Zug der Cymbrier nach Ulmigerien

Aus: W.J.A. von Tettau und J.D. Temme, "Die Volkssagen Ostpreußens, Litthauens und Westpreußens", Berlin, 1865, Nr. 3, S. 4ff

Nachdem die Gothen von Narses aus Italien verjagt waren, zogen sie zuerst nach Westphalen und wohnten in einem Orte, der noch jetzt von ihnen den Namen Göttingen führt; aber sie wurden auch von dort vertrieben und nach Cymbria oder Dänemark gewiesen. Es herrschte zu der Zeit in diesem Lande ein Fürst Theudott genannt. Diesem grauete vor den Gothen; und als sie zu ihm Botschaft geschickt hatten, ihn zu bitten um einen Ort Larndes,  in welchem sie gegen Entrichtung eines Tributes wohnen könnten, antwortet er ihnen: wie in seinem Reiche eine Insel wäre, Klein-Cymbria genannt, welche ein aus Scandia verjagtes Volk inne hätte, das ihm zum Trotze darin säße und ihn nicht als Herrn anerkennen wolle; wenn die Gothen ihm einen Tribut geben und die Scandianer vertreiben wollten, so möchten sie das Land einnehmen. Die Scandianer aber hatten vorher in Albion gesessen, und waren um ihrer Untreu willen von dem Könige Drusius nach Norwegen in die Verbannung geschickt, was damals Scandia hieß, von dem sie den Namen erhielten. Von dannen waren sie nach Cymbria gezogen, und hatten zuletzt auf der Insel Klein-Cymbria ihren Wohnsitz genommen.

Die Gothen gingen den ihnen von Theudott gemachten Vorschlag ein, und ihr Fürst Wißbo schickte zu den Scandianern nach Klein-Cymbrien und ließ ihnen sagen, wie ihm Theudott das Land, darin sie wohnten, verliehen hätten, dieweil sie ihn nicht als ihren Herrn erkennen wollten, und die Gothen es um einen Tribut angenommen; sie möchten sich also entscheiden, ob sie das Land gutwillig räumen, oder ob sie darin ferner wohnen wollten und davon zinsen, oder endlich ob sie um selbiges kämpfen wollten. Das Volk in Klein-Cymbrien hatte zwei Herren, die es für Könige hielt, genannt Bruteno und Widewuto; diese hielten mit ihren Edelingen einen Rath: was zu thun; sie, die geborne Herren wären, möchten sich nicht entschließen unterthan zu werden; auf eine Kampf könnten sie sich nicht einlassen, da es ihnen unmöglich war, den mächtigen Gothen Widerstand zu leisten; so beschlossen sie das Land zu räumen, und sie machten ihren Vertrag darüber mit den Gothen, welche beschworen: daß sie die Scandianer in den neuen Sitzen ungekränkt lassen würden. Die Insel Klein-Cymbria ward nachgehends von den Gothen, die sie einnahmen, Gothland genannt; und dieselbigen bauten dort ein Schloß, das sie nach ihrem Fürsten Wyesboa nannten, und heißt noch heutigen Tages Wisby.

Bruteno aber und sein Bruder Widewuto setzten sich auf Flöße und fuhren durch Cronus (die Ostsee) und Hailibo (das frische Haff) und kamen in das Land der Ulmigeria, wo sie ein Volk fanden ganz unerfahren. Hier schlugen sie ihre Gezelte auf, bauten nach ihrer Weise Schlösser und Dörfer, und warfen sich theils mit Güte, theils mit Gewalt, theils mit Hinterlist zu Herren des Landes auf. In selbigem fanden sie Honig, von dem sie ein Getränk bereiteten, während sie von Anbeginn Molken getrunken. Die Ureinwohner von Ulmigeria wurden auch von den Cymbrern zu ihrer Lebensweise geführt, so daß mit der Zeit beide Theile dem Trunk heftig ergeben waren und zugleich gewaltige Kriegsmänner wurden.

Chronik des Bischoff Christian bei Simon Grunau. Tract. II. Cap. 2 (ungedruckt) und Lucas David, Theil I., S. 15f

Waissel's Chronika alter Preussischer Historien fol. 8

Daubmann kurtzer Auszug der preussischen Chroniken, c.

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