1846: Einziehung des Kirchendezems

Amtsblatt des RB Gumbinnen, amtlicher Teil, S. 106

No. 28. Das Verfahren bei Einziehung des Kirchendezems betreffend

Obwohl in unserer Amtsblatts-Verfügung vom 21sten Januar 1822 das beider Einziehung des Kirchendezems zu beobachtende Verfahren speziell vorgeschrieben ist, so sind doch in neuerer Zeit jene Vorschriften nicht überall genau befolgt, wodurch nicht allein das Geschäft der Kirchenkassen-Rendanten erschwert ist, sondern auch den Kirchenkassen Verluste zugeführt sind. Wir sehen uns daher, unter Beseitigung der oben allegirten Verfügung, zu nachstehenden Anordnungen veranlaßt, nach welchen sich sowohl das betheiligte Publikum, als auch die betreffenden Behörden und Beamten richten mögen:

  1. Die Dezemseinnahme findet, wie es das Ostpreußische Provinzialrecht im Zusatze 213. §9 vorschriebt, um Michaelis jeden Jahres, also etwa acht Tage vor und acht Tage nach dem 29sten September des Jahres statt. Die Tage, an welchen in dieser Zeit die Erhebung geschehen soll, ist nicht nur einige Sonntage vorher nach beendigtem Gottesdienste der versammelten Gemeine in üblicher Art, sondern auch durch Lokal- und Kreisblätter, durch die Schulzen und resp. durch öffentlichen Ausruf den Betheiligten bekannt zu machen. Wegen der Vollziehung dieser Bekanntmachungen haben sich die Kirchenkollegien beziehungsweise an die Herren Landräthe und die Magisträte zu wenden.
  2. Erfolgt die Einzahlung des Dezems an den bekannt gemachten Tagen nicht vollständig, so werden für die Säumigen neue Zahlungstermine bestimmt, welche jedoch nicht über den 8ten Oktober hinausgehen dürfen, und welche in der ad 1 bezeichneten Art, und zwar nöthigenfalls wieerholt, bekannt zu machen sind.
  3. Werden auch diese Termine nicht eingehalten, so fertigen die Rendanten der Kirchenkassen sofort die erforderlichen Restverzeichnisse und übersenden dieselben den Herren Landräthen und resp. den Magisträten mit dem Ersuchen, die Restanten zur Zahlung an den von den Kirchenkollegien näher zu bestimmenden Tagen, welche jedoch nicht über den 15ten November hinausgehen dürfen, anzuhalten.
  4. Läßt auch diese Maaßregel den Zweeck nicht erreichen, so wird von den Herren Landräthen und resp. den Magisträten gegen die Säumigen sofort mit exekutivischen Maaßregeln vorgeschritten, die jedenfalls bis zum Jahresschlusse beendigt werden müssen. Jede Verzögerung der Exekution haben die Kirchenkollegien anzuzeigen, damit wir in den Stand gesetzt werden, dieserhalb die erforderlichen Maaßregeln zu ergreifen.
  5. Haben sich bei Gelegenheit der Exekutionsvollstreckung einzelne Dezembeträge als inexigibel herausgestellt, so sind über dieselben spezielle Nachweisungen, mit Angabe der Gründe der Inexigibilität bei jedem Restanten, zu fertigen und von den Herren Landräthen und resp. den Magistraäten mit dem vorschriftsmäßigen Inexigibilitäts-Atteste zu versehen. Auf Grund dieser Nachweisungen beantragen die Kirchenkollegien die Niederschlagung der unbeibringlichen Reste.
  6. Stundungen über den Jahresschluß hinaus dürfen in der Regel gar nicht und ausnahmsweise nur dann stattfinden, wenn mit voller Sicherheit anzunehmen ist, daß die zur Zeit unbeibringliche Zahlung später erfolgen werden.

Indem wir die betreffenden Behörden und Beamten zur genauen Befolgung der vorstehenden Anordnungen anweisen, machen wir die Kirchenvorsteher und in Berücksichtigung der Vorschrift des allgemeinen Landrechtes Theil II. Tit. 11 § 627 auch die Pfarrer noch besonders auf die Bestimmung des § 13 der Instruktion für die Kirchenvorsteher vom 24sten Oktober 1801 aufmerksam, nach welcher die Gefälle, die der Kirchenkasse zustehen und durch ihre Versäumnisse bei der Beitreibung illiquid und inexigibel werden, ex propriis zu erstatten haben.

Gumbinnen, den 9ten Februar 1846

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