im Felde, 20. Mai 1943

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Mein liebes Mädel!

heute erhielt ich einen ganz ausführlichen
Brief von Dir, worüber ich mich sehr freute (vom
11.5.43). Außerdem kam ein Nachzügler an,
ich glaube, es war Dein erster Brief von Dir
aus Grodno ! Er war mit Bleistift geschrieben
am 16.4. !!, wo und in welcher Manteltasche
er wohl hängen geblieben ist ?

Bei mir ist's ähnlich wie bei Dir 4 Kameraden
sitzen noch am Tisch, zum Glück schreiben alle,
dazu ist eine "Schundsmusik" im Radio,
die geht so richtig in die Glieder. Trotzdem werde
ich mich nur mit dem Brief an mein
Mädel beschäftigen. Überhaupt habe ich an sich
so ziemlich das schönste Leben in der Batterie,
ich mache die artillerischen Berechnungen,
und dazu sitze ich den ganzen Tag im
Bunker, und kein Mensch redet mir etwas
darein. Dann arbeit im immer an allen
möglichen Verbesserungen, und habe dazu
vom Batterie-Chef jede Unterstützung. Stören
tut mich also kein Mensch, und ich kann
so ziemlich tun, was ich will. Trotzdem ist
das Kommißleben hier in Rußland oft drückend,
und wenn man so oft sehen muß, wie der

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Dümmste schnell etwas wird, dann könnte einem
schon das Blut in den Kopf steigen. Aber es wird
im Leben so oft nur schwarz weiß gemalt, und
im zivilen Leben wird dann doch etwas
mit anderen Maßstäben gemessen. Aber wir
wollen uns das nicht verdrießen lassen, denn
"ich habe Dich und Du hast mich", kennst
Du dieses hübsche Schlagerlied ? Kannst
Du eigentlich tanzen und tanzest Du
gern ? Ich sehe lieber zu.

Nun zu dem wahren Thema, das für uns
zwei jetzt so wichtig ist, heiraten. Es steht
für mich so ohne Zweifel fest, daß Du,
meine Liebste, das einzige für mich in
Frage kommende Mädel bist, daß ich auch
sagen wollte, je eher wir heiraten, desto besser ist es.
Aber weißt Du, Erika, das so ohne jede Vorbereitung,
ohne Wissen und Kennen der Eltern zu tun,
halte ich doch nicht für das Richtige. Deswegen
legte ich ja so großen Wert darauf, daß wir
in diesem Urlaub zusammenkommen und mit-
einander nach Stuttgart fahren. Du sollst doch
wenigstens einmal die Eltern kennen lernen.
Das bedeutet natürlich nicht, Erika, daß ich auf
die Beurteilung von anderer Seite
warte, ich schrieb Dir ja schon, daß ich mich

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in dieser Hinsicht von gar niemand beeinflussen
lasse, denn diesen Schritt muß man schon
ganz selbst entscheiden. Verstehst Du das, Erika ?
Es wäre eben ideal, mit Dir in diesem
Urlaub nach Stuttgart zu fahren. Uns dort zu
verloben, und dann im folgenden Urlaub
zu heiraten. Das wäre ungefähr in einem
Jahr. Bis Du einverstanden, Liebste ?
Daß Du bei uns zu Hause wohnen sollst,
ist lediglich eine Vorstellung von mir, ich habe
darüber mit noch niemand geschrieben.
Aber weißt Du, ich weiß, was not tut,
und würde das als sehr gut durchführbar
halten. Das soll aber alles geregelt werden,
wenn wir beide im Urlaub in Stuttgart
sind. Zu Hause ist noch mein Vater, der den
ganzen Tag im Geschäft ist und jemand
braucht, meine Mutter, die in letzter Zeit
viel krank und fort ist, meine 2 kleinen
Nichten, meine jüngere Schwester, die eben-
falls über Tag im Geschäft ist, und mein
jüngerer Bruder, der noch zur Schule
geht, aber bald Soldat werden wird. So
führt jetzt ... den Haushalt unser Mädchen,
sie ist schon 6 Jahre bei uns. Arbeit gäbe
es ja dort schon, wir haben ein großes Haus,

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aber Du könntest dort schalten und walten,
wie im eigenen Haushalt. Es wäre auch nur
eine vorübergehende Lösung. Ideal wäre na-
türlich, möglichst bald eine eigene Wohnung
zu erhalten. Es ist ja manchmal zu Lachen.
Mein Vater hat Häuser mit 3 Zimmerwohnungen,
und kann nicht darüber verfügen. Wenn dann
allerdings einmal eine frei würde, und wir
hätten ein Kind, müßte es schon zum
Klappen kommen. Ja, ja, Liebste, ich fabuliere
schon wieder von der Zukunft, wenns nur
schon so weit wäre. Würdest Du es eigentlich
gern tun, einen Haushalt führen. Wenn
ja, werde ich mich doch mal mit meiner
Mutter aussprechen, aber ich glaube, sie wäre
gern damit einverstanden. Weißt Du, sehr
schön ist es bei mir  zu Hause. Wir haben eine
groß, sonnige Wohnung mit schönen Zimmern,
einen kleinen Garten, eine hübsche Terasse
für den Sommer, und eine prachtvolle Aussicht
über die Stadt. Es würde Dir sicher gut gefallen.

Mein liebes Mädel, nun wird noch
etwas gegessen, und dann husch, ins Bett.
Bleibe gesund, Liebste, und empfange
einen herzlichen, zärtlichen Kuß
von Deinem Siegfried.


Der nächste Brief erscheint am 24.5.2013 um 20:00 Uhr
 

 

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