen für verschiedene Gattungen der landwirtschaftlichen Haustiere, insbesondere Stutbuch- und Herdbuchgesellschaften, der Kontrollvereinsverbände. der Vereine für Geflügel-, Bienen- und Fischzucht, der Gartenbauvereine usw. ist zum guten Teil in den früheren Ausführungen bereits in. anderem Zusammenhang gedacht worden.

Der Ermländische Bauernverein mit dem Sitz in Wormditt hat als Glied der „Vereinigung christlicher Bauernvereine“ eine völlig selbständige Entwicklung genommen. Er hat sich durch seine rührige Tätigkeit an der Hebung der Landwirtschaft im Ermlande ein hervorragendes Verdienst erworben.

Die Bestrebungen des Vereins für ländliche Wohlfahrts- und Heimatpflege sind heute in der Hauptwohlfahrtsstelle für Ostpreußen in Königsberg zusammengefaßt. Man will alle jene Maßnahmen, welche der Entvölkerung des Landes entgegenwirken, in die Wege leiten und fördern und dafür sorgen, daß auf dem Lande ein zufriedenes, heimfrohes und heimfestes Geschlecht entsteht, das nicht daran denkt, dem Lande den Rücken zu kehren.

Der Verband der landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine mit dem Sitz in Königsberg faßt die über die ganze Provinz verteilten Vereine dieser Art zusammen. Der erste landwirtschaftliche Hausfrauenverein ist 1900 in Ostpreußen entstanden, und von hier aus haben sieh die Vereine über ganz Deutschland verbreitet. Sie erstreben die Fortbildung der weiblichen Jugend auf allen Gebieten der hauswirtschaftlichen Tätigkeit und sind außerdem durch Errichtung von Verkaufsstellen um den Absatz von Obst, Gemüse, Geflügel, Eiern, Schlachtwaren usw. bemüht.

Pie im Jahre 1896 errichtete Landwirtschaftskammer für Ostpreußen hat die Aufgabe, die Gesamtinteressen der Land- und Forstwirtschaft der Provinz wahrzunehmen und zu diesem Zwecke alle auf die Hebung der Lage des ländlihen Grundbesitzes hinzielende Einrichtungen zu fördern sowie eigene Einrichtungen für den technischen Fortschritt der an Wirtschaft zu treffen. Die Aufgaben der Kammer sind besonders unter dem Einfluß der Kriegsereignisse vielseitig und umfangreich geworden und haben in der Nachkriegszeit zu einem starker Ausbau der Organisation geführt. Außer dem Vorstand beraten die gewählten Ausschüsse alle beachtenswert erscheinenden Fragen. Für die technische Förderung der Landwirtschaft sind eine Reihe von Geschäftsstellen und Instituten eingerichtet, und zwar:

  1. das bakteriologische Institut,
  2. das Mooramt, einschließlich Futterhaustelle,
  3. das Forstamt,
  4. das Bauamt,
  5. das Samenuntersuchungsamt,
  6. Pflanzenschutzstellen mit ihren Sammelstellen,
  7. die Viehverkaufsstelle G. m. b. H.
  8. die Rechts- und Steuerberatungsstelle,
  9. das Wirtschaftsamt (Wirtschaftsberatungsstelle) einschließlich Zentralstelle für bäuerliche Buchführung,
  10. die Buchführungsstelle,
  11. die Maschinenberatungsstelle,
  12. der Viehversicherungsverband,
  13. das Versuchsgut Hasenberg mit Lehranstalt für Pflanzenbau,
  14. die Zentralstelle zur Hebung der Futtererzeugung.

Dazu kommen dann noch die schon im anderen Zusammenhang erwähnten Einrichtungen:

  1. 15. das Untersuchungsamt (Landw. Versuchsstation Königsberg),
  2. die Versuchsstation und Lehranstalt für Molkereiwesen in Königsberg,
  3. die Geflügelzucht-Lehranstalt in Waldgarten,
  4. die 24 landwirtschaftlichen Winterschulen,
  5. die Haushaltungsschule in Wehlau,
  6. die Molkereischulen.

Das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen geht in seinen ersten Anfängen auf das Jahr 1871 zurück. Größere Bedeutung hat es aber erst seit Beginn der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts erhalten. Heute besteht es aus einem die ganze Provinz umspannenden Netz von Einzelgenossenschaften, welche zu Verbänden zusammengeschlossen

sind. Es handelt sich zunächst um folgende Verbände:

  1. den Verband ländlicher Genossenschaften Raiffeisenscher Organisation für Ostpreußen mit dem Sitz in Königsberg,
  2. den Verband wirtschaftlicher Genossenschaften des Ermlandes mit dem Sitz in Wormditt,
  3. den Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften für Ostpreußen mit dem Sitz in Insterburg.

Der Schwerpunkt der beiden erstgenannten Verbände liegt in den Spar- und Dahrlehnskassen nach Raiffeisen. Der Insterburger Verband erstreckt sich in erster Linie auf Molkerei- sowie Bezugs- und Absatzgenossenschaften. Dem Ermländischen Verband gehören auch einige Genossenschaften dieser Art an, während der Raiffeisenverband sich neben den Spar- und Darlehnskassen auf alle Arten landwirtschaftliche Genossenschaften erstreckt und weitaus die größte Ausdehnung besitzt. Er umfaßte am 1. Januar 1921 im ganzen 415 Genossenschaften, davon 359 Spar- und Darlehnskassen-, 13 landwirtschaftliche Bezugs- und 34 Verwertungsgenossenschaften. Die ausgedehnte An- und Verkaufsgenossenschaft Königsberg, welche in der Provinz verschiedene Zweigstellen errichtet hat, steht neuerdings mit dem Raiffeisenverband in Verbindung. Die große Maschinengenossenschaft mit ihren 7 über die- Provinz verteilten Zweigniederlassungen ist seit dem Jahre 1921 mit einer kapitalistischen Unternehmung zu der Ostpreußischen Maschinen-Gesellschaft m. b. H. verschmolzen.

Das landwirtschaftliche Versicherungswesen ist verkörpert in der als öffentliche Feuerversicherungsanstalt wirkenden Feuersozietät für die Provinz Ostpreußen in Königsberg, in der Haftpflicht Versicherungsanstalt der ostpreußischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft in Königsberg und in dem Viehversicherungsverband der Landwirtschaftskammer der Provinz Ostpreußen in Königsberg, der die örtlichen Viehversicherungsvereine umfaßt und als Rückversicherungsverband wirkt. Zu erwähnen wäre in diesem Zusammenhänge dann noch die Lebensversicherungsanstalt der ostpreußischen Landschaft in Königsberg, welche die erste gemeinnützige Lebenversicherungsanstalt in Deutschland darstellt. — Für die Hagelversicherung sind öffentliche Anstalten nicht vorhanden.

 

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