im Felde, 9./10. April 1943

Mein liebes Mädel !

früh abend bekam ich wieder einen Deiner lieben
Briefe, den vom 2.4., ich glaub, Du holst
Deine lange Schweigezeit wieder ein. Aber ich habe
ja womöglich noch länger nicht mehr von mir
hören lassen, und werde nun auch, wenn irgend
möglich, schreiben. Also die Umtaufung in
Frau hat Dir gar nicht gefallen, aber schließlich ist
doch jedes Mädchen eine kleine Frau,
vom Paradies her schon, und wenn ich Dich
erst einmal in den Armen halte, wirst Du
Dir solche Umtaufungen noch öfters gefallen lassen.

Gut bist Du ja, Erika, Du scheinst von mir
nicht viel zu halten, wenn Du zuerst
glaubtest, ich würde neben Dir noch an
"meine kleine Frau" schreiben !!! Jetzt bin
ich aber doch gespannt, wie Du mich umfaufen
willst ?!

Ja, an unseren, hoffentlich gemeinsamen,
Urlaub denke ich oft. Wir müssen ja dann
tüchtig in der Stadt herumkutschieren. Weißt Du, wie
ich es mir immer ausmale: Wir sitzen in
der Eisenbahn, auf unserer langen Fahrt, die ich
sonst so ungern mache, und die mir dieses
mal versüßt werden wird, denn Du bist ja
bei mir. Auf einen langen Bahnfahrt wird
man müde, und so wirst Du in meinen 

Armen schlafen. Da werde ich es mir nicht ver-
kneifen können, Dich hin und wieder zu küssen.
Zu deiner Schwester, Frau (Emmi) Kind, werden wir
dann hinfahren, aber dann geht es schnurstracks
nach Stuttgart. Weitß Du, Verwandtenbesuche, überhaupt
Besuche, mache ich nicht gern, ich glaube, soweit
kennst Du mich ja schon. Genauso liebe ich
keine großen Feierlichkeiten, so bin ich halt mal.

Von Stuttgart aus möchte ich dann noch am
gernsten an irgend einem hübsch gelegenen, kleinen
Ort fahren, wo wir ganz für uns haben und sein
können. In diesen 7 Tagen wollen wir die ganze
Stadt vergessen, und uns einander sein.
Kannst Du dir vorstellen, Liebste, wie schön
das sein wird ?

Weißt Du, ich bin überhaupt sehr für Ruhe, und
lauten, betriebsamen Umgang hasse ich. Da
mußt Du Dich damit abfinden, daß ich ganze
Mittage nur lese, und nichts von mir hören
lasse, wenn wir mal Mann u. Frau sind.
Zu viel ausgehen, zu Trinkabenden, zum Karten-
spielen und ähnliches werde ich auf der
anderen Seite auch nicht, mir gehts wie
meinem Vater, der es zu Hause weitaus
am Schönsten findet. Wenn es mir dann
meine kleine Frau etwas gemütlich macht,
und noch ein gutes Essen auf den Tisch
stellt, kann ich überhaupt an's Haus

gefesselt werden. Du siehst also, ich bin ein
recht solider junger Mann. Und da ich
weiß, daß Du ein tüchtiges und liebes Mädel
bist, werden wir zwei schon recht gut miteinander
auskommen, meinst Du nicht auch ?
Das weiß ich, obwohl wir uns erst seit 3 Abenden,
genau also seit ca. 15 Stunden kennen.
Nur so konnte ich meinen Eltern von Dir
immerhin erzählen, was ich von Dir halte, und
daß ist nicht wenig.

Wenn wir dann aber diesen gemeinsamen
Urlaub hinter uns haben, werden wir dann auch
ernstlich an's Heiraten denken können.
Ich meine, dann kennen wir uns zur
Genüge.

Hast Du darum mit keiner Idee gedacht, als
wir uns zum erstenmal sahen, und Du
mir den Weg zum Wasserturm zeigtest ?!
So läuft man oft in sein Schicksal, ohne
es zu wissen, manchmal gehts doch
eigenartig zu auf dieser Welt. Und ich
hätte zuerst auch nie den Mut gehabt, an
Dich zu schreiben, wenn mir nicht Ulla
Langel einmal etwas Bestimmtes (?), und ganz zufällig, von Dir gesagt hätte.
So hängt oft etwas von Kleinigkeiten ab,

das nachher zum Schicksal und größten Glück wird.
Und wenn wir mal in 30 Jahren ein altes
Ehepaar mit zahlreichen Enkeln darstellen, dann
würde dazu die Langel ganz unbewußt
zur Stifterin.
Nun gehts mir wie Dir, ich muß schnell
in's Bett, die Nacht gehts doch 10 mal heraus.
Der letzte Gedanke vor dem Einschlafen gilt Dir,
meinem geliebten kleinen Mädel.
Dann ruhe ich in Deinen Armen, Liebste,
und gleite sanft in's Traumreich hinüber.

Viele herzliche Grüße und
einen innigen Kuß
sendet Dir
Dein Siegfried

Der nächste Brief erscheint am 10. April 2013, 20:00 Uhr