Einleitung

Als in dem abgewichenen Jahre (1848) die socialen Interessen der gesammten Bevölkerung unseres Staates einer immer allgemeineren und lebhafteren Erörterung unterzogen wurden, da hielt es das Landes-Oekonomie-Collegium nicht nur an der Zeit, sondern für seine recht eigentliche Aufgabe und Obliegenheit, die in's Gebiet der Arbeit einschlagenden Fragen, soweit diese speziell dem Bereiche seiner Wirksamkeit - dem des Landbaues - angehören, selbstthätig der Lösung näher zu bringen. Welchen Weg es zu diesem Zwecke zu betreten habe: darüber konnte es nach einem aufmerksamen Blick auf die Art, den Gang und die bisherigen Untersuchungen des Gegenstandes, leicht mit sich einig werden. Je lauter sich die allgemeine Stimme und ihr Organ, die Presse, über den Gegenstand vernehmen ließ, desto mehr stellte sich ein großer Mangel tatsächlicher Kenntniß der betreffenden Verhältnisse und Zustände heraus. Die Waffen der Verhandelnden waren überwiegend Raisonnements und Phrasen; statt Prinzipien und Motive sah man vielfach in die Diskussion Ungehöriges, Partheigeist und Leidenschaft hineingetragen; so wurden allmählig Zweck und Ziel der Erörterung verrückt, und als Früchte derselben wurden zu großem Theile haltungslose Rathschläge und vage Experimente an Stelle praktischer Maaßregeln und sicherer Hülfe geboten. Darum erachtete es das Collegium für das Erste und Nöthigste, sich von den wirklichen Zuständen, auf welche die Aufmerksamkeit sich so entschieden gelenkt hatte, eine so umfassende und vollständige Kenntniß wie immer möglich zu verschaffen, um nicht in die Gefahr zu kommen, Schlußfolgen zu ziehen, welche nicht mit der Wirklichkeit und Wahrheit übereinstimmten und dadurch zu verleiten, die hochwichtige Sache in einer Weise anzugreifen, welche, statt besänftigend und wohlthätig, beunruhigend und störend wirken könnte. Diesem entsprechend schien es in Bezug auf die materielle Lage des ländlichen Arbeiters zunächst darauf anzukommen, eine klare Einsicht davon zu erhalten:

1) was derselbe zu seinem ökonomischen Lebensunterhalte nach der üblichen Lebensweise dieser Classe von Leuten bedürfe?

2) in wiefern derselbe nach den obwaltenden Verhältnissen im Stande sei, für diese Lebensbedürfnisse auskömmlich und nachhaltig zu sorgen?

3) in welcher Art und Weise derselbe seine Bedürfnisse befriedige, wie er lebe? wie seine physischen, geistigen und sittlichen Zustände beschaffen seien? endlich

4) welche Ansichten im Allgemeinen darüber gehegt würden, wie die materielle Lage des ländlichen Arbeiters und jene Zustände wesentlich und nachhaltig zu verbessern sein würden?

Diese Fragen, für die verschiedenen Kategorien der länd-lichen Arbeiter, deren man drei, nämlich: Dienstleute oder Feldgesinde (mit Ausschluß der Dienstboten, die keinen Hausstand haben), Häusler und Colonisten, und Einlieger oder Heuerlinge unterschied, besonders gestellt, und mit den entsprechenden Unterfragen versehen, legte das Collegium mittelst des sub II. abgedruckten Circulares in der Mitte vorigen Jahres sämmtlichen landwirtschaftlichen Vereinen der Monarchie zu einer recht baldigen und vielseitigen Beantwortung vor.

Obwohl die politischen Vorgänge der Zeit auf die Thätigkeit der landwirtschaftlichen Vereine fast allgemein einen sehr störenden Einfluß äußerten, so haben dieselben doch auf die obige Bearbeitung der ländlichen Arbeiterfrage eine weniger ungünstige Einwirkung geübt, da die sociale Bedeutung dieser Frage ihren Ursprung und ihre Entwickelung zum Theil mit in jenen Begebenheiten gefunden hatte. - Es ist gelungen, bis jetzt bereits 185 Berichte (Vergl. sub III.) zu erhalten, so daß dem Collegio die Kenntniß der betreffenden Verhältnisse und Zustände schon in einem großen Theile der Monarchie, welcher auf der beigefügten Karte des Preußischen Staats durch Colorirung angedeutet, zu eigen geworden ist.

Nachdem diese schätzbaren Berichte durch den General-Sekretair zusammengestellt worden - welche Arbeit, bei dem nur allmähligen Eingange derselben und dem namhaften Umfange jener, erst im Februar dieses Jahres vollendet werden konnte - wurde dem Ministerium für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten dasjenige allgemeine Ergebnis der Erwiderungen auf die von dem Collegium gestellten Fragen wegen der Lage der ländlichen Arbeiter vorgelegt, welches in unserer Schrift der Zusammenstellung selbst (sub III.) vorangeht, und dabei in dem begleitenden Berichte hinsichtlich der fruchtbringenden Benutzung der erhaltenen Mittheilungen überhaupt bemerkt: "Collegium dürfe wohl aussprechen, wie doppelt wünschenswert es ihm erscheinen müsse, die möglichste Vervollständigung derselben herbeizuführen, und wie sehr die Theilnahme, welche die Sache bisher gefunden und welche - wie bereits angedeutet - wesentlich in ihrer Natur begründet sei, zu der Hoffnung berechtige, daß solches mit der Zeit gelingen werde; Collegium glaube aber auf die Erfüllung dieser Hoffnung um so rascher und sicherer rechnen zu können, wenn es das bis dahin Empfangene ungesäumt der Oeffentlichkeit überliefere, wodurch die Bedeutung und der Werth eines derartigen Materials noch allgemeiner und eindrücklich er werde anerkannt und bis dahin ungenutzte tüchtige Kräfte zu dessen Anschaffung noch lebendiger würden angeregt werden. Zu letzterem Behufe halte Collegium insbesondere die Mitteilung eines gedruckten Exemplars der Zusammenstellung an jeden landwirtschaftlichen Verein der Monarchie, gleichviel ob derselbe es mit Notizen versehen habe oder selbige ihm noch schuldig geblieben sei, zweckfördernd; dort werde sie ein gebührendes Zeichen der Anerkennung, hier ein Sporn der Nacheiferung abgeben, überall aber werde die Vorlegung des Gesammt-Ergebnisses der bisherigen Untersuchungen über den fraglichen Gegenstand eine vielseitige und gewiß fruchtbringende Diskussion desselben, auf Grund und mit specieller Berücksichtigung jener, hervorrufen.

Das Ministerium ist auf des Collegiums diesfällige Anträge bereitwilligst eingegangen und hat zugleich den Abdruck in einer hinreichend starken Aussage verfügt, um die Frucht der Bemühungen der Vereine zur möglichst verbreiteten Benutzung zu bringen.

Möge das Forschen nach der Wahrheit auch diesmal seine heilsame Kraft bewähren!

 

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