Auszug Fünftes Hauptstück

aus der Vollständigen Topographie des Königreichs Preussen von Johann Friedrich Goldbeck, 1785

Anmerkungen über Städte, Flecken, Dörfer und adelige Güter in Preussen, wie auch über deren Bewohner

Die Städte in Ostpreussen werden in immediate und mediate oder unmittelbare und mittelbare eingeteilt. Alle Königlichen Städte in Ostpreussen sind immediat, das heißt, sie stehen nicht unter der Gerichtsbarkeit eines Königlichen Domainen-Amts ...

Alle adeligen Städte sind mediat, ...

Den größten Unterschied bestimmen die jeder Stadt erteilte besonderen Privilegien. Ehedem als noch Landtage gehalten wurden, waren alle Immediat-Städte in 3 Klassen eingeteilt. Jetzt findet diese Einteilung nur noch beim Servis-Wesen statt.

Alle Städte, sie mögen Königlich Immediate- oder adelige Mediate-Städte sein, stehen in Finanz-, Polizei- und Kommerzien-Sachen unter den Kriegs- und Domainen-Kammern, und sind in gewisse Städtische Kreise eingeteilt ...

Die Flecken oder Marktflecken in Preussen ...

Ein Dorf besteht aus wirklichen Bauern und Ackerleuten ... Diejenigen Dörfer, welche Kirchen haben, werden Kirchdörfer genannt. ...

Was die Landgüter in Preussen betrifft, so ist überhaupt zu bemerken, dass einige derselben zu Culmischen Rechten, andere zu Magdeburgschen, noch andere zu Lehen und viele zu Preussischen Rechten, sowohl adeligen als bürgerlichen Personen verliehen und verschrieben worden sind. ...

Der wesentliche Unterschied aller Güter wird jetzt durch adelige oder nicht adelige Qualität derselben bestimmt. ... Ehedem hatten auch alle Güter in Preussen keine anderen Vorzüge, als die durch ihre besondere Privilegien, und in der Folge durch die persönliche Gerechtsame der Gutsbesitzer bestimmt waren, indem anfänglich selbst die Benennung „Adeliges Gut“ oder „Rittergut“ unbekannt war und nachher, als dieser Ausdruck aufkam, jedes Gut für ein adeliges Gut gehalten wurde, wenn es einen adeligen Besitzer hatte. ...

Um aber den Unterschied aller älteren privilegierten Güter in Ansehung ihrer adeligen oder unadeligen Qualität zu bestimmen, wurde hauptsächlich vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm dem Großen in einer Instruktion unterm 7. Febr. 1684, dass alle diejenigen Freigüter, welche ursprünglich einem von Adel verliehen oder vor 1612 von adeligen Personen besessen und der anfangs darauf gelegten Schaarwerks-Pflichten erlassen worden wären, für adelige Güter gelten und gehalten werden sollten. Für unadelige Güter aber wurden diejenigen erklärt, denen diese Kennzeichen fehlten, wenn sie auch gleich mit großen und kleinen Gerichten etc. verliehen worden wären. Nach dieser Erklärung ist schon längst die Qualität aller Ostpreussischen Güter entschieden worden. ...

Verschiedene adelige Güter werden auch adelig-cölmische Güter1 und sind entweder adelige zu Culmischen Rechten verliehene oder unadelige Cölmische zu adeligen Rechten erhobene Güter. ...

Die auf den adeligen Gütern wohnenden Leute sind teils freie Leute, teils Untertanen. Erstere, sie mögen entweder Acker oder Grundstücke eigentümlich oder kontraktsmäßig besitzen oder auf den Gütern als Handwerker, Gärtner, Instleute und Gesinde sich aufhalten, sind sowohl in Ansehung ihrer Person als ihres Vermögens völlig frei, können von den Gütern frei wegziehen, ohne die geringste Abzugsgelder bezahlen zu dürfen, sind auch bei Verkauf ihrer käuflichen an sich gebrachten adeligen Grundstücke (wenn in Ansehung dieses Punktes in den Kaufkontrakten nicht etwas besonders verabredet worden) und bei Sterbefällen von allen Abgaben an die Gutsherrschaft völlig frei und hängen von ihr nicht weiter ab, als dass sie, so lange sie sich auf ihren Gütern aufhalten, unter derselben Gerichtsbarkeit stehen. Die adeligen Untertanen sind ebenfalls in Ansehung ihres eigentümlichen erworbenen oder ererbten Vermögens völlig frei, können über dasselbe gleich anderen freien Leuten disponieren, genießen in Ansehung desselben Culmischen Rechte, sind auch bei Sterbefällen und bei Verkauf ihrer eigentümlichen Besitzungen keinen Abgaben an die Gutsherrschaft unterworfen. In Ansehung ihrer Person aber sind sie nicht frei, doch ist die ehemalige Leibeigenschaft schon längst aufgehoben worden, und statt derselben nur eine gemilderte Erbuntertänigkeit übrig geblieben, welche hauptsächlich darin besteht, dass die Untertanen mit ihren Kindern als Teile des Gutes, zu welchen sie gehören, angesehen und von demselben nicht anders als durch Loskauf oder durch einen vom Gutsbesitzer erteilten Freiheitsbrief getrennt werden können; auch dass sie schuldig sind, sich zu denjenigen Diensten, zu welchen sie der Gutsherr verlangt, gegen die gesetzmäßige und landesübliche Bezahlung gebrauchen zu lassen. Sie dürfen daher ohne Erlaubnis der Gutsherrschaft nicht von dem Gute, wozu sie gehören, wegziehen, können auch, wenn sie keinen Freiheitsbrief erhalten haben oder wenn sie von der Gutsherrschaft auf einem anderen Gute angesetzt worden sind, von dem nachfolgenden Gutsbesitzer vindiziert und reklamiert werden. Übrigens aber darf kein Gutsherr mit seinen Untertanen weder in Ansehung ihres Vermögens, noch in Ansehung ihrer Person eigenmächtig verfahren. Wie denn auch keine Gutsherrschaft ihre Untertanen verkaufen, vertauschen, verschenken oder verpfänden darf. In vielen durch die Landesgesetze bestimmten Fällen können die Untertanen die Freiheit teils unentgeltlich, teils für den Loskauf-Preis von zehn Talern erhalten.

Die zweite Haupt-Klasse aller Güter in Preussen machen die unadeligen Freigüter aus. ... Zu diesen unadeligen Freigütern gehören:

  1. Die Cölmischen Güter ...
    Ein aus mehreren kleinen Cölmischen Freigütern bestehender Ort wird ein Cölmisches Dorf, und die Besitzer solcher Güter werden Cölmer oder Cölmische Einsaaßen genannt.

  2. Die zu Magdeburgschen Rechten verschriebene Güter, die auch Magdeburgsche Freigüter heißen. Sie haben den Cölmischen Gütern gleiche Vorzüge und waren ehedem von ihnen nur darinnen unterschieden, dass sie nicht Allodial waren. Jetzt da auch die unadeligen Lehngüter allodifiziert worden sind, wird kein Unterschied zwischen Cölmischen und Magdeburgschen Freigütern gemacht, daher sie auch in der tabellarischen Topographie als Cölmische Güter aufgeführt worden sind. ...

  3. Die zu Preussischen Rechten verschriebene Güter, die auch Preussische Freigüter, so wie ihre Besitzer Preussische Freien genannt werden. ...

  4. Die Chatoulgüter, welche ebenfalls freie Erbgüter sind, haben ihren Ursprung, dass einigen Landleuten gewisse Stücke Waldland zur Urbarmachung und Bebauung verschrieben worden sind, wofür ihnen ein gewisser Zins zur Landherrschaftlichen Chatoulle zu zahlen und einige andere Onera, Dienste und Praestanda besonders zu den Forsten, Jagden und Forstgebäuden auferlegt worden sind. ...

Ob nun gleich alle Chatoulgüter darin übereinkommen, dass sie freie- und eingentümliche Güter sind, so werden sie doch in Ansehung ihrer Rechte und Pflichten, die durch ihre Verschreibung näher bestimmt werden, noch besonders eingeteilt in:

  1. Chatoul-Cölmische Güter,

  2. Chatoul-Güter,

  3. Chatoul-Bauergüter.

...

Was die übrigen Güter und Ländereien und deren Bebauer betrifft ...:

Erpachts-Vorwerker ...

Abgebaute Vorwerke ...

Emphytevtische Güter und Dörfer ...

Königliche Bauerdörfer ...

Die Schaarwerksbauern ...

Die Hochzinser ...

Beuthnerdörfer ...

Strandbauerdörfer ...

Flößbauerdörfer ...

Koloniedörfer ...

Gratialgüter und Gratialdörfer ...

Melirte Dörfer ...

... Eigenkäthner ... bebaute Scheffelplätze.

... Kaufgärtner ...

Gärtner aber, wie sie schlechtweg genannt werden sind Leute, welche keine eigenen Häuser und Ackerplätze haben, sondern für ein gewisses Lohn- und Deputatgetreide etc. bei Feldarbeiten dem Beamten (oder auf adeligen und cölmischen etc. Gütern der Gutsherrschaft) täglich zu Dienste stehen und 3 Jahre in den Gütern verbleiben müssen. Eben dieses gilt von den Instleuten, welches eigentlich solche Leute sind, die sich in den Amtswohnungen oder bei den Bauern eingemiethet haben, wofür sie eine gewisse Miete bezahlen, auch den Amte oder der Gutsherrschaft oder dem Wirthe, in deren Wohnungen (Insthäusern) sie sich eingemietet haben, einige, gewöhnlich 6 Tage, unentgeltlich, außerdem aber für das in der Gesindeordnung festgesetzte Tagelohn arbeiten müssen. Außerdem müssen die Instleute sowohl, als die Gärtner ein gewisses Gespinnst ihrer Herrschaft abliefern, auch Kopf- und Hornschoß, nicht aber weniger Weidegeld zahlen und in in der gemieteten Wohnung mindestens 3 Jahre verbleiben.

Alle diejenigen Gutsbesitzer und Wirthe, welche unter der Jurisdiktion der Domainen-Ämter stehen, werden Amts-Einsaaßen genannt und sind, sämtliche freie Leute, indem auch in Ansehung des Amts-Untertanen in den Königlichen Domainen-Ämter schon seit 1719 die Leibeigenschaft völlig abgeschafft worden ist. Nur ist in Ansehung der Königlichen Bauern, deren Kinder und der übrigen Immediat-Untertanen, noch eine gewisse Unterthänigkeit, die hauptsächlich in einem bestimmten Dienstzwange besteht, übrig geblieben.

 

1Der Unterschied zwischen den adelig-cölmischen und anderen zu Magdeburgschen etc. Rechten verschriebenen adeligen Gütern wird nicht allemal bemerkt, und es sind daher auch in der tabellarischen Topographie sehr viele eigentlich adelig-cölmische Güter und Grundstücke, ohne nähere Bestimmung unter der allgemeinen Benennung adeliger Güter aufgeführt.

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